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bdw-Analyse NANO: Produkte

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bdw-Analyse NANO: Produkte
Schutz vor Sonnenbrand und Küchenmief

Bei „Nanotechnologie“ denken die meisten Menschen an exotische Dinge, die allenfalls in ferner Zukunft realisierbar sind. Zum Beispiel an Fenster, die Sonnenlicht in Strom verwandeln und zudem als riesige Bildschirme fungieren. Dabei versteckt sich Nanotechnologie schon heute unbemerkt in vielerlei Gegenständen des täglichen Gebrauchs: etwa in Gläsern mit besonders harter Oberfläche, in sich selbst reinigenden Dachziegeln und Duschkabinen – und im Scheckkarten großen europäischen Führerschein. Denn längst hat die Bundesdruckerei erkannt, wie nützlich Nanomaterialien sind, um Fälschern das Handwerk zu legen.

„Die Dokumente werden kontinuierlich von der Rolle produziert und dabei gleich mit einer glasklaren, kratzfesten, nur wenige Nanometer dünnen Keramikschicht versiegelt“, erklärt Franz Frisch, Pressesprecher des Saarbrücker Leibniz-Instituts für neue Materialien. Die Milliarden Nanopartikel aus Keramik in der Beschichtung sind so klein, dass sie das Licht nicht streuen. Denn Streuung gibt es nur an Teilchen, die mindestens so groß sind wie die Wellenlänge des Lichts von einigen Hundert Nanometern. Daher erscheint die Oberfläche des Führerscheins durchsichtig. Der Clou: Die transparente Keramikschicht schließt das Dokument fälschungssicher ein, aber die Experten der Bundesdruckerei können es trotzdem mit einem Laser durch die Versiegelung hindurch beschriften. Den Führerschein zu verändern oder selbst herzustellen, wäre für Fälscher allenfalls mit einem immensen technischen Aufwand möglich. Computernutzer wären ohne Schutzschichten im Nanoformat aufgeschmissen – und müssten die Festplatte ihres PCs alle Nase lang ersetzen. Denn um Daten zu speichern und zu lesen, rast die Festplatte mit 7000 bis 10 000 Umdrehungen pro Minute unter einem Schreib-Lese-Kopf hindurch – und muss so nah an ihn heran, dass er fast auf ihr aufsetzt. Damit die Festplatte dabei weder den Lesekopf noch sich selbst beschädigen kann, sind beide mit einer fünf Nanometer dünnen Schicht aus diamantartigem Kohlenstoff umhüllt. „Der Abstand zwischen Platte und Kopf beträgt nur rund zehn Nanometer“, sagt Ralf Jäckel, Leiter der Geschäftsstelle des Dresdener Nanotechnologie-Kompetenzzentrums der Fraunhofer-Gesellschaft. Dickere Schutzfilme können da nicht aufgetragen werden.

Nanotechnologie unterstützt selbst die Feuerwehr – zum Beispiel am Flughafen von Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort sollen Wände und Türen aus speziellem Glas die Fluggäste künftig davor schützen, dass ein Feuer im Gebäude von einem Raum auf den anderen überspringt. Die Brandschutzfenster, die nur neun Millimeter dick sind, bestehen aus zwei Glasscheiben, zwischen denen sich – für das menschliche Auge unsichtbar – ein Komposit aus vielen Milliarden von keramischen Nanopartikeln verbirgt. Lodern Flammen vor dem Glas, zerbricht die vordere Scheibe, während die hintere intakt bleibt. Durch die Hitze wächst aus dem Nanokomposit ein feinporiger keramischer Schaumpanzer dem Feuer entgegen. In ihm befinden sich Tausende kleiner Luft gefüllter Kammern, die Menschen im Nebenraum mindestens eine halbe Stunde lang vor der Hitze schützen.

Auch unsere Haut hat schon Bekanntschaft mit den Winzlingen gemacht. Nanoteilchen aus Titandioxid tummeln sich in Sonnencremes und legen sich mit ihr auf die Haut, um schädliche Sonnenstrahlung abzublocken. Wie atomar kleine Spiegelchen reflektieren oder absorbieren die Nanoteilchen kurzwellige ultraviolette Strahlung, die Sonnenbrand und Hautkrebs verursachen kann.

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Bei Katalysatoren, die chemische Reaktionen beschleunigen sollen und bei denen es daher auf eine große Oberfläche ankommt, greifen Forscher und Chemieunternehmen gerne zu Nanopartikeln. Denn je kleiner die Teilchen sind, desto mehr davon drängen sich in einem Gramm eines Materials zusammen – und desto größer ist ihre gesamte Oberfläche. So würde die Oberfläche von nur 30 Gramm eines Materials, das aus fünf Nanometer großen Partikeln besteht, fast ein ganzes Fußballfeld überdecken. Die riesige Fläche auf so wenig Material eignet sich nicht nur zur Beschleunigung von Reaktionen, sondern auch dazu, Gase zu filtern. So stecken in Nobel-Küchenherden von Bosch-Siemens-Hausgeräte Nanokatalysatoren, die unangenehmen Küchendunst beseitigen.

Selbst im All findet sich Nanotechnologie: in Röntgenteleskopen, die um die Erde kreisen. Damit die Astronomen mit ihnen einen Blick auf bislang unbekannte kosmische Röntgenquellen erhaschen können, muss ihre Oberfläche aus mehreren extrem glatten Schichten bestehen, die maximal 20 Nanometer dick sind – das ist nur ein 5000stel des Durchmessers eines menschliches Haars. Nur solche extrem glatten Spiegel reflektieren kurzwelliges Röntgenlicht in ausreichendem Maß.

Manchmal ist aber auch Skepsis angebracht, wenn groß mit dem Kürzel „Nano“ geworben wird – etwa bei so genannten Nano-Textilien: „Viele Hersteller missbrauchen die Nanotechnologie für Werbezwecke“, weiß Eckhard Schollmeyer, geschäftsführender Direktor am Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld. „Sie schreiben Nano auf Produkte, in denen in Wahrheit gar keine Nanotechnologie steckt – und machen damit den Ruf einer Zukunftstechnologie kaputt.“

Janine Drexler und Ralf Butscher

Ohne Titel

Nanotechnologie wird in der Industrie schon lange genutzt – vielfach ohne dass sie ausdrücklich unter dem Schlagwort „Nano“ geführt wurde. Ihre Vorzüge hat sie eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch einige Nano-Produkte für den Alltagsgebrauch sind bereits zu haben. In den nächsten Jahren werden sicher etliche weitere Produkte auf den Markt kommen. Doch Vorsicht ist angebracht: Nicht überall, wo „Nano“ draufsteht, ist auch wirklich Nano drin.

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