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Kopierer, Lektoren und Übersetzer

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Kopierer, Lektoren und Übersetzer
Wie die Zelle von der DNA zum Protein kommt

Da ist sie nun, die DNA. Liegt im Zellkern herum und hortet alle Informationen, die die Zelle für ihren Betrieb braucht. Nur: Was tut man als Zelle damit? Wie entlockt man der Erbsubstanz ihr Wissen? Und wer übersetzt einem den Code, in dem die DNA dieses Wissen speichert? Um es gleich vorweg zu sagen: Eine einfache Antwort auf diese Fragen hat auch die Zelle nicht gefunden. Sie benötigt viele Schritte – und noch mehr fleißige Helfer –, um an die Informationen auf der DNA heranzukommen. Im Prinzip geht sie dabei ähnlich vor wie ein Verleger, der sich darauf spezialisiert hat, wertvolle mittelalterliche Handschriften in anderen Sprachen neu herauszubringen. Besteht Nachfrage nach einer solchen Neuauflage, sorgt dieser Verleger zuerst dafür, dass das wertvolle Originaldokument abgeschrieben wird, vorzugsweise in einer klaren Druckschrift. Das tut auch die Zelle: Benötigt sie ein Protein, lässt sie zunächst eine Abschrift von dem Gen mit dem entsprechenden Bauplan anfertigen – und zwar nicht in der Originalschrift, der DNA, sondern in einer besser lesbaren Variante, die aus RNA besteht. Dieser Vorgang heißt Transkription.

Dafür begibt sich eine hochspezialisierte Protein-Crew, alles in allem über 100 Mitarbeiter, in den Kern und dröselt erst einmal die DNA-Doppelhelix auf. Dann beginnen die Kopierer mit ihrer eigentlichen Arbeit, bei der sie die chemische Ähnlichkeit der beiden Nukleinsäuren DNA und RNA (siehe Basiswissen Zelle, Folge 2 in bdw 8/2012) geschickt ausnutzen: Sie fahren an der DNA entlang und sorgen dabei dafür, dass sich nach und nach jede Base auf einem der beiden DNA-Stränge mit ihrem RNA-Gegenstück zusammentut. Die RNA-Bausteine werden dann zu einer langen Kette verknüpft und anschließend wieder von der DNA gelöst. Dadurch entsteht eine spiegelbildliche – Forscher sagen „komplementäre“ – Abschrift des DNA-Stücks. Flugs noch auf Fehler kontrolliert – fertig ist die prä-mRNA.

Doch mit dieser ersten rohen Kopie kann niemand etwas anfangen, weder im Verlag noch in der Zelle. Sie ist viel zu lang, es gibt keinen Titel, und ein abschließendes Kapitel fehlt auch. Deswegen wird die Abschrift praktisch noch während ihrer Anfertigung bereits nachbearbeitet. Als Erstes erhält sie einen Titel: Im Fall der prä-mRNA ist das eine bestimmte kappenartige Struktur am vorderen Ende. Dann wird gnadenlos gekürzt, was bei der RNA als Spleißen bezeichnet wird. So ein Gen enthält nämlich nicht nur die wichtige Information in Form der sogenannten exprimierenden Sequenzen, kurz Exons, sondern dazwischen immer wieder viele nicht-codierende Teile – intervenierende Sequenzen oder Introns genannt. Man kann sie sich als fehlerhafte, gestrichene Passagen, Anmerkungen oder Fußnoten in einem Manuskript vorstellen. Und die müssen raus, bevor der Text zum Übersetzen gegeben wird.

Zuständig dafür ist wieder ein Team aus Proteinen und kleinen RNAs, nach seiner Aufgabe Spleißosom benannt: Emsig sammelt es sich um den prä-mRNA-Faden herum an, schnippelt geduldig ein Intron nach dem anderen heraus und fügt die übrig gebliebenen Exons wieder zusammen. Am Ende wird die Abschrift noch mit einem abschließenden Kapitel versehen, einem langen Schwanz von lauter A-Basen.

