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Die 4. Dimension

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Die 4. Dimension
Riesenhologramme faszinieren mit bewegten Bildern Das silbrige Beethoven-Hologramm auf der Euroscheckkarte bekommt Konkurrenz: Farbig Hologramme erreichen die Größe einer Plakatwand und zeigen sogar kurze Filme. Demnächst folgen Drucker, mit denen sich dreidimensionale Bilder am PC ausgeben lassen.

Besucher der Auto-Show in Detroit sind es gewohnt, an den Ständen der Aussteller allerlei futuristische Fahrzeuge zu sehen, die eines Tages mal über die Straßen rollen – oder irgendwann unter der Rubrik „Spinnerei“ in den Archiven verschwinden. Doch was sie bei der diesjährigen Show am Stand von Ford sahen, verschlug vielen den Atem: Das P2000 Concept Car, ein umweltfreundlicher Zukunftsflitzer mit Brennstoffzellenantrieb, offenbarte unter der roten transparenten Haube seine Innereien, alles dreidimensional und zum Greifen nah – und doch so fern. Denn der P2000 war bloß Illusion, erzeugt vom größten Hologramm aller Zeiten. Selbst US-Präsident Bill Clinton war begeistert, obwohl er sich nicht hinters Steuer des virtuellen Vehikels setzen konnte. Das 3,6 Quadratmeter große Riesenhologramm stammt von der Firma Zebra-Imaging in Austin, Texas. Verglichen mit den kleinen silbernen Beethoven-Büsten und flatternden Tauben auf Euroscheck- und Kreditkarten oder den etwas größeren bräunlichen Hologrammen, die es in Kuriositätenläden als Wandschmuck zu kaufen gibt, sind die Hologramme aus Austin eine Revolution:

Die verblüffend realistischen dreidimensionalen Bilder können beliebig groß sein. Motive bis 60 mal 60 Zentimeter werden in einem Arbeitsgang gefertigt, größere Plakate aus „Kacheln“ zusammengesetzt. Die Hologramme funktionieren nach dem Reflexionsprinzip: Das Licht kommt von vorne und wird vom Bild reflektiert, so wie wir es von Fotos gewöhnt sind. Dadurch lassen sich alle Farben originalgetreu abbilden, auch wenn man von der Seite schaut. Die maschinell geprägten Hologramme auf Euroscheckkarten sind dagegen Durchlicht- oder Transmissionshologramme: Zwar kommt das Licht von vorn, es wird aber von der Silberschicht reflektiert und beleuchtet Beethovens Büste von hinten. Ändert man den Betrachtungswinkel, ändern sich auch die Farben. Diese glitzernden Regenbogenfarben wirken auf der EC-Karte faszinierend, für eine möglichst realistische Wiedergabe sind sie aber unbrauchbar. Der Betrachtungswinkel der Zebra-Hologramme beträgt sowohl horizontal als auch vertikal über 100 Grad. Der Betrachter kann sich also jeweils um gut 50 Grad aus der Bildmitte nach rechts und links oder oben und unten bewegen und sieht ohne Qualitätseinbuße die richtige Perspektive in brillanten Farben.

Was das Verfahren von Zebra-Imaging so interessant für die Industrie macht: Als Vorlage für das Bild wird kein reales Objekt mehr benötigt, das von einem Laser abgetastet werden muß. Als „Original“ dient vielmehr ein dreidimensionales Computermodell, das über einen LCD-Projektor in den Objektstrahl eingeblendet wird (siehe Grafik oben). Modelle von neuen Autos, die heute sowieso virtuell im Computer entstehen, werden mit dem Zebra-Verfahren quasi in 3D „ausgedruckt“. Die Konstrukteure müssen nicht mehr warten, bis ein Modell aus Holz oder Ton fertig ist. Nicht nur die Autoindustrie würde profitieren: Werbeleute interessieren sich für riesige Plakatwände, aus denen das beworbene Produkt den Betrachter geradezu anspringt – wie die Bierflasche, die Zebra-Imaging als Gag zeigt. Architekten und Designer könnten ihre Entwürfe endlich so präsentieren, daß ihre Kunden eine realistische Vorstellung vom Endprodukt bekommen. Noch sind die Hologramme aus Austin zu teuer für den Massenmarkt: Der Ford P2000 kostete 100000 Dollar und benötigte zwei Jahre Vorbereitung. Selbst schnelle Workstation-Computer benötigten 300 Stunden, um die 900000 zwei mal zwei Millimeter kleinen Bildchen zu berechnen, aus denen sich das Hologramm zusammensetzt – insgesamt fielen drei Terabyte (drei Billionen Byte) Daten an. Jedes der 900000 „Hogel“ (HOloGraphisches ELement) zeigt das vollständige Auto aus einer leicht unterschiedlichen Perspektive. Das Gehirn des Betrachters läßt sich täuschen und setzt die zweidimensionalen Flecken zu einem großen dreidimensionalen Bild zusammen. Wegen des enormen Aufwands übernimmt Zebra-Imaging bislang die komplette Herstellung für seine Kunden, doch das soll sich ändern: „Wir wollen die Holographie automatisieren“, sagt Alex Ferdman, der die Firma 1996 zusammen mit seinen ehemaligen Kollegen Michael Klug und Mark Holzbach vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston gegründet hat. In ein bis zwei Jahren sollen zahlungskräftige Firmen ein Komplettsystem mit „Holo-Drucker“ erwerben können. Inzwischen bastelt die Firma an weiteren Verbesserungen. So gibt es bereits Hologramme mit kurzen bewegten Szenen, ähnlich wie bei einem Film. Man kann zum Beispiel am Concept Car von Ford vorbeischlendern, während die Fensterscheibe herunterfährt oder der Kofferraumdeckel sanft aufklappt. Die heute käuflichen Hologramme bieten das nur in Ansätzen: Wenn Marilyn einem zuzwinkert oder ein Mann zum Werwolf mutiert, sind bestenfalls zwei oder drei unterschiedliche Bilder zu sehen.

