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Hightech unterm Hintern

Technik|Digitales

Hightech unterm Hintern
Kein anderes Verkehrsmittel nutzt die Energie so effizient zur Fortbewegung wie das Fahrrad. Und die Entwickler tüfteln an immer neuen Technologien, um das Radfahren noch einfacher und komfortabler zu machen.

Wie man heute in die Pedale steigt

Nach dem Winter ist es endlich soweit: Die Sonne scheint, die Tage werden länger. Höchste Zeit, das geliebte Zweirad wieder aus dem Keller zu holen. Was man dann putzt, aufpumpt und ölt, ist – aller noch so schicken Ausstattung zum Trotz – beileibe keine moderne Technik. Schon vor über hundert Jahren sahen die Fahrräder im Großen und Ganzen so aus wie heute: ein Rahmen und zwei Räder mit Luftreifen, von denen eines über eine Kette angetrieben wird. Sogar die Gangschaltung hat ein ganzes Jahrhundert auf den Ritzeln.

Doch die ehrwürdige Technik erfreut sich großer Beliebtheit: In fast jedem deutschen Haushalt stand 2004 mindestens ein Fahrrad. Und das wird nicht nur für den Wochenend-Trip ins Grüne oder die Fitness-Fahrt nach Feierabend aus der Garage oder dem Keller geholt. Viele schwingen sich – der hohen Benzinpreise, Staus und des Parkplatzmangels überdrüssig – morgens auf den Sattel und radeln zur Arbeit. Da macht es nichts, wenn abends ein plötzlicher Regenguss die Radelfreude verdirbt. Denn in vielen Großstädten darf man den Drahtesel problemlos in U- und S-Bahnen mitnehmen.

Entsprechend gut verkaufen sich neben den Dauerbrennern Rennrad und Mountainbike auch Räder für den Stadtverkehr, wie eine Marktstudie des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) belegt. City- und Trekkingräder oder Rennräder mit Straßenausrüstung wie Schutzblechen und Licht – Speedbikes genannt – liegen voll im Trend. Zunehmend finden sich an den Stadträdern auch Komponenten, die früher Spezial- oder Hightech-Rädern vorbehalten waren. Dazu gehört beispielsweise eine Federung. Das kann eine gefederte Sattelstütze sein oder eine Vollfederung, die sogenannte Fullies bieten – von „Full Suspension Bike”, voll gefedertes Fahrrad. Ursprünglich entwickelt, um mit Mountainbikes besser durch holpriges Gelände brettern zu können, fangen die Federungssysteme dort die Stöße von Schlaglöchern und Bordsteinkanten ab. Hydraulische Bremsen oder Scheibenbremsen sorgen für schnelles und komfortables Anhalten an einer Ampel oder Straßenkreuzung.

Dabei sind die Präferenzen der Radler regional sehr verschieden, ist die Erfahrung des ZIV: Während im – radlerfreundlich flachen – Norden Deutschlands das Fahrrad offensichtlich gut in den Alltag integriert ist, gilt den Süddeutschen das Fahrrad eher als Sportgerät. Entsprechend verkaufen sich im hügeligen Süden der Republik Mountainbikes und Rennräder besser, während die Norddeutschen eher die komfortablen Stadträder schätzen.

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Auch wenn viele Autofahrer und Fußgänger über Fahrräder schimpfen – vom technischen Standpunkt aus betrachtet sind sie Meisterwerke. Welcher Fußgänger bringt es fertig, 15 oder 20 Kilometer in der Stunde zurückzulegen? Ein Radler schafft das locker und verbraucht dabei nicht mehr Energie als ein Fußgänger. Wozu also laufen?

