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Unbekannte Zwerge im Galaxien-Reich

Allgemein

Unbekannte Zwerge im Galaxien-Reich
Astronomen erforschen die Zeugen aus der Urzeit des Alls. Unter allen Sternsystemen sind die kleinen zahlenmäßig in der Überzahl, doch über das Innenleben dieser Zwerggalaxien ist nur wenig bekannt. Astronomen nehmen sie nun genauer unter die Lupe, weil sie in ihnen „lebende Fossilien“ aus der Frühzeit des Universums vermuten.

Die meisten Sternenwölkchen sind so unscheinbar und massearm, daß sie von den Astronomen einfach übersehen werden. Dennoch repräsentieren sie schätzungsweise zehn Prozent der Materie im Universum. Ob kugelrund und linsenfömig wie die beiden Begleiter der Andromeda-Galaxie oder von ungleichmäßiger Gestalt wie die Kleine Magellansche Wolke – der Formenreichtum der kleinen Sternsysteme kennt keine Grenzen. Bei einigen läßt sich die Andeutung einer Spirale oder einer Balkenspirale erkennen.

Manchmal scheint die Natur sogar Schabernack treiben zu wollen: In Gestalt eines regelmäßigen Karos präsentieren sich die Sterne des Sextans- Systems, eines Mitglieds der „lokalen Gruppe“ von Galaxien. Hier sind die kleinen Sternsysteme in der Überzahl, obwohl sie jeweils nur einige zehn bis hundert Millionen Sonnen in sich vereinigen. Unter den rund 30 Galaxien der „Lokalen Gruppe“ finden sich nur zwei Schwergewichtler: die Andromeda-Galaxie und die Milchstraße, beides Spiralsysteme mit jeweils einigen hundert Milliarden Sternen. Ähnlich sieht es im benachbarten Virgo-Galaxienhaufen aus, wo 82 Prozent der Systeme zu den Zwerggalaxien gehören.

Vor allem die elliptischen Zwerge gehören zum Gefolge der großen Galaxien. Andere, wie die beiden Magellanschen Wolken – Satelliten der Milchstraße – sehen regelrecht zerknautscht aus, ein Hinweis auf eine unsanfte Begegnung mit dem übermächtigen Nachbarn, dessen Anziehungskraft sie auf Dauer kaum widerstehen können. Einige der kleinen Galaxien erblickten erst bei einer Kollision zwischen massereichen Sternsystemen das Licht der Welt. Die aufeinandertreffenden und aus ihren ursprünglichen Muttergalaxien herausgerissenen Gasmassen wurden so stark verdichtet, daß in ihnen junge Sterne aufleuchteten.

Auf diese Weise entstehen heute in den viele tausend Lichtjahre langen Gasschweifen der Antennen-Galaxie junge Sterne. Sie werden in Klumpen geboren und können später einmal die massereiche Galaxie als Satelliten begleiten. Das ist der Grund, warum die aufregende Entwicklungsgeschichte der Zwerggalaxien im Blickpunkt eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft steht. Bei einem internationalen Treffen im Januar dieses Jahres in Bad Honnef zogen die Astronomen Bilanz.

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Eine zentrale Frage lautet: Warum sehen Zwerggalaxien so unterschiedlich aus? Bei den massereichen Sternsystemen gibt es diese große Spannbreite beim Formenreichtum nicht. Sie lassen sich grundsätzlich in zwei Typen einteilen: die elliptischen und die Spiralgalaxien. Große Sternsysteme ohne erkennbare Struktur sind selten und meist das Produkt einer Kollision mit einem anderen Partner.

Unter den kleinen Sternsystemen, die der Lokalen Gruppe zugerechnet werden, machen die „Irregulären“ jedoch knapp die Hälfte aus. Jay S. Gallagher, Astronom an der Universität von Wisconsin in Madison, nennt das Problem: „Wir wollen herausfinden, warum so viele Zwerggalaxien eine unregelmäßige Struktur besitzen. Sind die Regionen, in denen die Sterne geboren werden, zufällig verteilt oder gibt es da ein Organisationsprinzip?“

Bei großen Galaxien mit einem ausreichenden Vorrat an Wasserstoffgas sorgt ein selbstorganisierender Prozeß dafür, daß sich ein Spiralmuster in der rotierenden Scheibe bildet. Wie bei einem galaktischen Dominospiel stößt eine Sternentstehungs-Region die nächste an. Hier läuft die kosmische Recyclingmaschinerie auf Hochtouren: Jede Sterngeneration verbrennt die Asche ihrer Vorgänger.

