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Funkender Frischkäse

Technik|Digitales

Funkender Frischkäse
RFID-Chips lösen nach und nach Strichcodes bei der Kennzeichnung von Waren und Transportbehältern ab. Auch Menschen lassen sich per Funktechnologie überwachen und verfolgen.

Wo es heute schon funkt

Die Fussball-WM 2006 in Deutschland soll manches richten. So hoffen die Fußballfans, dass die Kicker der deutschen Nationalelf nach etlichen Jahren mit vielen nur mäßig begeisternden Auftritten nächstes Jahr im eigenen Land den Weltmeistertitel holen. Auch die Anbieter so genannter RFID-Systeme spekulieren darauf, dass das sportliche Großereignis für ihre Zunft einen Aufschwung bringen wird. Denn viele Fußballanhänger, Journalisten und VIPs, die die Spiele in den Stadien verfolgen werden, haben dabei zum ersten Mal bewusst mit der RFID-Technologie zu tun.

Das Kürzel RFID steht für Identifizierung von Objekten per Funkwellen. Systeme, die diese Technologie nutzen, bestehen aus einem mit einer Antenne verbundenen Mikrochip, der bestimmte Daten speichert, sowie Lesegeräten, die diese Daten berührungslos erfassen können (siehe Kasten „Mitteilsame Aufkleber“).

Jedes der Tickets für die WM-Spiele soll mit einem RFID-Chip versehen werden, der eine eindeutige Seriennummer speichert. Wer das Glück hat, bei der Verlosung der Eintrittskarten zu den Gewinnern zu gehören, auf dessen persönliche Daten werden WM-Organisatoren und Polizei über die Nummer auf dem Funkchip zugreifen können. An den Eingängen zu allen zwölf WM-Stadien sollen Lesegeräte stehen, die den Zugang zu den Veranstaltungen per RFID sichern. Die Lesegeräte können die gespeicherten Daten per Funk bis auf wenige Meter Entfernung erfassen – und geben die Drehkreuze erst frei, wenn ein Zentralrechner nach Vergleich der ausgelesenen Daten mit den persönlichen Informationen in einer Datenbank sein O.K. dafür gibt.

Das technische Konzept haben die Organisatoren der Fußball-WM zusammen mit dem niederländischen Elektronikkonzern Philips erarbeitet. Die Verbindung von RFID-Chips und elektronischer Zugangstechnik soll das Benutzen gefälschter Tickets unmöglich machen und sicherstellen, dass nur berechtigte Personen Zutritt in die Arena erhalten. Außerdem soll das System den Schwarzhandel mit Eintrittskarten unterbinden.

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In den letzten beiden Jahren sorgte die RFID-Technologie vor allem in Zusammenhang mit dem Future Store der Metro Group in Rheinberg bei Duisburg für Schlagzeilen. Dort testet der Handelskonzern seit April 2003 die Einsatzmöglichkeiten der Funketiketten. In dem Hightech-Supermarkt sind diverse Produkte mit RFID-Chips ausgestattet – darunter Frischkäse, Rasierklingen und DVDs mit Videofilmen. Ein Kleincomputer, den Kunden mit Kundenkarte beim Betreten des Ladens erhalten und der am Einkaufswagen angebracht wird, liest die auf den Etiketten gespeicherten Daten, wonach ein Bildschirm außer dem Preis noch weitere Details zum Produkt und seinem Hersteller verrät.

Auch das Bezahlen soll beschleunigt werden. In Zukunft, so die Idee, könnte die Kasse beim Vorbeifahren mit dem Einkaufswagen alle Waren darin per Funk erfassen und den Gesamtpreis berechnen. Über die Kundenkarte könnte der Betrag sogar gleich vom Konto abgebucht werden. Das doppelte Ziel: Dem Kunden bleiben lange Warteschlangen an der Kasse erspart, und der Händler braucht weniger Personal und Verwaltungskosten.