Auch bei der Energieeffizienz ist der Drahtesel konkurrenzlos: Fast die gesamte Energie, die der Fahrer an die Pedale abgibt, wird auf die Räder übertragen und in Wegstrecke umgesetzt, fanden Forscher der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, vor einigen Jahren heraus. Mit einer Wärmekamera waren sie dem Zweirad auf Kette und Tretlager gerückt. Wenn Energie in Form von Reibung verloren ginge, so das Kalkül der Wissenschaftler, würde die Infrarotkamera dies als Erwärmung von Kette oder Zahnrädern feststellen. Das Ergebnis war erstaunlich: Im schlechtesten Test lag der Energieverlust bei zehn, im besten bei unter zwei Prozent. Kein Autofahrer kann das von seinem Vehikel sagen.

Zwei Faktoren machen die amerikanischen Forscher für die Leistungsfähigkeit des Kettenantriebs verantwortlich: Da ist zunächst die Größe der Zahnräder. Je größer diese sind – vorne wie hinten –, desto günstiger ist der Winkel, in dem sich die Kettenglieder biegen. Das erzeugt weniger Reibung. Der zweite Faktor ist die Spannung der Kette: Je stärker sie gespannt ist, desto höher ist die Effizienz.

Erstaunt waren die Wissenschaftler, dass das Schmieren der Kette keinerlei Auswirkungen auf die Energieeffizienz hatte. Der Vergleich zwischen diversen, mit unterschiedlichen Mitteln geschmierten Ketten und einer ungeschmierten ergab keine Differenz – allerdings unter Laborbedingungen. Für draußen sind Öl oder Fett unverzichtbar: Das Schmiermittel setzt sich in freie Stellen zwischen den Kettengliedern und verhindert so, dass Dreck eindringt. Der Unterschied ist in den Waden deutlich zu spüren. Doch trotz der hohen Energieeffizienz machen Finessen wie eine Gangschaltung das Radlerleben leichter. Ein niedriger Gang lässt einen Berg nicht ganz so steil erscheinen. Und mit einem hohen Gang sind auf gerader Strecke problemlos Geschwindigkeiten von 30 bis 40 Kilometer pro Stunde zu erreichen. Es geht sogar noch schneller: Am 20. Juli 1985 stellte der amerikanische Radrennfahrer und Triathlet John Howard den bis heute gültigen Geschwindigkeitsrekord auf zwei Rädern auf: Im Windschatten eines speziellen Autos flitzte er mit atemberaubenden 245 Kilometern pro Stunde über einen Salzsee im US-Bundesstaat Utah.

Wie man früher geradelt ist

Viel gemächlicher ging es an einem Junitag des Jahres 1817 zu, als ein junger Mann auf einem merkwürdigen Gefährt Aufsehen erregte. Er bewegte sich auf einer Art Balken mit zwei Rädern und zwei Hörnern daran fort. Halb rennend und halb sitzend machte er sich auf den Weg von der Mannheimer Innenstadt zum Schwetzinger Relaishaus im heutigen Mannheimer Stadtteil Rheinau. Die Zeitgenossen reagierten befremdet oder amüsiert. Da halfen Erfinder Karl Freiherr von Drais öffentliche Fahrten ebenso wenig wie die unbestreitbaren Leistungen seines Gefährts: So brauchte Drais für den Weg von Karlsruhe nach Kehl nur halb so lange wie die Pferdepost. Während man Drais diesseits des Rheins verspottete, stürzten sich die französischen Nachbarn, allen voran die Adligen, mit Begeisterung auf sein Veloziped, später nach seinem Erfinder „Draisine” genannt. Damit die rasende Lauferei auch sicher wäre, lernten die Franzosen das Laufradeln in eigens eingerichteten Fahrschulen.

Dabei war das Fahren mit der Draisine noch recht sicher. Von den Nachfolgemodellen lässt sich das nicht behaupten: Rund ein halbes Jahrhundert nach Drais’ ersten rollenden Ausflügen entwickelte der Franzose Pierre Lallement dessen Laufrad weiter. Er verpasste dem Vorderrad zwei Pedalkurbeln. Der Legende nach soll ein Schleifstein Lallement inspiriert haben. Der kommerzielle Durchbruch kam 1864, als der Schmied Pierre Michaux zusammen mit den Brüdern Aimé, René und Marius Olivier in Paris die erste Zweiradfabrik, die Michaux-Werke, gründete. Um die Leistungsfähigkeit des Velozipeds zu verbessern, kamen die Vier auf die Idee, das Antriebsrad zu vergrößern: Da jede Kurbeldrehung genau eine Radumdrehung zur Folge hatte, wurde der zurückgelegte Weg umso länger, je größer der Durchmesser des angetriebenen Rades war.