Das MIT, wo Klug, Holzbach und Ferdman einst forschten, scheint eine Keimzelle für neue Ideen in der Holographie zu sein. Auch Akira Shirakura vom japanischen Elektronikriesen Sony arbeitete dort als Gastforscher. Für seinen Brötchengeber entwickelte Shirakura eine eigene Version des Holo-Printers, die auf den Massenmarkt abzielt. „Wir wollen die Holographie in der Öffentlichkeit populär machen“, verspricht Shirakura. Bereits im vergangenen Jahr präsentierte Sony das Ergebnis: acht mal sechs Zentimeter große Hologramme, die allerdings einfarbig (grün) sind und die das Objekt zwar dreidimensional zeigen, wenn man seitlich darauf blickt, nicht aber, wenn man von oben oder unten schaut. Dafür hat Sony eine Apparatur entwickelt, die Hologramme nahezu auf Knopfdruck liefert. Eine bewegliche Digitalkamera sitzt auf einer 2,7 Meter langen gebogenen Schiene. Die Kamera fährt darauf in gut sieben Sekunden um die Vorderseite des Objekts – zum Beispiel eine Person – herum und macht 225 Aufnahmen. Diese werden im Computer zu 295 Einzelbildern verrechnet, die an den eigentlichen Drucker geschickt werden. Darin wirft ein Laser grünes Licht durch einen LCD-Projektor auf einen Film – ähnlich wie beim Verfahren von Zebra-Imaging (siehe Kasten unten). Jedes Einzelbild wird als dünner senkrechter Streifen auf den Film projiziert, jeweils eine Viertelsekunde lang. Danach wird der Film durch Erhitzen fixiert, und nach drei Minuten ist das räumliche Paßbild fertig. Das Fotomaterial kostet weniger als ein Dollar. Über einen Holo-Printer mit drei Lasern für farbige Hologramme wird bei Sony bereits nachgedacht. Wann und welchem Kundenkreis das Gerät angeboten wird, dazu hält sich der Konzern noch bedeckt. Für Ford ist das P2000-Hologramm nur der erste Schritt. In einem Projekt namens „Ersatz-Realität“ will der amerikanische Autohersteller zusammen mit Partnerfirmen 360-Grad-Hologramme herstellen, die von allen Seiten betrachtet werden können und voll interaktiv sind, sich also durch einen Mausklick am Computer blitzschnell ändern lassen. „Das liegt aber noch in weiter Ferne“, dämpft Lon Zaback, Designchef von Ford, zu hohe Erwartungen. Am Ende dieser Entwicklung könnte das holographische Kino stehen, wo sich das Filmgeschehen dreidimensional vor den Zuschauern abspielt – ohne 3D-Brille. Physiker am dänischen Nationallabor in Risø arbeiten bereits daran:Sie haben einen Polymer-Film entwickelt, der sich mit einem Laserblitz in fünf milliardstel Sekunden belichten und ohne Entwicklung sofort betrachten läßt. Würde man solche Holo-Dias in rascher Folge belichten, hätte man einen Film. Momentan sind die Hologramme aber nicht größer als ein Daumennagel und müssen noch mit der Lupe betrachtet werden. Personen von Lichtjahre entfernten Planeten im Raum schweben zu lassen, dürfte dennoch weiterhin dem Holodeck im Raumschiff Enterprise oder Prinzessin Leia aus der Star-Wars-Saga vorbehalten bleiben, glaubt Michael Klug von Zebra-Imaging: „Das geht nicht, und wenn, dann wären dazu zwei oder drei Nobelpreise nötig.“