Neben dem schnellen und einfachen Erfassen der Waren bietet RFID weitere Vorteile beim Einkauf: So kann man sich im Future Store auf einem Monitor Ausschnitte von Videofilmen zeigen lassen, indem man die entsprechende DVD an ein Lesegerät vor das Display hält. Intelligente Regale sollen – dank eines Datenaustauschs per Funk – selbst erkennen, wenn ein falsches Produkt eingeräumt wurde oder wenn ein Artikel zur Neige geht. Die Mitarbeiter des Supermarkts werden dann automatisch benachrichtigt, dass die Ware aufgefüllt oder nachbestellt werden muss.

Bis solche Technologien in normalen Supermärkten Einzug halten, werden allerdings noch etliche Jahre vergehen. Vor allem der hohe Preis der Funketiketten macht das bislang noch unrentabel. So lohnt es sich nicht, jeden Joghurtbecher, jede Tafel Schokolade und jede Tube Zahncreme mit einem RFID-Chip auszustatten, dessen Herstellung heute zwischen 40 und 50 Cent kostet. Zudem bereitet den Lesegeräten das Erfassen der gespeicherten Daten noch Schwierigkeiten. Oft gelingt es nicht, einzelne Artikel, die in größerer Menge gestapelt im Verkaufsregal oder im Einkaufswagen liegen, separat zu erfassen. Probleme haben die RFID-Reader auch mit wasserhaltigen und dichten Waren: Die Funkwellen scheitern an Getränkeflaschen und Päckchen mit Nudeln.

Bei Metro sieht man denn auch das größte Potenzial der RFID-Technologie vorerst bei der Warenlogistik. So verlangt das Unternehmen seit einigen Monaten von 22 seiner Lieferanten, dass sie alle Warenpaletten mit RFID-Transpondern kennzeichnen. Bis Ende 2005 soll die Zahl dieser Lieferanten auf 100 steigen. Ab Ende 2005 sollen zudem auch einzelne Warenkartons mit Funketiketten gekennzeichnet werden.

Dadurch, so hofft man bei Metro, wird die Abfertigung der Warenlieferungen deutlich einfacher, zuverlässiger und mit weniger Kosten als bisher vonstatten gehen. Bei der Anlieferung der Waren wird automatisch kontrolliert, ob die Waren mit der Bestellung übereinstimmen. Im Lager lässt sich ständig feststellen, welche Waren sich wo befinden. Und wenn die Artikel schließlich in den Verkaufsraum transportiert werden, wird das ebenfalls automatisch registriert und vermerkt.

„RFID wird den Einzelhandel in den nächsten Jahren substanziell verändern“, ist Metro-Vorstand Zygmunt Mierdorf überzeugt. Industrielle Anwendungen in Logistik und Produktion gelten als stärkster Wachstumsmotor im RFID-Markt. 2007 sollen sie nach Angaben der Marktforscher von Allied Biz Intelligence mit einem weltweiten Umsatz von 1,1 Milliarden Euro ungefähr 50 Prozent des gesamten RFID-Transponder-Marktes ausmachen. Für 2007 rechnet die Marktforschungsagentur In-Stat MDR mit einem Umsatz mit RFID-Systemen von insgesamt 2,7 Milliarden Dollar – rund zehnmal so viel wie 1997.

Ein breites Einsatzgebiet findet die RFID-Technologie auch in Bibliotheken. Die Stadtbüchereien in Winterthur, Antwerpen, Stuttgart, die Hauptbibliothek Wien und die Universitätsbibliothek im belgischen Leuven setzen bereits ein System des Schweizer Unternehmens Bibliotheca RFID Library Systems zur Buchung und Sicherung ihrer Medien ein. Damit können die Besucher der Bibliothek alle Medien ausleihen und, zum Beispiel in Winterthur, auch wieder zurückgeben. Die Stadtbücherei Stuttgart, die im März 2004 als erste Großstadtbibliothek in Deutschland mit dem Einsatz von RFID begann, hat über 300 000 Bücher, CDs, DVDs und Spiele mit RFID-Tags ausgestattet.