Diese Erkenntnis brachte den Engländer James Starley auf die Idee, ein Antriebsrad mit einem Durchmesser von 2,50 Metern zu bauen. Hochräder hießen diese unproportionierten Gefährte. Sie erfreuten sich in den gehobenen Schichten großer Beliebtheit, hoben sie ihre Fahrer doch buchstäblich aus der Masse derjenigen hervor, die sich solche Räder nicht leisten konnten. Das galt auch in Deutschland, wo der Nähmaschinenfabrikant Adam Opel ab Mitte der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts diese Räder herstellte.

Leicht zu fahren waren die Hochräder jedoch nicht: Der Sattel befand sich fast über der Vorderachse, was das Auf- und Absteigen erschwerte. Immerhin: Einmal in luftiger Höhe angekommen, konnte man das Hochrad mit schwindelerregender Geschwindigkeit vorwärts bewegen. Über 40 Kilometer in der Stunde erreichten die Fahrer mit ihren Gefährten, die vielen allerdings zum Verhängnis wurden: Beim Bremsen und an einer Unebenheit bockte das Rad zuweilen wie ein widerspenstiges Pferd. Der Fahrer wurde unsanft aus dem Sattel gehoben und stürzte kopfüber auf das Pflaster. Immer wieder endeten solche Stürze tödlich.

Es war Starleys Neffe John Kemp Starley, der die Radler wieder erniedrigte. „Rover Safety Bicycle” nannte er sein Fahrrad, denn die tiefere Sitzposition sollte in erster Linie mehr Sicherheit bieten: Der Radler saß nun so, dass er mit den Füßen den Boden erreichte. Auch hatte das Fahrrad keinen Vorderradantrieb mehr: Eine Kette übertrug die Kraft von der Pedalkurbel auf das Hinterrad. Lenkung und Antrieb waren entkoppelt, was die Navigation vereinfachte. Als Rahmen nutzte Starley eine Form, die sich in der ersten Hälfte des Jahrzehnts herausgebildet hatte. Sie setzte sich zusammen aus zwei Dreiecken, von denen das eine aus Sitzstrebe, Kettenstrebe und Sitzrohr bestand, das andere aus Oberrohr, Unterrohr und Sitzrohr. Da die Rohre fast ausschließlich durch Zug und Druck belastet werden, nicht aber durch Verwindung oder Biegen, ist diese Form sehr stabil. Abgesehen vom Damenrad, dessen Oberrohr viel tiefer angesetzt ist und weitgehend parallel zum Unterrohr verläuft, ist der sogenannte Diamant-Rahmen bis heute gebräuchlich. Erst in den letzten Jahrzehnten haben Designer begonnen, mit neuen Rahmenformen zu experimentieren. Die deutsche Bezeichnung beruht wahrscheinlich auf einem Übersetzungsfehler des englischen Wortes „diamond”, das auch Raute bedeutet. Starley hatte 1885 mit dem Sicherheitsfahrrad also den Prototyp des modernen Fahrrads gebaut.

Seinen letzten Schliff erhielt das Zweirad in den folgenden zwei Jahrzehnten: 1888 erfand der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop den luftgefüllten Gummireifen. Bis dato rollten die Fahrräder auf Vollgummi- oder Eisenrädern durch die Lande. Letztere sollen auch den Anstoß zur Erfindung des Pneus gegeben haben. Weil er sich durch den Lärm der Eisenräder am Dreirad seines Sohns gestört fühlte, so die Legende, sann Dunlop auf Abhilfe: Er klebte dünne Gummiplatten zu Schläuchen zusammen, zog diese auf die Räder und blies sie mit einer Luftpumpe auf.

