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Wieder an die Spitze

Gesellschaft|Psychologie

Wieder an die Spitze
Europa wird massiv in die Forschung investieren. Neben der finanziellen Förderung durch Brüssel will die EU das Image der Wissenschaftler verbessern. bild der wissenschaft-Leser erhalten deshalb exklusiv den arte-Film „Beruf: Forscher“ als DVD. Wir befragten Dr. Janez Potocnik, den neuen EU-Forschungskommissar, über das Projekt.

bild der wissenschaft: Was ist der Grund für die neue EU-Initiative „Forscher in Europa“, Herr Dr. Potocnik?

POTOCNIK: Wenn wir Wachstum und Wettbewerbsstärke in Europa verbessern wollen, müssen wir mehr in Wissen investieren – in Bildung und Ausbildung, in Forschung, Entwicklung und Innovation. Deshalb haben wir uns auf europäischer Ebene verpflichtet, unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU zu steigern. Um dies zu erreichen, sind große Anstrengungen nötig. Zu allererst brauchen wir mehr Forscher, die in der EU arbeiten. Die Europäische Kommission unterstützt dieses Ziel – unter anderem dadurch, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für die Wissenschaft gesteigert wird. Das Programm „Forscher in Europa 2005″ ist Teil dieser Bemühungen.

bdw: Wie viele Forscher arbeiten in der EU – und wie viele sollten wir haben?

POTOCNIK: Nach dem aktuell verfügbaren Überblick hatten wir 2002 gut 1,6 Millionen Forscher. Mehr als 2,75 Millionen Menschen beschäftigten sich insgesamt mit Forschung und Entwicklung. Das hört sich gut an. Doch wenn wir das Ziel erreichen wollen, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür auszugeben, brauchen wir nach unseren Schätzungen mindestens 700 000 Forscher mehr.

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bdw: Wenn Sie die EU mit den USA vergleichen – wo liegen unsere Stärken, wo unsere Schwächen?

POTOCNIK: Wir haben eine Reihe von Stärken. Dazu gehört eine lange wissenschaftliche Tradition. Weiterhin können wir in Bereichen, die für das Wirtschaftswachstum sehr wichtig sind – Mikroelektronik, Telekommunikation, Biotechnologie und Luftfahrt – schlagkräftige Einheiten bilden. Und wir haben viele hervorragende wissenschaftliche Talente. Dazu kommt, dass wir durch den europaweiten Wettbewerb und durch länderübergreifende Netzwerke fortwährend unsere Exzellenz verstärken. Beispielsweise kooperieren 52 europäische Forschungsinstitute, um BSE – die Bovine Spongiforme Enzephalitis – zu bekämpfen. Andererseits müssen wir feststellen: Obwohl wir in Europa mehr Forscher als unsere großen Konkurrenten ausbilden, beschäftigen wir insgesamt weniger. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe. Zum Einen ist es für viele Universitätsabsolventen lukrativer, in der Wirtschaft zu arbeiten als in der reinen Forschung. Zum Zweiten sehen wir, dass es viele Forscher speziell in die USA drängt, wo beträchtlich mehr Geld in der Forschung steckt. Deshalb versuchen wir, ein Umfeld zu schaffen, das unsere jungen Talente an Europa bindet oder sie ermuntert, nach Erfahrungen außerhalb Europas wieder zurückzukehren.

bdw: Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung unterscheiden sich die Länder Europas beträchtlich.

POTOCNIK: EU-weit geben wir derzeit 1,93 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus. In den USA liegt dieser Wert bei 2,7 Prozent, in Japan bei 3,0 Prozent. Finnland und Schweden investieren gegenwärtig sogar mehr als 3 Prozent – Schweden bringt es konkret auf 4,27 Prozent. Einige EU-Mitgliedsstaaten kommen aber nicht einmal auf 1 Prozent. Deutschland ist auf gutem Weg: Seit 1998 steigern sich die Ausgaben, 2004 wurden 2,5 Prozent investiert.

bdw: Was hat die EU im Detail vor?