Zum Ausleihen der Medien legt man – nach der persönlichen Identifikation per Ausweiskarte – die Objekte einfach auf die Ablage eines Lesegeräts. Dieses aktiviert die Transponder, von denen sich etwa ein halbes Dutzend gleichzeitig lesen und beschreiben lassen. Die Transponder senden eine ID-Nummer sowie den Titel an das Lesegerät, das diesen dann zur Kontrolle auf einem Monitor anzeigt. Gleichzeitig wird durch Ändern eines Bits im RFID-Speicher die Sicherung des Mediums deaktiviert. Wird ein Buch ohne vorherige Ausbuchung hinausgetragen, ertönt ein Alarmsignal – ähnlich wie bei der Diebstahlsicherung im Kaufhaus. Nach der Ausleihe erhält der Bibliothekskunde einen gedruckten Beleg, auf dem neben dem entliehenen Medium das Rückgabedatum vermerkt ist. Auch Altersbeschränkungen lassen sich auf dem Chip angeben. Für Kinder gesperrte Medien können mit dem Kinderausweis nicht ausgebucht werden.

Die Rückgabe erfolgt in Stuttgart derzeit noch konventionell – doch in einem für die nächsten Jahre geplanten Neubau, der „ Bibliothek 21″, soll auch ein automatisches Rückgabesystem installiert werden. Ingrid Bussmann, Direktorin der Stuttgarter Stadtbücherei, sieht in der RFID-Technologie einen Nutzen vor allem für die Kunden der Bibliothek: „Indem Entleihe und Rückgabe automatisiert werden, lässt sich die Kompetenz des Personals wieder verstärkt auf Auskunft und Beratung konzentrieren.“

Ein Handlesegerät wie es Bibliotheca RFID Library Systems seit Anfang 2005 anbietet, dient dem Personal zur Bestandspflege und hilft zudem dabei, verstellte Bücher wiederzufinden. „Wird der Handleser am Regal vorbeigeführt, erfasst er automatisch den Medienbestand“, erklärt Birgit Lindl, Pressesprecherin des Unternehmens. Im Vorbeigehen werden die empfangenen Infos im Display eines PDA als Text angezeigt. Verstellte Medien meldet der Reader automatisch durch einen Signalton. Bisher schien es oft unmöglich, verstellte Bücher in den Regalen aufzuspüren. Meist wurden die fehlenden Bücher einfach nachgekauft, statt lange nach ihnen zu suchen. Auch vorgemerkte Medien lassen sich per Funkerfassung leicht in den Regalen finden.

Experten setzen auch große Hoffnungen in den Einsatz von RFID zur Rückverfolgung von Lebensmitteln. So testet Schleswig-Holstein einen „elektronischen Tierpass“, der den Lebenslauf von Nutztieren wie Rindern und Schweinen lückenlos dokumentiert – vom Erzeuger bis zum Verbraucher. Die damit gewonnenen Informationen sollen zudem die Vorsorge bei Tierseuchen verbessern und die Landwirte bei Aufzucht, Gesundheitspflege und Überwachung ihrer Tiere unterstützen.

Der elektronische Tierpass ist Bestandteil der Ohrmarke. Auf dem darin enthaltenen RFID-Transponder sind Daten zu Geburtstag, Herkunftsort, Abstammung, Fütterung, Impfungen und Gesundheit gespeichert – durch Verschlüsselung gegen Manipulation gesichert. Landwirt, Züchter, Tierarzt oder Behörde können die Daten zwar auslesen, verändern kann sie aber nur ein dazu berechtigter staatlicher Veterinär.

Der Nutzen solcher Tierüberwachungssysteme ist weitgehend anerkannt. Doch da, wo es um Menschen geht, gibt es laute Proteste. Datenschützer beklagen, dass sich mithilfe der Funketiketten – ohne das Wissen der Betroffenen – Persönlichkeits- und Verhaltensprofile von Menschen erstellen lassen. Dazu brauchen nur die durch das Erfassen von Transpondern – etwa beim Kauf von Kleidungsstücken – gewonnenen Informationen mit Daten der Person verknüpft zu werden. „Diese Daten könnten zum Beispiel von einer Kundenkarte stammen“, sagt Rena Tangens vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und nicht bewegten Datenverkehrs (FoeBuD) in Bielefeld.

