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Stonehenge – made in Austria

Geschichte|Archäologie

Stonehenge – made in Austria
Nirgends ballen sich so viele steinzeitliche Kreisgrabenanlagen wie in Niederösterreich nordwestlich von Wien. Jetzt haben Wissenschaftler erstmals eine dieser rätselhaften Bauten rekonstruiert.

Der tschechische Feldmarschall in österreichischen Diensten Radetzky dürfte sich wundern. Zwar ist der Held der Habsburger Monarchie Besuch gewöhnt – jährlich pilgern Hunderte zu seinem Grab auf dem Heldenberg im niederösterreichischen Kleinwetzdorf. Doch seit einigen Tagen ist der Ansturm enorm. Dabei gilt das Interesse nicht ihm, sondern der dortigen Kreisgrabenanlage – einer Rekonstruktion rätselhafter Großbauten aus der Jungsteinzeit, errichtet vor fast 7000 Jahren. Eine Art Stonehenge – made in Austria, aber rund 3000 Jahre früher.

Anlässlich der Niederösterreichischen Landesausstellung 2005 entstand – wenige Meter von Radetzkys Ruhestätte entfernt – die Kreisgrabenanlage von Schletz neu. „Ein weltweit einzigartiges Projekt“, schwärmt Wolfgang Neubauer vom Interdisziplinären Forschungsinstitut für Archäologie der Universität Wien. Fünf Monate haben er und sein Kollege Wolfgang Lobisser daran gearbeitet. Jetzt blicken die Archäologen zufrieden auf ihr Steinzeit-Faksimile. Es soll den Besuchern einen Einblick geben in die weitgehend unbekannte Steinzeitkultur Niederösterreichs – und Europas. Denn die Kreisgrabenanlagen finden sich in ganz Mitteleuropa. Woher die Idee dazu stammte, ist noch unklar.

Das prähistorische Original zu der Heldenberg-Anlage – 40 Kilometer entfernt – ist wie alle anderen Bauten dieser Art längst zerfallen und dem Erdboden gleich. Wer bei Schletz über Wiesen und Felder spaziert, vermutet meist nicht, dass er auf steinzeitlichen Spuren wandelt. Lediglich aus der Luft sind die nivellierten Gräben zu erkennen. Und so wurden sie auch entdeckt: Anfang der sechziger Jahre fanden österreichische Luftbildarchäologen immer mehr dieser dunklen Kreise, die wie flüchtige Schatten wirken. Heute suchen Aufklärungsflugzeuge des Bundesheeres mit den Archäologen systematisch nach weiteren Überresten. Sind neue Kreise geortet, macht sich der Bodentrupp namens „Archeoprospections“ ans Werk.

Die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft von Archäologen, Informatikern und Geophysikern rund um Wolfgang Neubauer schieben High-Tech-Wagen über die Felder im Weinviertel. Doch statt wie die Bauern tiefe Furchen in die Erde zu ziehen, scannen sie mit hochempfindlichen Gräten den Untergrund. Dabei werden kleinste Abweichungen des Erdmagnetfeldes, hervorgerufen durch den höheren Eisengehalt in den verfüllten Gräben, registriert.

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Am Computer formen sich aus Tausenden von Messdaten Muster, die sich zu digitalen Bildern verdichten: eine virtuelle Auferstehung der Steinzeitbauten nach fast 7000 Jahren.

40 Kreisgrabenanlagen wurden bislang in Niederösterreich entdeckt. Die meisten befinden sich nördlich der Donau, im so genannten Weinviertel. In der Regel sind sie nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Zwar gibt es solche Monumentalbauten auch in anderen Teilen Mitteleuropas: in Südmähren, Mittel- und Nordböhmen, in der Südwestslowakei, in Südpolen, Nordostungarn und Niederbayern, in Sachsen und Sachsen-Anhalt (bild der wissenschaft 2/2004, „Deutschland in der Steinzeit“) – summa summarum rund 200 Stück. Doch nirgends sind sie so dicht gedrängt wie in Niederösterreich. „Sie sehen: Dieses Gebiet war schon immer der Nabel der Welt“, scherzt Archäologe Neubauer.

