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Bremser am Rhein

Erde|Umwelt

Bremser am Rhein

„DENN SOVIEL IST KLAR”, endete der Bericht „Freiheit für den Rhein” in der bdw-Märzausgabe 1995: „Schwere Hochwasser wird man nur verhindern können, wenn man dem Fluss weites Land gibt, in dem er sich schadlos austoben kann.” Anstatt die Ufer des Rheins mit Beton zu versiegeln, sollte die Anlage von Überschwemmungsgebieten die Hochwassergefahr entschärfen. Zehn Jahre sind seitdem vergangen – was ist aus den Plänen geworden?

Die Vorgeschichte: Bereits 1982 hatten Deutschland und Frankreich vereinbart, den ehemals am Oberrhein bestehenden Schutz vor Hochwasser-Katastrophen mit Pegelständen, wie sie nur einmal in 200 Jahren vorkommen, wiederherzustellen. Zwischen 1950 und 1977 wurden rund 130 Quadratkilometer Auenlandschaft vom Rhein abgeschnitten. Um dem Fluss diese natürlichen Überflutungsgebiete zurückzugeben, hat sich neben Frankreich und Rheinland-Pfalz besonders Baden-Württemberg langfristig engagiert: 168 Millionen Kubikmeter Rückhalteräume will das Land zum Hochwasserschutz beisteuern.

1995 hatten Fachleute nach mehrjähriger Suche im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms ein Konzept präsentiert, das 13 potenzielle Überflutungsräume vorsah. Zwei davon existierten sogar schon: 1985 ging das so genannte Kulturwehr Kehl/Straßburg in Betrieb, 1988 die beiden Polder Altenheim – gezielt flutbare, künstlich eingedeichte Hochwasser-Rückhalteräume. Doch mit den verbleibenden elf taten sich die Baden-Württemberger schwer. Immerhin: Das Projekt Rheinschanzinsel beim Kernkraftwerk Philippsburg, etwa auf halbem Weg zwischen Karlsruhe und Mannheim, befindet sich im Bau. Dasselbe gilt für den Polder Söllingen/Greffern südlich von Rastatt, der noch in diesem Jahr fertig werden soll. Die übrigen neun Projekte dümpeln vorwiegend in der Vorbereitungsphase, für einige wurde das Planfeststellungsverfahren eingeleitet.

In Baden-Württemberg machen vor allem die Widerstände vor Ort – mit Sprüchen wie „unsere Fasane sollen nicht zu Enten werden” – den Planern zu schaffen. Seit Jahren müht sich ein Umweltminister dieses Bundeslandes nach dem anderen, den Hochwasserschutz sowie die Renaturierung des Rheins und seiner Auenlandschaften gegen die örtlichen Bremser voranzutreiben. Als Verbündete erweist sich die europäische Wasser-Rahmenrichtlinie, die eine ganzheitliche Betrachtung der Flusssysteme vorschreibt und bestens geeignet ist, Naturschutz und Wasserhaushalt miteinander zu verbinden. Doch es geht trotzdem nur sehr langsam voran.

Von 13 geplanten Überflutungsräumen gerade mal 2 existent und 2 in Bau – Emil Dister überkommt angesichts dieser Bilanz ein Gefühl, das irgendwo zwischen Frustration und Säuernis liegt: „ Viele Gemeinden am Oberrhein verharren einfach in einer Blockadehaltung.” Den Chef des Rastatter Auen-Instituts, das – vom World Wildlife Fund (WWF) gegründet – seit 2004 zur Universität Karlsruhe gehört, erbost dabei besonders: „Oft weigern sich Bürgermeister und Gemeinderat nur deshalb, gemeindeeigene Flächen als potenziellen Überflutungsraum freizugeben, weil sie die Verfügungsgewalt über diese Gebiete nicht verlieren wollen – und nicht, weil sie mit diesen Flächen etwas Besseres anfangen könnten.” Namen nennt der Ökologie-Professor nicht, er will keine Kommune in der Öffentlichkeit anprangern.

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Über die viel beschworene Solidargemeinschaft der Rhein-Anlieger kann Dister nach dem jahrelangen Gerangel nur müde lächeln. Resigniert verweist er auf das Bundesland Hessen, das sich völlig aus dem Hochwasserschutz entlang des Rheins ausgeklinkt habe: „Da halfen weder die guten Worte noch das Geld, das beispielsweise Köln und Nordrhein-Westfalen den Hessen angeboten haben.” Klaus Zintz■

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