POTOCNIK: Unter den vielen Programmen und Projekten möchte ich hier vor allem das wichtigste herausstellen: unser Forschungsrahmenprogramm. Gerade hat die Kommission einen Vorschlag für das 7. Forschungsrahmenprogramm akzeptiert, das ab 2007 umgesetzt werden soll. Basierend auf früheren Programmen sollen die Mittel für Wissenschaft und Forschung in jährlichen Schritten gesteigert werden, bis sie sich schließlich verdoppelt haben. Das Programm wird weiterhin die länderübergreifende Forschung unterstützen. Forscher werden auf ihrem Berufsweg und der dafür nötigen Mobilität unterstützt, was durch das Marie-Curie-Programm bereits mit Erfolg getan wurde. Und es gibt neue Ansätze. So soll ein Europäischer Forschungsrat die besten und erfolgversprechendsten Ideen unterstützen, die von Forschern aller wissenschaftlichen Disziplinen vorgestellt werden. Dadurch werden einzelne Forscher auf europäischer Ebene miteinander in Wettbewerb treten, und das einzige Kriterium der finanziellen Unterstützung wird deren Originalität sein. Das neue Rahmenprogramm wird die Forschungsinfrastruktur verbessern und das Forschungspotenzial im gesamten EU-Rahmen besser nutzen. Eine besondere Herausforderung ist es für mich, die Programme so zu vereinfachen, dass sie nutzerfreundlicher werden. Meine Hoffnung ist schließlich, dass unser neues Programm auch in den einzelnen Mitgliederstaaten Kräfte freisetzt, damit mehr in die Forschung investiert wird – und das effizienter als bisher.

bdw: Was verbinden Sie persönlich mit der neuen Initiative „ Forscher in Europa“?

POTOCNIK: Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit mehr darauf aufmerksam wird, was Forscher leisten. Und das nicht nur in dem abstrakten Sinn, dass durch sie das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird und unsere Wettbewerbsfähigkeit steigt. Die Bürger sollten auch erkennen, wie Forschung zur Steigerung der Lebensqualität beiträgt. Ich wünsche mir, dass die Aktivitäten auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene allen die Möglichkeit geben, sich mit Forschung und Forschern unmittelbar auseinander zu setzen und einen Gedankenaustausch zu beginnen.

bdw: Mit welchem Ziel?

POTOCNIK: Wir haben drei Ziele. Einmal wollen wir die Forscher näher an die Öffentlichkeit, speziell an die Jugendlichen, heranführen. Zweitens wollen wir junge Menschen ermuntern, Wissenschaftler zu werden. Drittens wollen wir am Image arbeiten, um so Europa wieder für die internationale Forschungselite attraktiv zu machen. Die Veranstaltungen starten am 8. Juni in Luxemburg. Anschließend gibt es eine Reihe von nationalen und regionalen Projekten, die wir unterstützen. Am 23. September steigt die „Nacht der europäischen Forscher“, die quer über Europa begangen wird und über Ausstellungen, Science-Cafés oder Lasergroßdemonstrationen die Öffentlichkeit für die Forschung begeistern soll. Darüber hinaus unterstützen wir eine Aufführung, die beim Avignon-Festival im Juli Premiere hat: „Der Fall Sofia K.“, der das Leben von Sofia Kovalevskaja zum Inhalt hat – einer genialen Mathematikerin des 19. Jahrhunderts. Die Veranstaltungsliste kann dem Internet entnommen werden. Dort werden Sie erkennen, wie vielfältig unsere Aktivitäten sind. Wir bieten etwas für jeden, ungeachtet des Alters oder der Nähe zur Wissenschaft.

bdw: Was erhoffen Sie sich durch die Verteilung des Films „ Beruf: Forscher“, den unsere Leser mit dieser bdw-Ausgabe erhalten?

POTOCNIK: Der von arte produzierte Film zeigt, was einen Forscher ausmacht. Ich hoffe, dass er dazu beiträgt, den Zuschauer zu informieren, was Forschung für unser Leben bedeutet. Darüber hinaus hoffe ich, dass der Film die Zuschauer ermuntert, an unseren Aktivitäten im Sommer teilzunehmen. Mehr noch: Ich wünsche mir, dass dadurch viele inspiriert werden, Wissenschaftler zu werden. ■

Dr. Janez Potocnik

ist seit 2004 EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung. Der Slowene (Jahrgang 1958) promovierte 1993 an der Universität von Ljubljana in Wirtschaftswissenschaften. Anschließend leitete er acht Jahre lang das Institut für Makroökonomische Analyse und Entwicklung in Ljubljana und war von 2002 bis 2004 Europaminister seines Landes.

COMMUNITY INTERNET

Die komplette Aufstellung aller Aktivitäten rund um die EU-Initiative „Forscher in Europa“ :

europa.eu.int/researchersineurope

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