Fest steht: Das Weinviertel war in der Jungsteinzeit dicht besiedelt. Der fruchtbare Lössboden lockte die Menschen an. Das Markenzeichen dieser Lengyel-Kultur war eine mit gelben und roten Erdfarben bemalte Keramik, weshalb ihre Mitglieder auch als „ Bemaltkeramiker“ bezeichnet werden (siehe Kasten „Die Steinzeit-Wiener“). Die Nachbarn in Niederbayern und Mitteldeutschland bevorzugten bandförmig gestochene Verzierungen, sie firmieren deshalb als „Stichbandkeramiker“. War der Kunstgeschmack auch verschieden – die Idee der Kreisgrabenanlage, die das Zentrum einer Siedlung bildete, überzeugte alle (siehe Karte). Plötzlich und für eine relativ kurze Zeit bauten von Ungarn bis an den Rhein alle Steinzeitler derlei aufwendige Anlagen. Deren Sinn und Zweck sind weiterhin unbekannt.

Auch wer der geistige Urheber war, ist unklar. Gerhard Trnka, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, spricht die Vaterschaft den niederösterreichischen Bemaltkeramikern selbst zu. Der Bau-Boom im Weinviertel untermauert diese These. Doch exakte Daten für die zeitliche Abfolge der Anlagen in den verschiedenen Gebieten Mitteleuropas fehlen. Nach der bisherigen groben zeitlichen Bewertung scheinen die Kreisgräben fast gleichzeitig entstanden zu sein: in der Mittleren Jungsteinzeit, ab 4800 v.Chr.

Zu den frühesten Monumentalbauten in Niederösterreich zählt die rund 6800 Jahren alte Kreisgrabenanlage von Schletz, deren Nachbau nun am Heldenberg die Besucher anzieht. Ihr 4,0 Meter tiefer und 4,6 Meter breiter Graben klafft wie ein offenes Maul in der Erde. Ein klares Signal: Hier beginnt ein sakraler Ort, den nicht jeder betreten darf.

Die niederösterreichischen Anlagen gürten sich mit bis zu vier Gräben – gewaltige 3 bis 6 Meter tief und 4 bis 10 Meter breit. Sie umschlossen einen kreisförmigen Innenraum mit einem Durchmesser zwischen 40 und 160 Metern. Die Zahl der Gräben war offenbar dem Gutdünken der Steinzeit-Architekten überlassen, doch ihre Form scheint genormt gewesen zu sein: ein V-förmiger Querschnitt mit einem spitz zulaufenden Ende war ein Muss.

Dass einige Kreise nicht ganz rund sind, sondern an eine ausgebeulte Kartoffel erinnern, ist auf Schlamperei am Bau zurückzuführen: Denn es gingen mehrere Arbeitstrupps gleichzeitig von verschiedenen Stellen ans Werk. Nur wenn sie sorgfältig arbeiteten, stießen sie tatsächlich auf gleicher Höhe zusammen.

Es war eine Schufterei, die Gräben mit Geweihhacken und Holzschaufeln auszuheben. 30 Arbeiter benötigten fast einen Monat, um den Graben von Schletz auszuheben (siehe Kasten: „ Arbeitsplatz Schletz“). Ebenso aufwendig war es, die Erdgräben instand zu halten, denn der Regen ließ sie zusammenfallen. Zudem wurden sie – schon in ihrer Nutzungsperiode – immer wieder von den Dorfbewohnern zugemüllt: Zerbrochene Schüsseln und Löffel, Steingeräte und Hirschgeweihe, geschnitzte Angelhaken und tönerne Saugfläschchen, Schnecken und Muscheln, Knochen von Tieren – und von Menschen – wurden darin entsorgt. „Reinlich waren unsere Vorfahren nicht“, sagt Wolfgang Neubauer.

Die Archäologen sind froh darüber – nur so haben sich die vielen Spuren aus der Vergangenheit erhalten. Beim Nachbau auf dem Heldenberg führen zwei Erdbrücken den Besucher über den Graben. In der Steinzeit hätte man sie wohl nicht so einfach passieren dürfen, wahrscheinlich versperrten Holztore oder Wachen den Weg. Je nach Bauweise der Anlage gab es einen bis fünf solcher Stege, die als schmale Zugänge über die tiefen Gräben führten. Es empfahl sich, nur in Zweierreihen – wenn nicht sogar im Gänsemarsch – darüber zu gehen.

War der Graben überwunden, stellte sich dem Besucher ein weiteres Hindernis in den Weg: eine dichte zweireihige Palisadenphalanx, die den Innenraum umschloss. In den meisten Anlagen gab es zwei der bis zu drei Meter hohen Pfostenzäune, wobei die äußeren – wie in Schletz – oft nur aus einzeln stehenden Baumstämmen bestanden und bloß symbolisch Schutz boten.