Kurz nach der Jahrhundertwende machte die Möglichkeit, zwischen mehreren Gängen zu schalten, das Fahrrad schneller: 1902 ließ sich das Chemnitzer Unternehmen Wanderer eine Schaltung für das Fahrrad patentieren. Das große Geld jedoch machte ein Konkurrent aus dem Fränkischen: 1903 führte der Schweinfurter Industrielle Ernst Sachs mit großem Marketing-Aufwand die „ Torpedo”-Nabe ein, die eine Drei-Gang-Schaltung mit Rücktritt kombinierte – und bis heute praktisch unverändert in vielen Rädern ihren Dienst tut. Ein entscheidendes Element der Torpedo-Nabe war der Freilauf, den sich 1869 William van Anden in den USA hatte patentieren lassen. Er ermöglichte es, das Fahrrad rollen zu lassen, ohne dass sich dabei die Pedale bewegten – eine bahnbrechende Erfindung, deren Bedeutung allerdings nicht jeder erkannte. Etwa der österreichische Fahrradfabrikant Johann Puch: „ Ich wundere mich nur darüber, dass viele und teilweise nicht unbedeutende Firmen, die stets als Fachleute gegolten haben, einer solchen Erfindung, deren Erfolglosigkeit evident ist, Aufmerksamkeit schenken”, sagte er 1899 den Journalistinnen des Fahrradmagazins „Draisena”. Heute verzichten nur noch die sogenannten Fixies auf den Freilauf. Diese ursprünglich aus dem Radsport in der Halle stammenden Räder erfreuen sich nach wie vor bei einer kleinen eingeschworenen Gemeinde großer Beliebtheit.

Seine Blütezeit in Europa erlebte das Fahrrad in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es war, nach der Nähmaschine, das zweite technische Serienprodukt. In die Serienfertigung wurden viele neue Produkte und Fertigungstechniken integriert, die die aufstrebende Ingenieurskunst ersann. So drehten sich die Räder reibungsarm dank der von Friedrich Fischer ab 1872 in Serie produzierten Kugellager. Und das 1885 von den Gebrüdern Reinhard und Max Mannesmann patentierte Verfahren zur Herstellung nahtloser Stahlrohre erlaubte es, leichtere Rahmen zu fertigen.

Ab den Zwanzigerjahren setzte sich in der Fahrradindustrie die Fließbandproduktion durch. In Rüsselsheim fertigten die Opel-Arbeiter rund 4000 neue Räder am Tag. Nach dem Zweiten Weltkrieg lösten motorisierte Fahrzeuge zunächst auf zwei, dann auf vier Rädern das Fahrrad als Individualtransportmittel für die Massen ab. Erst das neue Umweltbewusstsein hat dem Fahrrad in den letzten Jahrzehnten wieder einen Boom beschert.

Wie wir morgen strampeln werden

Das herkömmliche Fahrrad bietet kaum noch Spielraum für technische Entwicklungen. Denn das Rad sei in vielerlei Hinsicht perfekt, sagt Harald Kutzke, Fahrrad-Designer und Geschäftsführer der Firma ecomotion bike aus Bonn. Verbesserungsmöglichkeiten gebe es vor allem noch bei einzelnen Komponenten. Dazu gehören etwa stabilere Reifen, denen selbst Glasscherben nichts anhaben können, oder ein Kettenschutz, der den Antrieb wartungsärmer macht.

Der japanische Hersteller Shimano hat dagegen bereits mit der Computerisierung des Fahrrads begonnen. Smover heißt das Konzept: Die Japaner haben dazu den beliebten Fahrradcomputer, die digitale Version des ehrwürdigen Tachometers, einfach um einige Funktionen erweitert: Das kleine Gerät steuert die Federung und wählt automatisch stets den der Geschwindigkeit angemessenen Gang.