Wegen ihrer geringen Masse scheinen Zwerggalaxien einen deutlich niedrigeren Stoffwechsel zu haben. Meist rotieren sie auch nicht. Bei ihnen leuchten neugeborene Sterne mal hier und mal dort in den wasserstoffreichen Regionen auf. Ihr kosmischer Recyclingmotor reagiert träge. Die Materie einer Zwerggalaxie sollte daher noch relativ unverbraucht sein – es sei denn, sie verdankt ihre Existenz einem Galaxien-Crash.

Tatsächlich hat die deutsche Astronomin Eva Grebel, die in den USA am Lick Observatorium arbeitet, Indizien für diese Hypothese gefunden. Ihre Untersuchungen an unserer Nachbargalaxie, der 170000 Lichtjahre entfernten Großen Magellanschen Wolke, zeigen, daß hier die Sternentstehungs-Regionen in den vergangenen 300 Millionen Jahren zufällig verteilt waren. Auch andere Hinweise sprechen dafür, daß sich viele der kleinen Sternsysteme gemeinsam mit den großen Galaxien schon kurz nach dem Urknall gebildet haben und nicht erst später entstanden sind.

Wenn zwei Sternsysteme zusammenstoßen und sich durchdringen, reißen sie sich gegenseitig Fetzen aus dem Leib. In den Gasschweifen dieser Antennen-Galaxie entstehen Zwerggalaxien, die später einmal ihre MutterSternsysteme als Satelliten umkreisen. Daß die Massen der heute beobachtbaren Zwerggalaxien typischerweise in der Größenordnung von hundert Millionen Sonnen liegen, ist kein Zufall. Wie Simulationen von Ralph-Peter Andersen am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg nahelegen, sind Galaxien mit deutlich kleineren Massen nicht stabil: „Solche Sternsysteme erleben nur ein kurzes Strohfeuer, während dessen sie zu beobachten sind. Nach 100 Millionen Jahren sind sie schon auseinandergefallen.“

Im Unterschied zu den massereichen Galaxien, die verschwenderisch mit ihrem Energievorrat umgehen, haben die Zwerggalaxien bis heute im Schlaf überlebt. Geweckt wurden sie lediglich durch wenige spontane und heftige Sternausbrüche, danach fielen sie wieder in ihren kosmischen Winterschlaf. Solche Phasen kollektiver Massengeburten von Sternen (englisch: „starbursts“) wurden inzwischen bei mehreren Zwergsystemen nachgewiesen. Sie brachten Sterne hervor, die mit einigen Milliarden Jahren schon zur älteren Generation gehören, und junge, die erst vor wenigen hundert Millionen Jahren entstanden sind.

Wie Evan Skillman, Astronom an der Universität von Minnesota, mit dem Hubble-Weltraumteleskop herausfand, können bei einigen Zwerggalaxien sowohl die Zeiten der Produktivität als auch die Ruhephasen mit jeweils einer Milliarde Jahre recht lange währen.

Jungfräulichen Zwerggalaxien ist Ulrich Hopp von der Universitätssternwarte München auf der Spur. Solche Sternsysteme sucht der Wissenschaftler nicht in den Galaxienhaufen, sondern fernab von störenden Einflüssen in nahegelegenen Leerräumen. Sie trennen die Ansammlungen benachbarter Galaxienhaufen, deren Mitglieder sich entlang dünner Wände und langer Filamente über viele Millionen Lichtjahre hinziehen: Auf einer Skala von 100 Millionen Lichtjahren sieht das Universum wie ein Schwamm aus.

Am Rande einiger materiefreier Löcher des kosmischen Schwamms hofft Hopp reine Zwerggalaxien zu finden, weil hier kaum die Möglichkeit von verfälschenden Wechselwirkungen mit anderen Sternsystemen besteht. Fündig geworden ist er bislang in zwei Dutzend Fällen. „Mehrere der Sternsysteme zeigen in ihren Spektren einen hohen Anteil an Wasserstoffgas, was wir als Indiz dafür werten, daß es sich hier um eine Zwerggalaxie handelt“, bestätigt Hopp die ersten Ergebnisse. „Im Optischen scheinen die meisten dieser Sternsysteme normale Eigenschaften zu besitzen. Wir haben noch keine Hinweise darauf, daß sie sich von anderen Galaxien unterscheiden.“

Hopps große Hoffnung ist es, einige der raren Galaxien aufzuspüren, in denen sich die ursprüngliche Häufigkeit der Elemente aus der Zeit des Urknalls bis heute erhalten hat.

Silvia von der Weiden

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