Die inneren Ringe hingegen waren geschlossen. Die Stämme wurden leicht nach vorne und hinten versetzt eingerammt, um den Durchblick zu verwehren. Dennoch blieben Ritzen und Spalten, durch die man in den Innenraum lugen konnte. Nur eine Stelle bekam niemand von außen zu Gesicht: den Mittelpunkt der Anlage. Als die Wiener Wissenschaftler den Schletzer Bau rekonstruierten, fiel ihnen auf, dass sich die Baumstämme an den Stellen, wo ein Blick ins Zentrum möglich wäre, nahtlos aneinander fügen – sicherlich kein Zufall.

Was spielte sich dort ab? Was sollte kein Außenstehender beobachten? Dieses Rätsel der steinzeitlichen Kreisgrabenanlagen ist noch ungelöst.

Die torartigen Durchgänge, die am Ende jeder Erdbrücke den Palisadenring durchbrechen, leiten den heutigen Besucher ins Innere der nachgebauten Anlage. Doch welche Enttäuschung: Der Platz, Durchmesser 24 Meter, ist leer. Nach Zeichen für die Funktion der Kreisgrabenanlagen sucht man vergeblich. Nur die Konstruktionen selbst und einige Funde aus dem Boden geben den Wissenschaftlern einen – vagen – Aufschluss für den einstigen Zweck der Anlagen.

Eine ihrer Vermutungen: Die Bauten waren monumentale Kalender oder Uhren für wichtige Zeitpunkte des Jahres. Die Palisadenringe mit ihren Toren bildeten das Zifferblatt. Sonne, Mond und Sterne waren die Zeiger. In manchen Anlagen ist eines der Tore so ausgerichtet, dass die Sonne nur am 21. Dezember, dem Tag der Wintersonnenwende, zwischen den Torpfosten untergeht. Andere waren auf den Aufgang der Plejaden genormt. Dieses Sternbild kündigte in der Steinzeit Österreichs den Frühling an – und diente den prähistorischen Landwirten vielleicht als Signal: Es ist Zeit, mit der Aussaat zu beginnen!

„Doch wer die Kreisgrabenanlagen nur als Kalenderbauten deutet, greift zu kurz“, sagt der Archäologe Wolfgang Lobisser. Vermutlich waren sie auch das Wahrzeichen eines jeden Dorfes und demonstrierten Macht und Reichtum. In manchen Siedlungen gab es zwei solcher Bauten – einen kleinen und, wenige Hundert Meter davon entfernt, einen großen. „Es ist, als hätte man zuerst die Kirche und dann den Dom gebaut“, meint Wolfgang Neubauer.

Vieles deutet darauf hin, dass in den Kreisgrabenanlagen uns unbekannte Kulte zelebriert wurden. In fast allen Gräben wurden zerbrochene Ton-Statuetten – so genannte Idole – gefunden. Sie könnten, vermuten die Wissenschaftler, als Mittler zwischen dem realen Diesseits und dem ungreifbaren Jenseits gedient haben.

Bei Bedarf wurden die Kreisgrabenanlagen als Friedhof genutzt, wie das Beispiel aus dem niederösterreichischen Friebritz nahe Mistelbach zeigt. Im Inneren der Anlage fanden sich auf einer Fläche von 25 Quadratmetern zehn Gräber. Die Toten – wahrscheinlich fünf Männer und fünf Kinder – waren in hockender Stellung und mit diversen Beigaben beerdigt worden. Ein Mann hatte seinen Hund, ein Kind seine Rassel dabei. Eine rührende Szene – doch zwölf Meter entfernt, immer noch im Zentrum der Anlage, machten die Archäologen eine Entdeckung, die Grausames ahnen lässt. Ein Mann, etwa 20 bis 30 Jahre alt, und eine Frau, zwischen 18 und 25, liegen achtlos übereinander geworfen in einer Grube. Ihre Körper sind mit Pfeilspitzen gespickt. Die Arme des Mannes sind vor der Brust gekreuzt, als sei er gefesselt gewesen. Hatte man die beiden hingerichtet? Warum? Diente die steinzeitliche Kreisgrabenanlage als Gerichtsplatz, auf dem das Urteil gleich vollzogen wurde?

Dass die Menschen vor 7000 Jahren nicht zimperlich waren, zeigen Funde aus dem Graben von Schletz, wo abgeschnittene Hände und Füße zum Vorschein kamen. Wurden Verbrecher auf diese Weise bestraft? Oder war es üblich, die Leichen zu zerstückeln?