Allerdings ist das nur der erste Schritt. Ein neues Fahrradkonzept, das mehr Sicherheit und Komfort bietet, soll der Fahrer komplett auf seine Anforderungen abstimmen können. Electronic oder Active Bike hat Kutzke das Fahrrad der Zukunft getauft, an dessen Entwicklung er entscheidend mitgewirkt hat. Zwei wichtige Merkmale unterscheiden das Rad der Zukunft von dem heutigen: Es ist intelligent, und es hat einen Hybridantrieb.

Was sich nicht geändert hat: Der Fahrer tritt weiter in die Pedale. Doch er treibt damit einen Generator an, der die Energie als elektrischen Strom an zwei Motoren in den Naben beider Räder weitergibt. Überschüssige Energie, etwa zurückgewonnene Bremsenergie, wird in einer Batterie gespeichert.

Einen ersten Eindruck davon, was es mit dem elektrifizierten Radeln auf sich hat, vermittelt das aus Japan stammende Pedal Electric Bicycle (übersetzt etwa: Fahrrad mit Pedal- und elektrischem Antrieb), kurz Pedelec genannt. Hier belohnt ein Elektromotor die physische Anstrengung des Fahrers: Tritt der kräftig in die Pedale, gibt der Motor zwischen 20 und fast 90 Prozent der Tretleistung dazu.

Doch das Pedelec ist nur der Anfang. Denn ihm fehlt das Herzstück des elektronischen Fahrrades: der Computer, der die beiden Motoren steuert. Die Grundidee war, ein ideales Fahrrad zu imitieren, sagt Kutzke. Das bedeutet, der Computer ist so programmiert, dass er durch Motorkraft das Gewicht des Rades – immerhin 25 Kilogramm – und die Widerstände wie den Rollwiderstand oder die Trägheit beim Beschleunigen kompensiert. „ Man fährt also ein Fahrrad, das scheinbar nichts wiegt, und einen Wirkungsgrad von 100 Prozent hat”, erklärt Harald Kutzke. Das sorgt nicht nur für mehr Fahrkomfort, sondern auch für mehr Sicherheit. Mit dem Schlenker etwa, der vielen Radfahrern beim Anfahren unterläuft, ist es dann ebenso vorbei wie mit dem Rutschen auf nasser Fahrbahn. Erkennt der Computer, dass das Hinterrad beim Bremsen blockiert, gibt er es frei und bremst dann erneut – vergleichbar mit dem Anti-Blockiersystem (ABS) beim Automobil.

Der Fahrer ist aber nicht auf die Voreinstellungen des Computers angewiesen, denn die Steuerungssoftware ist frei programmierbar. Jeder kann also das Rad exakt auf seine Bedürfnisse, Kondition, Tagesform und Vorlieben abstimmen: zum Beispiel leichtes Treten und maximale Unterstützung für den bequemen Weg zur Arbeit, dafür wenig Motorleistung für den Fitness-Trip nach Feierabend. Selbst eine persönliche Leistungsobergrenze lässt sich einstellen, sodass das Active Bike auch für medizinische Zwecke geeignet ist.

Der Komfort hat seinen Preis: Kutzke rechnet mit rund 2500 Euro für das Fahrrad der Zukunft. Bis das in die Serienfertigung geht, wird es jedoch noch eine Weile dauern. Derzeit fehlen noch effiziente und bezahlbare Generatoren und Motoren sowie geeignete Batterien. Bis die entwickelt sind, wird man weiter fleißig selbst in die Pedale eines ganz normalen Fahrrads treten müssen. ■

Werner Pluta

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Neben den gängigen Typen bietet der Fahrradmarkt ein reichhaltiges Angebot an Exoten aller Art. Dazu gehören die Fahrrad-Rikschas, die heute fester Bestandteil des Straßenbildes von Großstädten wie Berlin oder Hamburg sind. In den etwas schwerfälligen Gefährten finden zwei Passagiere Platz, die sich in gemächlichem Tempo und durch ein Dach vor Regen geschützt per Muskelkraft zu den Touristenzielen kutschieren lassen.

