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bdw-Analyse NANO: Medizin

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bdw-Analyse NANO: Medizin
Arznei-Transporter und Tumor-Killer

Langsam schlängelt sich das winzige Fettkügelchen durch die Blutbahn, vorbei an roten Blutkörperchen, die neben ihm anmuten wie ein Ozeandampfer neben einem Schlauchboot. Es schlüpft durch die Blut-Hirn-Schranke – die für andere Teilchen unüberwindbar ist – und dockt zielsicher an einem Hirntumor an. Wie ein Frachter, der seine Ladung an einen Zielort bringt, entlässt das Kügelchen hier die geladenen Wirkstoffe, die das Krebsgeschwür zerstören sollen.

Bisher existieren die Nanometer kleinen Medizinfrachter nur im Labor, doch Rainer Müller, Professor am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin ist zuversichtlich, dass sie in einigen Jahren Patienten mit Hirntumoren, die sich operativ nicht entfernen lassen, helfen können. Die Fettkügelchen sollen sich gezielt im Tumor anreichern und den in ihrem Inneren verteilten Wirkstoff über längere Zeit hinweg freisetzen. Ans Ziel finden sie dank einer speziellen Beschichtung, die sie zudem stabilisiert und einen Passierschein für die Blut-Hirn-Schranke darstellt. „Wir hoffen, mit solchen festen Lipid-Nanoteilchen die Nebenwirkungen vieler Medikamente mindern zu können”, sagt Müller.

Auch der Wirkstoff selbst kann als Nanoteilchen verabreicht werden. „Viele Kandidaten für Wirkstoffe sind extrem schwer löslich und können daher nicht zu Medikamenten verarbeitet werden” , meint Volker Wagner vom Düsseldorfer VDI-Technologiezentrum. „ Zermahlt man sie jedoch bis auf eine Größe von einigen Hundert Nanometern, erhöht sich ihre Löslichkeit.” Der Grund steckt in der riesigen Oberfläche: Die bietet den Molekülen des Bluts eine größere Angriffsfläche. Erste Medikamente, die sich diesen Effekt zunutze machen, sind in Tablettenform bereits auf dem Markt.

Nanoteilchen unterstützen die Ärzte auch dabei, entzündliche Plaques in den Blutgefäßen aufzuspüren. Diese Ablagerungen, die unter anderem aus Lipiden und Entzündungszellen bestehen, können einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. „Bisher untersucht man die Gefäßverengung, indem man einen Katheter über die Beinarterie in die Herzkranzgefäße einführt”, sagt Herbert Pilgrim, Gründer der Firma Ferropharm in Teltow, die Kontrastmittel für die Magnetresonanz-Tomographie herstellt. Das könnte sich bald ändern: Gemeinsam mit Kollegen von der Charité Universitätsmedizin in Berlin hat Pilgrim erstmalig ein Kontrastmittel entwickelt, das die Plaques in der Magnetresonanz-Tomographie sichtbar macht.

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Das Mittel besteht aus winzigen Eisenpartikeln, die nur etwa ein Tausendstel so groß sind wie rote Blutkörperchen. Eine Hülle aus Zitronensäure stabilisiert die Eisenteilchen und verhindert, dass sie verklumpen. Spritzen die Ärzte dem Patienten dieses Mittel, strömen die Nanoteilchen mit dem Blut auch an den entzündlichen Ablagerungen vorbei und reichern sich dort an. Wird dann ein Magnetfeld angeschaltet, verraten sie den Medizinern, wo sich gefährliche Plaques verstecken: Die frei beweglichen Teilchen lassen die Blutbahn hell leuchten, während die Partikel, die an den Plaques feststecken, das Bild schwärzen. In etwa zwei Jahren könnte das Kontrastmittel auf den Markt kommen.

Andreas Jordan, Wissenschaftler am Berliner Charité-Universitätsklinikum und Gründer der Firma Magforce Nanotechnologies, nutzt Nanopartikel für eine andere Mission: Sie sollen Tumorzellen den Garaus machen. Jordan leitet dazu kleinste magnetisierbare Eisenoxid-Teilchen direkt in den Tumor. Die Technik ist die gleiche, mit der Ärzte routinemäßig Gewebeproben entnehmen, um die Tumorart zu bestimmen. Millionenfach dringen die winzigen Teilchen in die Tumorzellen ein – eine spezielle Umhüllung aus Biomolekülen erleichtert es ihnen, die Zellmembran zu überwinden. Bei gesunden Zellen haben die Eindringlinge dagegen keine Chance, denn die Zellwand bildet ein unüberwindbares Hindernis. Legt Jordan ein Magnetfeld an, das 100 000-mal pro Sekunde seine Richtung wechselt, geraten die Nanoteilchen gewaltig unter Stress: Sie folgen dem wechselnden Magnetfeld, taumeln hin und her und erzeugen durch diese hektische Bewegung Wärme, die für die Tumorzellen das Ende bedeutet.

„Die Methode hat dasselbe Potenzial wie die Strahlentherapie”, betont Jordan. „Sie lässt sich zur Bekämpfung jedes soliden Tumors anwenden.” Nebenwirkungen konnte sein Team bisher nicht feststellen. Derzeit entwickeln die Forscher spezielle Moleküle, die es den Nanoteilchen ermöglichen, Metastasen aufzufinden – und so auch deren Behandlung erlauben.

Janine Drexler und Ralf Butscher

Ohne Titel

Die Chancen, die die Nanotechnologie für Früherkennung und Therapie vieler Erkrankungen bietet, sind enorm. Die Wege, um sie voll zu nutzen, werden zwar gerade erst geebnet. Doch schon bald könnten Nanopartikel dazu eingesetzt werden, Krebstumore wirkungsvoll zu bekämpfen. Weniger spektakulär, aber ebenso hilfreich für die Patienten, sind Medikamente, die Wirkstoffe im Nanoformat enthalten. Erst das macht sie im Blut löslich. Arzneimittel, die das ausnutzen, gibt es bereits.

Ohne Titel

Um Miniatur-Maschinchen, mikroelektronische Bauteile wie Transistoren und Speicher oder maßgeschneiderte Nanopartikel herzustellen, gibt es zwei verschiedene Wege. Der eine, der so genannte Top-down-Ansatz (von oben nach unten), orientiert sich an den bislang auch für die Fertigung größerer Geräte üblichen technischen Verfahren: Die gewünschten feinen Strukturen werden aus einem Materialblock herausgearbeitet – zum Beispiel durch Fräsen, Ätzen oder die Bearbeitung mit Laserlicht. Der zweite, so genannte Bottom-up-Ansatz (von unten nach oben) nutzt dagegen dieselben Prozesse, durch die auch die Natur Nanometer kleine Gebilde entstehen lässt: Indem man geeignete äußere Bedingungen schafft – zum Beispiel eine bestimmte Temperatur oder ein elektrisches oder magnetisches Feld – fügen sich Atome und Moleküle per Selbstorganisation ohne weiteres Zutun von außen zu den gewünschten Strukturen zusammen.

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