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Glück auf Rezept

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Glück auf Rezept
Wie konnte man je ohne Viagra, Propecia, Xenical und Konsorten ein lebenswertes Leben führen?

Was einem 75jährigen Beinahe-Präsidenten der USA recht ist, war seit Ende 1998 auch 500000 deutschen Männern lieb und teuer. Senator Bob Dole rief ein begeistertes „Wow“ in die Kameras, nachdem er die Potenzpille Viagra ausprobiert hatte. Das brachte ihm einen Werbevertrag des Pharmaproduzenten Pfizer ein. Der deutsche Mann mußte für das Vergnügen zahlen – sofern sein Arzt ihm wegen „erektiler Dysfunktion“ ein Rezept gab. Das war aber anscheinend nicht schwer zu bekommen: Seit der Zulassung der blauen Wundertablette am 1. Oktober ließ der auf neue Kraft hoffende Deutsche rund 115 Millionen Mark für fünf Millionen dieser Schwellkörper beim Apotheker. Seit Viagra darf der Mann sich zu seinen Schwächen bekennen, die Wahl der Aufbauhelfer wird jedes Quartal größer: Muse ist eine Prostaglandintablette, die nach dem Vorderladerprinzip in die Harnröhre geschoben wird, Vasomax und Uprima sind zwei neue Potenzpillen, für die in den USA das Zulassungsverfahren läuft und die Ende 2000 auch in Europa zu kaufen sein dürften. Uprima wirkt nicht im Penis, sondern im Gehirn: Mit seiner Hilfe denkt der Geist das schlaffe Fleisch stark.

Viagra & Co stehen beispielhaft für die Lebenslust aus dem Labor, mit der die pharmazeutische Forschung die Menschen des neuen Jahrtausends zu beglücken verspricht. Bestes Beispiel ist „brain gum“, ein neuer Kaugummi, der beim Denken helfen soll. Er ist getränkt mit Phosphatidylserin, einem Doping-Stoff für Gehirnzellen, der die Fähigkeit steigert, Informationen aufzunehmen und zu erinnern. Und wer sich künftig herausreden will, seine Glatze sei eben das Ergebnis von hoher Intelligenz und angestrengtem Nachdenken, dem werden seine Kollegen eine Packung Propecia unter die Nase halten, den neuen Hoffnungsträger gegen Haarausfall. In Deutschland ist Propecia, entwikkelt vom Pharmaunternehmen Merck, seit Januar 1999 auf dem Markt. Bei acht von zehn Männern hat es in unabhängigen Studien den Haarausfall gestoppt, bei vier von zehn wuchs gar neuer Flaum auf der Schädelbrache. Es hilft aber nur – das ist die Einschränkung -, wo noch aktivierbare Haarwurzeln sind. Für einen dauerhaften Erfolg muß man die Pillen lebenslang schlucken, für vier Mark pro Tag. Zwei von hundert Kunden gaben als Nebenwirkungen zwar Potenzschwäche an, aber dafür gibt es ja … siehe oben. So verhelfen sich die Pharmafirmen gegenseitig zu höheren Gewinnen.

Auch Hoffmann-LaRoche wollte da nicht abseits stehen und propagierte 1998 erfolgreich einen Verdauungsbeschleuniger als Schlankheitsmittel. Xenical heißt das rezeptpflichtige Schmiermittel für den Darm. Der Wirkstoff Orlistat blockiert die Fettverdauung. Ein Drittel der in der Nahrung enthaltenen Fette wird vom Körper nicht mehr aufgenommen und flutscht durch. Die Ärzte sollen Xenical aber erst bei massivem Übergewicht verschreiben. Das vorerst letzte Wundermittel stammt von GlaxoWellcome, ist fliederfarben und soll die Nikotinjunkies vor Atemnot und Lungenkrebs bewahren. Für Zyban, seit 1997 in den USA auf dem Markt, wurde im Herbst 1999 die Zulassung in Europa beantragt. Im Frühjahr 2000, so hofft das Unternehmen, kann es auch in Deutschland verschrieben werden. Mindestens zwölf Wochen dauert die Kur, die wöchentlich 50 Mark kostet, soviel wie zehn Päckchen Zigaretten. Dafür beschert sie dem Kunden aber gleich zwei – ausnahmsweise erfreuliche – Nebenwirkungen: Zyban hellt die Stimmung auf, was der schlechten Laune im Entzug entgegenwirkt. Und es bremst nicht nur die Gewichtszunahme, die nach der letzten Zigarette oft einsetzt, es hilft vielen Übergewichtigen sogar dabei, Kilos abzubauen. Das wiederum wird Xenical-Hersteller LaRoche gar nicht gern hören.

Jürgen Nakott

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