Ob Sonnentempel oder Opferstätte, Friedhof oder Gerichtsplatz – fest steht: Die Kreisgrabenanlagen waren Orte für besondere Stunden. Umso erstaunlicher bleibt, dass nur drei oder vier Generationen die aufwendigen Bauten nutzten. Um 4500 v.Chr. – 300 Jahre nach dem Bau der ersten Anlagen – wurden sie aufgelassen. Die umliegenden Siedlungen blieben bestehen, doch die Gräben wurden zugeschüttet. „Vielleicht waren sie einfach aus der Mode gekommen“, versucht Neubauer eine Erklärung.

Eingebettet in der Erde haben die Monumentalbauten Jahrtausende überstanden. Doch die Erosion nagt unaufhörlich an ihnen, 10 bis 20 Zentimeter werden pro Jahrzehnt abgetragen. Und die Pflüge der Bauern reißen die Überreste aus der Steinzeit fort. „In 50 bis 100 Jahren“, glaubt Altertumsforscher Trnka, „ werden die meisten Kreisgräben verschwunden sein. Die einzige Möglichkeit, sie zu schützen, besteht darin, dass die Felder brach liegen.“

Doch davon wollen die meisten Bauern nichts wissen. Nur einer schätzt die Zeugnisse der Vergangenheit: Landwirt Josef Wiesböck aus Puch, einem Dorf wenige Kilometer vom Heldenberg entfernt. Seit er weiß, dass in einem seiner Felder eine Kreisgrabenanlage liegt, verzichtet er auf die Nutzung. Stattdessen bepflanzt er die zugeschütteten Gräben mit Senf. So tauchen sie von Frühjahr bis Herbst als gelbe Kreise in der Landschaft auf. Den Ernteausfall und die viele Arbeit nimmt der 56-Jährige in Kauf. „ Alles zum Wohle der Wissenschaft“, schmunzelt er. Zu Ehren seiner Vor-Vorfahren – und als Obulus für seine Kasse – brennt Bauer Wiesböck einen „Kreisgrabenschnaps“. Hochprozentiges kannten seine Kollegen in der Jungsteinzeit zwar nicht. Aber das eine oder andere berauschende Tröpfchen – Bier oder Fruchtwein – werden auch sie sich genehmigt haben. ■

Bettina Gartner

Ohne Titel

Es muss ein furchtbares Gemetzel gewesen sein, das sich 4950 v.Chr. im niederösterreichischen Asparn an der Zaya abspielte. Mit Hämmern und Äxten fielen die Angreifer über die Dorfbewohner her, erschlugen Männer und Kinder und verschleppten die Frauen. 200 Skelette – alle von Bewohnern der Siedlung – haben Archäologen entdeckt und mit der C14-Analyse datiert. Wer waren diese Leute, die ein so jähes Ende fanden? Und wer hat sie umgebracht?

Die erste Frage ist schnell beantwortet: Bei den Opfern handelte es sich um Bauern der Linearbandkeramik, die Niederösterreich zu Beginn der Jungsteinzeit besiedelt hatten. Die Täter indes sind nicht zu fassen. Es könnten Angreifer von auswärts gewesen sein, die das Land zu erobern versuchten. Möglicherweise hatten aber auch benachbarte verfeindete Clans das Dorf überfallen.

Sicher ist: Asparn war kein Einzelfall. In weiten Teilen Niederösterreichs gab es Unruhen. Um 5000 v.Chr. hatten viele Dorfgemeinschaften begonnen, breite Schutzgräben um ihre Siedlungen zu ziehen. Aufhalten konnten sie den Niedergang nicht, viele Dörfer wurden verlassen – niemand weiß, warum. Aus den folgenden 100 Jahren kennt man in Niederösterreich nur wenige Siedlungen der so genannten Stichbandkeramiker, den Nachfahren der Linearbandkeramiker.

Erst um 4850 v.Chr. keimte wieder Leben auf. In Asparn an der Zaya wurde, wenige Kilometer vom Massengrab entfernt, ein neues Dorf errichtet. Anders als ihre Vorgänger begnügten die Neusiedler sich nicht mit Weilern, sondern legten stattliche – bis zu 20 Hektar große – Ortschaften an. In deren Zentrum machten mächtige Kreisgrabenanlagen auf das neue Zeitalter in Niederösterreich aufmerksam.

