Neuer Weg der Diabetes-Behandlung
Prof. Peter Gruss und Prof. Herbert Jäckle vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen erforschen, wie sich aus einer einzigen Zelle ein Lebewesen mit Strukturen wie Augen, Armen und Gehirn bildet. Ihre Erkenntnisse eröffnen einen ganz neuen Weg, Krankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit und chronische Leberentzündung zu behandeln. Beispiel Diabetes: Rund 4,6 Millionen Deutsche sind zuckerkrank. Die Inselzellen in ihrer Bauchspeicheldrüse produzieren nicht genug Insulin. Um ihren Blutzuckerspiegel im Griff zu haben, müssen sich deshalb viele Diabetiker täglich Insulin spritzen. Das schützt sie allerdings nicht vor allen Spätfolgen wie Kreislaufproblemen, Nierenversagen und Erblindung. Forscher der Firma DeveloGen, die Gruss und Jäckle 1997 gegründet haben, wollen nun den Körper von Diabetikern stimulieren, die insulinproduzierenden Inselzellen nachwachsen zu lassen. „DeveloGen ist auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen“, sagt Gruss.
Bei der Regeneration von Organen wiederholen sich die molekularen Prozesse, die ablaufen, wenn ein Embryo heranreift. Während dieser Zeit entstehen Hunderte spezialisierter Zelltypen, die sich später zu Organen zusammenschließen. Gruss und seine Mitarbeiter am Göttinger Max-Planck-Institut haben herausgefunden, daß bei der Entwicklung von Mäuse-Embryonen vor allem zwei Gene für die Entstehung der Langerhansschen Zellinseln in der Bauchspeicheldrüse verantwortlich sind: eines – Pax 6 genannt – für die sogenannten alpha-Zellen und ein anderes – Pax 4 – für die insulinproduzierenden beta-Zellen. Als die Forscher Pax 4 in mutante Mäuse einschleusten, bildeten sich bei denen daraufhin insulinproduzierende Inselzellen. Pax 4 und Pax 6 sind zwei Beispiele für Gene, die andere Gene an- und abschalten können. Verschiedene Wissenschaftler haben in den letzten Jahren nachgewiesen, daß sich solche Schalter- oder Entwicklungskontroll-Gene im Laufe der Evolution meist nicht verändert haben. Da sich diese beiden Gene bei Maus und Mensch stark ähneln, sind Gruss und Jäckle optimistisch, daß sie ihre an Mäusen und Fruchtfliegen gesammelten Erkenntnisse auf den Menschen übertragen können.
Das Konzept der beiden Wissenschaftler unterscheidet sich wesentlich von dem anderer Gentherapien, bei denen ein Defekt in der DNA korrigiert werden soll. Gruss: „Wir wollen mit dem Einschalten eines Gens den Startschuß für einen Mechanismus geben, der sich selbst reguliert, und an dessen Ende sich möglicherweise ein ganzes Organ neu gebildet hat.“
Frank Frick / Peter Gruss