Grausam verwachsene Zwillinge, Kinder mit Zyklopenaugen, Menschen ohne Gliedmaßen, schockierend missgebildete Totgeburten – es scheint, als ließe der Autor keine noch so ungeheuerliche Laune der Natur aus. Nein, eine leichte Lektüre ist das Buch nicht, schon gar keine Bettlektüre, will man nicht beispielsweise von James Merrick, dem unglücklichen „Elefantenmenschen“, träumen, der 1890 mit 28 Jahren starb: Er litt vermutlich am Proteus-Syndrom, einer verheerenden Störung, die Kinder bei der Geburt normal aussehen lässt, sie aber mit zunehmendem Alter in unglaublicher Weise entstellt. Ähnlich traurig ist die Geschichte des Amerikaners Harry Eastlack, dessen Knochenzellen sich chaotisch im Körper ausbreiteten. Er starb 43-jährig mit zusammengewachsenen Kiefern und einem deformierten Skelett, das zu seinen Lebzeiten ein unvorstellbares Foltergefängnis gewesen sein muss.
Doch die drastischen Beispiele wählt der Autor nicht, um dem Leser das Gruseln zu lehren. Verständlich und präzise, ohne jeden sensationsheischenden Unterton, erläutert er, was während der Entwicklung des Menschen molekularbiologisch geschieht und was dabei falsch laufen kann – ein faszinierendes Buch, das den Spagat schafft, ein breites Publikum für ein anspruchsvolles Thema zu interessieren und ebenso spannend wie seriös über die aktuellen Forschungsergebnisse zu informieren.
Armand Marie Leroi TANZ DER GENE Von Zwittern, Zwergen und Zyklopen Elsevier Spektrum Akademischer Verlag München 2004 432 S., € 30,– ISBN 3-8274-1518-7
Claudia Eberhard-Metzger