Es war die Ära der Bemaltkeramiker. Sie stammten aus Ungarn. Nach einem Fundort im Komitat Tolna, der Lengyel-Schanze, spricht man von der Lengyel-Kultur. Die Bemaltkeramiker verzierten ihr Geschirr nicht mit Linien oder Punkten, sondern bemalten es mit Erdfarben.

Wie die neue Keramik-Mode nach Niederösterreich kam, darüber streiten die Gelehrten. Der Archäologe Gerhard Trnka, Professor für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Wien, setzt auf einen Ideentransfer aus Westungarn. Sein Kollege Wolfgang Neubauer vom Interdisziplinären Forschungsinstitut für Archäologie der Universität Wien glaubt an eine Einwanderung der Bemaltkeramiker selbst. „Vielleicht trieben politische Machtkämpfe, religiöse Unruhen oder wirtschaftliche Stagnation sie aus Ungarn gen Westen“, vermutet er.

Auf welche Weise auch immer die Lengyel-Kultur ihren Siegeszug antrat: Die Bemaltkeramiker verbreiteten sich rasch in Böhmen und Mähren, im Südwesten der Slowakei und in Österreich. Keramikfunde belegen ihre Kontakte und Handelsbeziehungen mit den Stichbandkeramikern in Niederbayern.

Die Häuser der Bemaltkeramiker waren mit durchschnittlich 8 Meter Breite und 20 Meter Länge für Steinzeitverhältnisse eher bescheiden. Doch die Ausstattung konnte sich sehen lassen. Eine Feuerstelle diente als Herd, in einer Lehmkuppel wurde Brot gebacken. Das Getreide lagerte in raffinierten Speichergruben: Sie wurden luftdicht abgedeckt, der Stoffwechsel der Körner verbrauchte den Sauerstoff. Dadurch reicherte sich Kohlendioxid an. Dieser Hexenkessel tötete Mikroorganismen und verhinderte das Eindringen von Schädlingen.

Auf ihren Feldern bauten die Bemaltkeramiker Einkorn und Emmer, Zwergweizen und Roggen an. Erbsen und Linsen dienten als Eiweißlieferanten, Haselnüsse waren reich an Fett. Im Herbst sorgten Hagebutten und Holunder für Vitamin C. Rund 95 Prozent des Fleischbedarfs deckten hauseigene Rinder. Daneben wurden Schweine, Schafe und Ziegen gehalten. Für kulinarische Abwechslung sorgte Wildbret: Rehe und Rothirsche, Wildschweine und Hasen.

Um 4500 v.Chr. wurden die aufwendigen Kreisgrabenanlagen aufgegeben. Rund 200 Jahre später war auch die einheitliche Kulturepoche der Bemaltkeramiker in Niederösterreich vorbei.

Ohne Titel

Innerer Palisadenring

75 Meter Umfang, bestehend aus 416 Eichenstämmen von 4,20 Meter Länge.

Arbeitszeit:

• Fällen, Zuschneiden und Transport der Baumstämme: 218 Arbeitstage

• Werkzeugherstellung (15 Steinbeile,

5 Holzschaufeln, 200 Meter Bastseil):

64 Tage

• Ein Meter tiefe Pfostenlöcher: 19 Tage

• Palisaden aufrichten: 72 Tage

Äusserer Pfostenring

95 Meter Umfang, bestehend aus 60 Einzelpfosten mit 3,50 Meter Länge.

Arbeitszeit:

• Fällen, Transport, Zuschneiden, Erdarbeiten, Aufstellen: 138 Tage

• Werkzeugherstellung (9 Steinbeile, Bastseil, 10 Holzschaufeln): 36 Tage

Kreisgraben

155 Meter Umfang, 44 Meter Durchmesser, 4 Meter Tiefe.

Arbeitszeit:

• Ausheben und Abtransport von insgesamt 1550 Kubikmeter Erde: 861 Tage

• Geräteherstellung (Holzspaten, Tragekörbe, Hacken): 150 Tage

Gesamt-Arbeitszeit

1558 Tage: 30 Arbeiter hätten bei einem Achtstunden-Tag für die Errichtung der Kreisgrabenanlage 52 Tage benötigt.

Ohne Titel

· • Das Gebiet nördlich von Wien war schon vor 7000 Jahren von den Bemalt- keramikern dicht besiedelt. • Ihre architektonischen Zeugnisse – gewaltige Kreisgrabenanlagen – wer- den in 50 Jahren verschwunden sein.

· • Woher die Idee für diese Großbauten kam und wer sie errichtete, ist noch ungeklärt.

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