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Cherchez la Femme

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Cherchez la Femme
Verdrängt: die weiblichen Pioniere des Programmierens

Die ersten elektronischen Rechner mit Tausenden von Vakuumröhren waren Hardware-Monster: Per Hand mußten sie für jede Aufgabe neu programmiert werden. Da waren Fingerfertigkeit und Konzentrationsfähigkeit gefragt – „etwas für Frauen“. Doch nur zögernd würdigt heute die Softwarebranche die Pionierleistungen von damals.

Betty Holberton und Jean Bartik wurden 1946 für das Programmieren des Eniac angeheuert. Sie hatten während des Krieges, zusammen mit Dutzenden anderer Frauen, manuell Geschoßbahnen für die Flak berechnet. Nun sollte der erste Elektronenrechner dieselbe Aufgabe in Sekundenschnelle „automatisch“ erledigen – vorausgesetzt, auf einer Schalttafel wurden Kabel flink und in der richtigen Reihenfolge hin- und hergestöpselt.

Zur feierlichen Einweihung hatten Holberton und Bartik den Eniac perfekt programmiert: Sie errechneten das Ziel, noch bevor das Testgeschoß einschlug. Die Militärs, allesamt Männer, gingen daraufhin feiern. Die beiden Frauen gingen nach Hause.

Das Programmieren, die Erstellung der Software, wurde damals als Nebensache angesehen – als minderwertige Fleißarbeit für weibliche Hilfskräfte. Hier fanden mathematisch begabte Frauen eine Nische – die sie kreativer ausgestalteten, als ihre Auftraggeber sich das vorgestellt hatten.

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Jean Bartik setzte sich mit einigen Kolleginnen zusammen, um ein internes Programm für den Eniac zu erarbeiten. Der Hintergrund: Die Frauen wollten sich das nervtötende Stöpseln des Kabellabyrinths ersparen. Das war die Geburtsstunde der ersten internen Computer-Software. Als deren Erfinder wird in heutigen Nachschlagewerken der Mathematiker John von Neumann genannt. Bartik hat zwar oft mit Neumann diskutiert – doch sie selbst schrieb den Programmier-Code.

Betty Holberton arbeitete einige Jahre für die Eniac-Entwickler. Ihr Motto war: Um nützlich und populär zu werden, mußten Computer einfach zu programmieren sein. Sie erinnert sich heute: „In der Hälfte meiner Zeit versuchte ich herauszufinden, was der Nutzer von einem Computer erwartete. Den Rest der Zeit war ich damit beschäftigt, einen Ingenieur zu überzeugen, daß das alles seine Idee war.“

Holberton und Bartik arbeiteten fast 40 Jahre lang an Programmen und waren maßgeblich an der Entwicklung der ersten Computer-Sprachen Cobol und Fortran beteiligt. Aber die beiden Mathematik-Genies blieben Ausnahmen. Mit zunehmender Bedeutung der Software wurde auch das Programmieren von Computern zu einem männlich dominierten Arbeitsgebiet.

Die Tradition setzt sich fort – die Rollen werden früh verteilt. Nur wenige Frauen wählen an amerikanischen Hochschulen das Studienfach Informatik. Als Kathryn Kleiman an der Harvard University Informatik studierte, fühlte sie sich als Sonderling – bis sie in einer Fußnote über die wegweisenden Programmiererinnen las. „Ich bin überzeugt, daß ohne diese brillanten und einfühlsamen Pioniere die heutigen Computer noch weniger benutzerfreundlich wären“, urteilt Kleiman, inzwischen Anwältin für Internet-Recht.

„Während meines Studiums mußte ich mich in dem männlich dominierten Fach ,Künstliche Intelligenz` ständig neu beweisen“, sagt die heute 27jährige Srinija Srinivasan von der Firma Yahoo in Santa Clara. Heute fühlt sie sich anerkannt. Sie erarbeitete ein Klassifizierungssystem für Internet-Information, das „Yahoo“ zu einem der populärsten Suchprogramme (Browser) machte. Allerdings preist die aktuelle Firmenbroschüre nur die Idee der Gründer David Filo und Jerry Yang, mit denen zusammen Srinivasan an der Stanford University studierte – und nicht ihre meisterhafte Ausführung der Idee.

Eniac:

Abkürzung für „Electronic Numerical Integrator and Computer“. Dieser erste elektronische Rechner mit 17480 Vakuumröhren füllte eine Halle an der University of Pennsylvania, wo der Computer gebaut wurde. Die Armee finanzierte Anfang der vierziger Jahre das Projekt, um Geschoßbahnen schneller berechnen zu können. Aus dem Eniac entstand nach dem Krieg der erste kommerzielle Computer, der Univac (Universal Automatic Computer) und schließlich die Computerfirma Unisys.

Rollen:

Hersteller von Computerspielen gehen davon aus, daß nur Jungen an Computern interessiert sind. Hau- und Schieß-Spiele bestimmen 85 Prozent des Angebotes. Die Firma Girlgames Inc. will mit elektronischen Barbie-Puppen eine Marktlücke schließen – doch Soziologen befürchten, daß dadurch nur stereotype Geschlechterrollen verstärkt werden. Daß es auch anders geht, zeigt die Software-Firma Broderbund: Sie verkaufte von ihrem Spiel „Myst“ bislang 3,5 Millionen Kopien, davon ein Drittel an Mädchen und Frauen.

Informatik:

Nach einer Studie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) sind nur 7,8 Prozent der Informatik-Lehrstühle von Frauen besetzt. Nur 13 Prozent der Doktortitel in Informatik und Computerwissenschaften gehen an Studentinnen, mit sinkender Tendenz. Studien-Autorin Ellen Spertus befürchtet: Die Hälfte der Bevölkerung hat kaum Anteil an dieser zukunftsweisenden Technologie.

Infos im Internet

Firma Yahoo: http://www.yahoo.com

Frauen und Informatik: http://www.cpsr.org/program/gender/gender.html

Bruni Kobbe

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