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Dann ist es so weit: Es geht zum Übersetzen. Dazu muss die nun bearbeitete prä-mRNA vom Kern ins Zytoplasma umziehen – allerdings nicht, bevor sie eine strenge Qualitätskontrolle durchlaufen hat. Erst wenn alles im grünen Bereich ist – Titel, Länge und Schlusskapitel –, darf sie den Kern verlassen und sich Messenger- (also Boten-) RNA oder kurz mRNA nennen. Für die Zelle beginnt nun einer der wichtigsten Teile des Vorgangs: die Translation. Dabei wird das Vier-Basen- Alphabet der DNA in das 20-Aminosäuren-Alphabet der Proteine übersetzt. Jeweils drei Basen zusammen bilden dabei ein Codon – und jedes Codon steht für eine Aminosäure.

Es gibt allerdings ein Problem: Die beiden Sprachen sind so unähnlich, dass kein Dolmetscher sie direkt ineinander übersetzen könnte. Deswegen greifen die Übersetzungsmaschinen – die Ribosomen (siehe Basiswissen Zelle, Folge 1) – zu einem Trick: Sie benutzen ein Baukastensystem, um die korrekte Aminosäure-Folge zusammensetzen zu können. Das funktioniert so: Die Steinchen in dem Baukasten – kleine, kleeblattförmige RNA-Stücke, die transfer- oder tRNAs – besitzen alle an einer Seite ein Gegenstück, genannt Anticodon, für eines der 64 möglichen Codons, mit dem sie an die mRNA andocken können. An der anderen Seite ist bereits die dazugehörige Aminosäure angekoppelt. Läuft nun die mRNA durch das Ribosom, sucht dieses für das erste Basentrio hinter dem Startsignal das Steinchen mit dem passenden Gegenstück. Dann geht es zum nächsten Triplett, für das ebenfalls das passende Steinchen gesucht und festgehalten wird. Schließlich koppelt das Ribosom noch die Aminosäuren der beiden tRNAs aneinander, entlässt die erste aus ihrer Verankerung und rückt die zweite ein Stückchen nach links. Dann geht es mit dem dritten und dem vierten Codon nach dem gleichen Prinzip weiter, bis das Ribosom ein Stopp-Signal erreicht. Am Ende hat es eine Eins-A-Aminosäure-Kette gebaut, die exakt den Vorgaben auf der DNA entspricht – ohne dass es die genaue Bedeutung des genetischen Codes kennen muss. ■

Damit ist die erste Fassung des Buchs fertig. In den Verkauf kommt es natürlich erst, wenn es illustriert, gedruckt, geschnitten und gebunden ist – doch das ist eine Geschichte, die Sie in einer späteren Folge erfahren.

von Ilka Lehnen-Beyel (Text) und Friederike Groß (Illustrationen)

Projektbeschreibung

Name des Projekts: Zentrales Dogma der Molekularbiologie

Ziel: Übertragung der genetischen Information von der DNA über RNA in ein Protein

Mitarbeiter (Auswahl): RNA-Polymerase, Transkriptionsfaktoren, Spleißosom, Ribosom mit rRNAs, tRNAs, Aminosäuren

Arbeitsleistung: Transkription: 20 Nukleotide pro Sekunde, maximal ein Fehler pro 10 000 Nukleotide. Translation: 2 Aminosäuren pro Sekunde, maximal ein Fehler pro 40 000 Kopplungen.

Translation – so geht’s

Ein Beispiel: In der mRNA steckt die Basenabfolge GCA AAA UGG GUA. Das Gegenstück für die erste Dreiergruppe ist CGU, und das Steinchen, das dieses Anticodon enthält, bringt die Aminosäure Alanin mit. Das zweite Codon, AAA, benötigt das Steinchen mit dem Anticodon UUU und der Aminosäure Lysin. Es folgen ACC mit Tryptophan und CAU mit Valin.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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