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Korallenriffe: Kapitalismus im Tierreich

Allgemein

Korallenriffe: Kapitalismus im Tierreich
Bei Fischen in Korallenriffen gelten die Regeln des freien Marktes.

Der Kapitalismus ist keine Erfindung des Menschen. Auch unter Putzerfischen und ihren Kunden – Fischen, die sich Parasiten und totes Hautmaterial entfernen lassen – regeln Angebot und Nachfrage den Preis. Das wies jetzt der Biologe Redouan Bshary vom Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen bei Starnberg nach, der diese spezielle Beziehung im Nationalpark Ras Mohamed in Ägypten untersuchte. In der Nähe großer Korallenriffe gibt es zahlreiche, durch Sand voneinander isolierte Korallenblöcke. Hier leben junge Meerschwalben – eine Putzerfischart -, bevor sie alt genug sind, ins große Korallenriff überzusiedeln. Während dieser Wochen etabliert jeder Putzerfisch eine eigene Station, wo ihn Kunden – wie Falter- oder Doktorfische – 10- bis 30mal am Tag aufsuchen. Geputzte Fische haben nicht nur weniger Parasiten an Haut, Maul und Kiemen, sondern auch weniger Streß. Das belegen Laboruntersuchungen von Rui Oliveira, einem Kollegen von Bshary an der Universität in Lissabon.

Bshary hatte mehrere Kundenfische gefangen und eine Stunde lang in kleine Aquarien gesetzt. Wie er feststellte, gaben sie das Streßhormon Cortisol ins Wasser ab, dessen Menge Oliveira mit einem speziellen Filter ermittelte. Das Ergebnis: Kundenfische, die regelmäßig einen Putzerfisch besuchten, schütteten weniger Cortisol aus. Manche Fische im Korallenriff tummeln sich nur in einem kleinen Gebiet und haben deshalb nur zu einem einzigen Putzer Zugang, sind also auf ihn angewiesen – Bshary nennt sie stationäre Kunden. Andere Kunden leben hingegen in einer Region, in der mehrere Putzer Station bezogen haben. Sie können frei zwischen ihren Dienstleistern wählen. Das hat Auswirkungen auf die Entscheidung der Putzer, welchen Kunden sie bevorzugt bedienen. Da ihnen der stationäre Kunde sicher ist, sich der nicht-stationäre aber jederzeit von einem Konkurrenten putzen lassen kann, fallen Markteffekte stärker ins Gewicht als die Größe des Kunden.

So säubern Putzer innerhalb einer Kundenklasse zwar stets den größeren Fisch, da er mehr Körperfläche und somit wahrscheinlich mehr Parasiten und Hautstückchen zu bieten hat. Nicht stationär zu sein, erhöht jedoch den Marktwert eines Kunden: Auch wenn er klein ist, fordern ihn Putzer von sich aus zur Körperpflege auf. Andere Kunden müssen sich dagegen regelrecht bemühen, gesäubert zu werden. Wenn ein mobiler Fisch zeitgleich mit einem stationären eintrifft, behandeln Putzer den mobilen stets zuerst und reinigen ihn ausdauernder. Auch massieren sie ihm mit dem Maul häufiger die Brust- und Bauchflossen als einem stationären Kunden. Putzerfische sind sehr fleißig: Ein einziger frißt am Tag zwischen 800 und 1000 Parasiten – meist Würmer oder kleine Krebse. Gelegentlich beißt er dabei seine Kunden und schnappt sich Schleim oder ein Stück intakte Haut. Wieder bestimmen Markteffekte, wie der Kunde darauf reagiert. Kann er zwischen mehreren Putzerstationen wählen, schwimmt der Kunde in der Regel einfach weg und läßt sich eben woanders putzen. Ist er dagegen auf einen Putzer angewiesen, muß er vorsorgen, daß ihn der Putzer das nächste Mal nicht wieder belästigt. Deshalb jagt der Kunde den Dreisten kreuz und quer. Auf der Flucht verbraucht der Putzerfisch mehr Energie als er durch den Extrahappen gewonnen hat – Frechheit siegt nicht immer.

Margit Enders

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