Der FoeBuD verlieh 2003 den „Big Brother Award“ – einen wenig begehrten Preis für Projekte, die den Datenschutz besonders krass missachten – in der Kategorie „Verbraucherschutz“ an die Metro Future Store Initiative. Mitarbeiter des Bielefelder Vereins hatten herausgefunden, dass Metro in seinem Zukunftsmarkt – ohne das den Kunden mitzuteilen – die Daten von Rabattkarten mit RFID-Chips verknüpft hatte. Dadurch ließ sich eine nahtlose Verbindung zwischen gekauften Waren und Personendaten herstellen. Rund 10 000 Payback-Karten hatte Metro dazu mit RFID-Chips ausgestattet. Nach Protesten vieler Bürger vor dem Rheinberger Supermarkt entfernte die Metro Group die RFID-Transponder wieder aus den Rabattkarten.

Ebenfalls für Aufruhr sorgte Anfang des Jahres die Brittan-Grundschule im kalifornischen Sutter: Sie startete Mitte Januar einen Test, bei dem die Anwesenheit ihrer Schüler im Unterricht per RFID automatisch überprüft werden sollte. Die Schule verteilte mit Transpondern versehene Anstecker an ihre Schüler. Die Informationen darauf wurden an den Türen zu den Klassenräumen ausgelesen. Der Test sollte zeigen, ob sich durch die Erfassung der Schüler per RFID die Sicherheit auf dem Schulgelände erhöhen lässt. Bereits im Februar musste die Grundschule den Versuch wieder abbrechen – nach massiven Protesten von Eltern, die die Privatsphäre ihrer Kinder eingeschränkt sahen und beklagten, dass diese wie Vieh gekennzeichnet würden.

Wie gestern ausgelesen wurde

Erste Vorläufer der RFID-Technologie kamen im Zweiten Weltkrieg beispielsweise bei der US-Armee zum Einsatz. Sie wurden genutzt, um eigene Kriegsschiffe oder Flugzeuge in Sekundenschnelle von gegnerischen unterscheiden zu können. Dazu wurde etwa ein herannahender Kampfjet mit Radarwellen angepeilt. Nur wenn er sich durch Zurücksenden des richtigen Codes als „ Freund“ ausweisen konnte, entging er einem Beschuss.

Die Umsetzung in simpel zu handhabende Produkte für zivile Anwendungen begann in den Fünfzigerjahren. Als erste weit verbreitete RFID-Produkte kamen in den Sechzigerjahren Chips zur Diebstahlsicherung in Kaufhäusern zum Einsatz. Die dazu benutzten Transponder bestehen aus einem elektrischen Schwingkreis, dessen Resonanzfrequenz auf die Frequenz eines Empfangsgeräts am Ausgang des Warenhauses abgestimmt ist. Die Spule des Transponders dient als Antenne. Passiert man damit den Ausgang, zieht der Transponder durch elektromagnetische Induktion Energie aus einem Mikrowellenfeld, das der Detektor aussendet. Das bemerkt der Detektor – und schlägt Alarm. Beim Bezahlen an der Kasse wird das Etikett durch Anlegen eines starken Magnetfelds unwirksam gemacht.

Deutlich anspruchsvollere Anwendungen wurden erst in den Siebzigerjahren möglich, als Transponder mit eigenem Speicher auf den Markt kamen, die viel mehr an Daten fassen und übertragen konnten. Zunächst konzentrierte sich die Entwicklung auf die Kennzeichnung von Tieren durch RFID-Chips und auf Mautsysteme im Straßenverkehr. Gleichzeitig hielten die herkömmlichen Barcodes Einzug in den Kaufhausregalen. Den Anfang machte 1974 ein Supermarkt im US-amerikanischen Troy (Ohio), wo als erster Artikel Kaugummis von Wrigley’s mit einem Strichcode versehen wurden. Danach verbreiteten sich Barcodes rasch – heute sind sie auf fast allen Produkten präsent.