Ebenfalls gemütlich mutet die Position auf dem Liegerad an: Der Fahrer nimmt nicht auf einem Sattel Platz, sondern in einem Sitz. Das Tretlager befindet sich vor ihm. Manche der Liegeräder haben einen konventionellen Lenker vor dem Fahrer. Bei anderen ist der Lenker unterhalb des Sitzes angebracht. Zu den Vorteilen des Liegerades gehören die bessere Kraftübertragung und eine entspannte Sitzhaltung. Nachteilig ist die niedrige Sitzposition: Der Radfahrer hat weniger Übersicht über den Verkehr und wird auch von den Autofahrern nicht so gut gesehen. Übrigens: Der internationale Radsport-Verband, die Union Cycliste Internationale (UCI), erkennt Liegeräder nicht als Fahrräder an.

Der Trend zum Fahrrad als alltägliches Transportmittel ist ungebrochen. Mit den antiquierten Klapprädern aus den Siebzigern haben die modernen Falträder kaum mehr etwas zu tun. Die meist recht teuren Gefährte sind mit den gleichen Finessen wie normale Fahrräder ausgestattet, etwa einer Gangschaltung. Das Darmstädter Unternehmen Riese und Müller bietet sogar ein voll gefedertes Faltrad an. In Minutenschnelle lassen sich die Räder zu einem handlichen Paket zusammenfalten, das man bequem im Auto, Bus oder in der Bahn mitnehmen kann.

Erinnerungen an vergangene Zeiten wecken die sogenannten Cruiser: Mit ihrem geschwungenen Rahmen, dem ausladenden Lenker und den Ballonreifen ähneln sie amerikanischen Fahrrädern aus den Dreißigerjahren. Wegen des großen Gewichts und der spartanischen Ausstattung eignen sie sich kaum für längere Touren, sondern sind das Richtige für Stadt-Paraden.

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Das Fahrrad war als erstes mechanisches Individualverkehrsmittel für die Massen erschwinglich. Es vergrößerte den Wirkungsradius der Menschen und erlaubte Arbeitern, aus den stickigen Mietskasernen der Innenstädte in die luftigeren Vororte zu ziehen – und trotzdem pünktlich zur Arbeit zu kommen. Selbst größere Reisen wurden durch das neue Transportmittel möglich. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten Bücher über Fahrradreisen.

Für die Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert war das Fahrrad geradezu eine Freiheitsmaschine. Die amerikanische Frauenrechtlerin Susan Brownell Anthony sagte sogar, das Zweirad habe „mehr als alles andere in der Welt” zur Emanzipation der Frau beigetragen. Es verhalf den Frauen nicht nur zu mehr Mobilität, es beendete auch die alte strenge Kleiderordnung. Bislang hatten sich die Frauen in weite Röcke und eng geschnürte Korsagen gezwängt, die mehrere Kilogramm wogen. Damit ließ sich natürlich nicht gut radeln. Also legten sich die Frauen eine neue, bequeme Mode zu, die ihnen mehr Freiheit und mehr Luft ließ: Sie schwangen sich in Pumphosen und legerem Mieder auf den Drahtesel.

Doch nicht jeder war mit den radelnden Frauen einverstanden. Ärzte fürchteten um deren Gesundheit, Friseure und Klavierhersteller um ihr Geschäft: Wer werde ihre Dienste in Anspruch nehmen, wenn der Fahrtwind ihr Werk gleich wieder zunichte mache, klagten die Haarkünstler, während die Instrumentenbauer argwöhnten, das Fahrrad würde das Klavier als Standardgeschenk für die junge Dame ablösen. Andere störte schlicht der Anblick körperlicher Anstrengung. „Haben Sie jemals etwas Abstoßenderes, etwas Häßlicheres, etwas Gemeineres gesehen, als ein mit puterrotem Gesicht, vom Staube entzündeten Augen und keuchenden Lungen auf dem Zweirade dahinrasendes Frauenzimmer?!”, echauffierte sich 1896 die Zeitschrift „Jugend”.

