Es gibt Menschen, die ständig Speichel im Auge haben – und das sogar gewollt: Statt der Tränendrüsen sorgen bei ihnen verpflanzte Speicheldrüsen dafür, dass die Augenoberfläche feucht gehalten wird. Das ist zwar für viele eine abstoßende Vorstellung, für die Betroffenen kann es jedoch die einzige Chance sein, eine dauerhafte Schädigung ihrer Augen zu verhindern. „Eingesetzt wird diese Methode nur in gravierenden Fällen, bei denen die Tränendrüsen praktisch gar nicht mehr arbeiten und bei denen alle anderen Therapien versagt haben“, erklärt der Gesichts- und Kieferchirurg Hans-Christian Jacobsen. Er ist leitender Oberarzt am Universitätsklinikum in Lübeck, der einzigen Klinik in Deutschland, die den Eingriff durchführt.
Normalerweise produzieren verschiedene Drüsen im Auge gemeinsam die Tränenflüssigkeit. Sie sorgt dafür, dass die Augenlider beim Blinzeln über die Oberfläche des Auges gleiten. Wird jedoch zu wenig davon gebildet, entsteht ein sogenanntes Trockenes Auge mit dem Gefühl, man hätte Sand im Auge. „Später kommt es häufig zu Entzündungen, und die können Risse und andere Schäden in der Hornhaut entstehen lassen“, erläutert Christian Ohrloff, Augenarzt an der Universitätsklinik in Frankfurt am Main und Sprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft.
Behandelt wird das Trockene Auge mit künstlichen Tränen – Augentropfen, die die fehlende Tränenflüssigkeit ersetzen. Entzündungshemmende Mittel kommen ebenfalls zum Einsatz. „ Manchmal wird auch der Abflusskanal für die Tränen mit einem kleinen korkenartigen Kunststoffpfropf verschlossen, sodass die Flüssigkeit länger im Auge bleibt“, sagt Ohrloff.
Wird die Hornhaut trotzdem immer weiter geschädigt, kann unter bestimmten Umständen – als „ultima ratio“, wie Ohrloff betont – die Speicheldrüsen-Transplantation helfen. Hans-Christian Jacobsen erklärt das Prinzip der aufwendigen Operation: „Durch einen Schnitt am Hals wird eine der Unterkiefer-Speicheldrüsen entnommen und in den Schläfenmuskel eingebettet. Der Ausführungsgang wird dann an den Tränenkanal angeschlossen.“ Bereits nach wenigen Tage beginnt die Drüse, Flüssigkeit zu produzieren. Allerdings: „Speichel ist keine Tränenflüssigkeit. Er ist beispielsweise sehr viel dünnflüssiger“, sagt Jacobsen. Mit der Zeit dicken die „Speichel-Tränen“, wie er das Sekret nennt, jedoch ein. Ungewohnt für die Patienten ist auch, dass die Drüse ständig Flüssigkeit abgibt – sie reagiert nicht auf Wind oder einen Fremdkörper im Auge. Dennoch sind die Erfahrungen gut: „Wir haben die Operation bei etwa 50 Betroffenen durchgeführt, und zwei Drittel von ihnen waren zufrieden oder sogar sehr zufrieden“, berichtet Jacobsen.