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Hologramme gegen Halunken

Hologramme wie die Beethoven-Büste auf der Euroscheckkarte oder Schneewittchen auf dem Disney-Video sollen Fälschern das Leben schwermachen. Doch das wird immer schwieriger: Markenpiraten besorgen sich gefälschte Hologramme in millionenfacher Ausfertigung von der Rolle bei Firmen in Fernost. Doch die Markeninhaber rüsten auf: Die US-Firma 3M bietet fälschungssichere Hologramme an, die nicht nur ein räumliches Bild – zum Beispiel das Firmenlogo – zeigen, sondern die zusätzlich ein verstecktes Bild enthalten, das erst mit einem Filter oder einer Speziallampe sichtbar wird. Der Trick, alte Sicherungshologramme erneut zu verwenden, klappt auch nicht: Es gibt unscheinbare Etiketten aus einem optischen Film, die sich selbst zerstören, wenn sie abgezogen werden. Dann erscheint wie von Zauberhand ein buntes Bild mit dem Logo des Herstellers.

Wesentlich weiter geht Steffen Noehte vom European Media Lab (EML) in Heidelberg: Sein Team arbeitet mit Punkthologrammen, die in größeren Hologrammen versteckt werden. Auf einen ein mal ein Millimeter kleinen Fleck werden mit einem Laser Daten geschrieben, die digital und optisch codiert sind. Das Besondere: Während Beethoven auf allen EC-Karten gleich aussieht, ist beim EML-Verfahren jedes Hologramm einzigartig. Das Team ist mittlerweile in der Lage, individuelle Hologramme im Sekundentakt sogar in Tesafilm oder Verpackungsfolien zu schreiben, die nur mit einem speziellen Lesegerät zu entschlüsseln sind. Das Gerät könnte eines Tages an jeder Kasse im Supermarkt stehen und die Echtheit jedes Produkts prüfen. Den EML-Forschern ist es sogar gelungen, Punkthologramme in Autolack zu schreiben. Mit dem Bundeskriminalamt ist man jetzt im Gespräch, um eine Methode zur Kennzeichnung von Autos zu entwickeln.

So entsteht ein Hologramm

Die Holographie wurde 1948 vom ungarisch-britischen Physiker Dennis Gabor erdacht, 1971 bekam er dafür den Physik-Nobelpreis. Erst mit dem Siegeszug des Lasers in den sechziger Jahren ließen sich wirklich plastische Hologramme herstellen. Ein Laserstrahl wird in zwei Strahlen aufgespalten: den Referenzstrahl und den Objektstrahl. Der Referenzstrahl gelangt direkt auf einen lichtempfindlichen Film, der Objektstrahl wird zuerst auf den abzubildenden Gegenstand gelenkt, der das Licht auf den Film reflektiert. In der Ebene des Films überlagern sich die Lichtwellen beider Strahlen zu einem komplexen Interferenzmuster – wie die Wasserwellen, wenn man mehrere Steine in den See wirft. Wird der entwickelte Film wieder mit dem Referenzstrahl beleuchtet, wird das Licht an den Mustern gebeugt und es erscheint wieder das Bild des Gegenstandes, der scheinbar vor der Bildebene zu schweben scheint. Weil die Informationen über das Objekt im Interferenzmuster über den ganzen Film verteilt sind, sieht man das Bild auch dann vollständig, wenn das Hologramm zerbricht, allerdings in schlechterer Qualität.

Beim Verfahren von Zebra-Imaging steht statt eines realen Gegenstands ein LCD-Projektor mit 1280 mal 1024 Pixeln im Objektstrahl. Der Strahl wird von drei Lasern – rot, grün und blau – erzeugt, die auf dem Farbfilm ein buntes Hologramm entstehen lassen. Der Monitor wirft in rascher Folge Bilder aus leicht unterschiedlicher Perspektive auf den Film, der schrittweise hinter dem Monitor vorbeiläuft. Die Computerindustrie interessiert sich für die Holographie vor allem als Datenspeicher (bild der wissenschaft 2/1998: „Die ganze Sinfonie auf einem Pfennig“): In einem Stück Kunststoff von der Größe eines Zuckerwürfels lassen sich theoretisch eine Billion Bits speichern.

Infos im Internet

Zebra-Imaging: www.zebraimaging.com

Hologramme zum Selbermachen: www.holoworld.com/holo/shoebox.html www.holografie.com/index2.html

European Media Lab: www.villa-bosch.de/eml/english/research/optimem/

Herstellung von Sicherheitshologrammen: members.aol.com/tophol/hhome_d.htm

Bernd Müller

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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