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Bei den radlern in Deutschland haben sich in den letzten Jahren zwei klare Favoriten unter den Fahrrad-Typen herauskristallisiert: Trekking- und Cityräder. Beide Typen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Komfort aus und eignen sich für die tägliche Fahrt ins Büro oder zum Einkaufen ebenso gut wie für eine entspannte Radtour in der Stadt oder auf gut befestigten Radwegen. Bei sportlichen Käufern gefragt sind die geländegängigen Mountain- und All-Terrain-Bikes – während etwa Rennräder seltener beim Händler nachgefragt werden.

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Nicht das Automobil ist der große Renner unter den individuellen Fortbewegungsmitteln, sondern das Fahrrad. Weltweit werden mehr als doppelt so viele Drahtesel hergestellt wie Autos: 2000 waren es rund 100 Millionen Stück. Über die Hälfte davon rollten aus Fabriken in China auf die Straßen. Zweitgrößter Produzent ist Indien mit etwa 11 Millionen Rädern pro Jahr. Weit abgeschlagen sind die deutschen Hersteller. Sie fertigten 2000 rund 3 Millionen Stahlrösser.

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Schaltung muss sein. Sie erlaubt es, in der Ebene dahinzuflitzen und trotzdem anschließend das Rad nicht den Hügel hinaufschieben zu müssen. Zwei Schaltungstypen sind gebräuchlich: die Kettenschaltung und die Nabenschaltung.

Die Kettenschaltung nutzt verschieden große Zahnräder: vorne die „Kettenblätter” und hinten die „Ritzel”. Mithilfe von Überwerfern lassen sich so bis zu 30 verschiedene Übersetzungen einstellen. Sie reichen vom Treten fast ohne Widerstand, bei dem mehrere Kurbelumdrehungen eine Radumdrehung ergeben, bis zum Treten mit hohem Widerstand, wobei eine Kurbelumdrehung gleich mehrere Radumdrehungen bewirkt. Die Übersetzungen lassen sich je nach Bedarf unterschiedlich einrichten: Bei Straßenrädern unterscheiden sich die Ritzel in der Zahl der Zähne nur wenig. So kann der Radler seinen Tretrhythmus sehr fein abstimmen. Die Schaltungen von Mountainbikes und Rennrädern dagegen umfassen ein großes Spektrum an Übersetzungen mit sehr großen und sehr kleinen Gängen. Damit kann man auf gerader Strecke schnell fahren, aber auch steile Anstiege in langsamem Tempo bewältigen.

Die bereits vor rund hundert Jahren erfundene Nabenschaltung arbeitet mit einem oder mehreren Planetengetrieben, die in einem abgeschlossenen Gehäuse in der Nabe des Hinterrades sitzen. Das hat etliche Vorteile: Die Schaltung ist einfacher zu bedienen und weniger anfällig als eine Kettenschaltung. Außerdem braucht die Nabenschaltung praktisch keine Wartung und ist gegen äußere Einflüsse wie Stöße, Wasser und Staub geschützt. Anders bei der Kettenschaltung, wo alle Komponenten frei liegen: Sie müssen deshalb regelmäßig gefettet werden, und ein Sturz kann dem Schaltapparat den Garaus machen. Außerdem nutzen sich Kette und Zahnräder ab und man muss sie daher regelmäßig austauschen.

Was die „Coolness” betrifft, rangieren die Ritzelkassetten allerdings weit vor dem Getriebe in der Nabe, was vor allem mit der technischen Beschränkung der Nabenschaltung zu tun hat: Lange war die Nabenschaltung auf drei Gänge begrenzt. Erst in jüngerer Zeit bieten Hersteller wie Fichtel & Sachs Nabenschaltungen auch mit fünf oder sieben Gängen an. Interessanter ist die Nabenschaltung, die das in Fuldatal bei Kassel ansässige Unternehmen Rohloff 1999 auf den Markt gebracht hat: Mit 14 Gängen ist „Speedhub 500/14″ einer 27-Gang-Kettenschaltung ebenbürtig.

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