„Ey Digga, dem Party gestern war voll fett, ischwör …“ Solche Sätze lassen vielen die Haare zu Berge stehen. Und rasch ziehen sie daraus zwei Schlüsse. Erstens: Jemand, der so spricht, kann nicht „richtig deutsch“. Zweitens: Diese Art zu sprechen bedroht das „gute Hochdeutsch“.
Die Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese entkräftet solche Vorurteile, nachdem sie das Sprachphänomen fundiert analysiert hat. Ihre Textbeispiele lassen immer wieder schmunzeln, aber sie regen auch zum Nachdenken an. Die Autorin stempelt „Kiezdeutsch“ nicht als schlechtes oder unrichtiges Deutsch ab, sondern vergleicht seine Funktionalität und Grammatik wertfrei mit Hochdeutsch. Ergebnis: Die Sprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – und inzwischen auch von vielen Jugendlichen mit deutschen Eltern – ist fest in der deutschen Grammatik verankert. Sie irritiert oft nur deshalb, weil sie die Regeln im Satzbau stringenter anwendet. Für Wiese ist das ein Teil der Innovationskraft dieses „neuen Dialekts“. Das Hochdeutsch an sich hat daneben unangetastet Bestand. Übrigens gibt es dieses Phänomen in allen Ländern, in denen Menschen mit einer anderen Muttersprache leben.
Durch einen kleinen Test am Schluss kann der Leser selbst prüfen, wie „voll konkret“ er Kiezdeutsch beherrscht. Carsten Felker
Heike Wiese KIEZDEUTSCH C.H. Beck, München 2012 279 S., € 12,95 ISBN 978–3–406–63034–7 E-Book für € 9,99 ISBN 978–3–406–6 3035–4