1987 ging in Norwegen das weltweit erste auf RFID basierende Mautsystem in Betrieb. Der Transponder wurde in einer Plakette an den Fahrzeugen angebracht, Lesegeräte registrierten die Ein- und Ausfahrt der Autos an den gebührenpflichtigen Straßen und berechneten daraus die fällige Maut. Ähnliche Systeme wurden später in einigen Bundesstaaten der USA sowie in etlichen anderen Ländern installiert – zum Beispiel in Österreich.

Als die Siliziumchips in den RFID-Transpondern immer kleiner und billiger wurden, kamen rasch neue Einsatzgebiete dazu. Mitte der Neunzigerjahre gab es die ersten elektronischen Wegfahrsperren für Autos: Bei ihnen sind zum Diebstahlschutz Funketiketten im Zündschlüssel integriert. Das Lesegerät steckt im Zündschloss. Es wird aktiviert, sobald man den Schlüssel im Schloss umdreht. Zieht der Fahrer den Schlüssel ab, wird die Elektronik des Fahrzeugs vollständig außer Betrieb gesetzt. Die RFID-Technik steckt außerdem in Skipässen und ist inzwischen weit verbreitet zur Identifizierung von Transportbehältern. Der Preisverfall der RFID-Chips könnte künftig dazu führen, dass Funketiketten auch an billigen Verbrauchsgegenständen wie Lebensmitteln und Kosmetikartikeln angebracht sind. Die Chips könnten dann nach und nach die Barcodes ersetzen.

Wo es morgen funken wird

An Visionen für den künftigen Einsatz der RFID-Technologie mangelt es nicht. Die automatische Supermarktkasse, die alle eingekauften Waren beim Verlassen des Marktes automatisch auf einmal registriert und in Rechnung stellt, ist nur eine davon. Fast schon legendär ist die Idee eines intelligenten Kühlschranks, der per RFID mit den in ihm aufbewahrten Lebensmitteln „spricht“ und so bemerkt, wenn beispielsweise der Vorrat an Milch dahinschwindet. Der Kühlschrank könnte die Milch dann selbstständig auf die Einkaufsliste setzen oder gleich via Internet bestellen. Und eine Waschmaschine mit integriertem RFID-Lesegerät würde von den in Wäschestücken eingewebten Funketiketten Pflegehinweise empfangen. Wäre Kochwäsche zusammen mit Wollpullis in die Trommel geraten, könnte der schlaue Waschautomat das anzeigen, bevor er das Reinigungsprogramm startet. Entdeckt die Maschine ein Kleidungsstück mit dem Vermerk „separat waschen“ zwischen den anderen Textilien, würde sie ebenfalls Alarm schlagen.

Eine besonders skurrile Idee kursiert unter Spielzeugherstellern: Die Puppen im Kinderzimmer könnten sich per Funk miteinander verständigen – und sich etwa über ihre Garderobe austauschen. Merkte Baby Doll, dass Little Barbie ein neues Kleidchen bekommen hat, könnte sich die Puppe bei der Puppenmama beschweren.

Elgar Fleisch, Physiker und Leiter der Instituts für Technologiemanagement der Universität St. Gallen hält nichts von solchen „blödsinnigen“ Ideen. „Das werden auch weiterhin Visionen bleiben“, sagt der RFID-Experte. Dennoch ist Fleisch davon überzeugt, dass die RFID-Technologie in den nächsten Jahren boomen wird – und zwar überall dort, wo sich wirtschaftliche Abläufe durch sie beschleunigen und automatisieren lassen. Dazu zählt Elgar Fleisch vor allem die Warenlogistik.

Auch Autos bieten RFID-Chips ein weites Feld. So entwickeln und testen mehrere Reifenhersteller Chips, die mit einer Funkantenne sowie mit Sensoren verbunden sind. In Autoreifen integriert, sollen sie während der Fahrt diverse Daten wie Profil, Temperatur und Luftdruck der Reifen messen und an ein im Wagen eingebautes Lesegerät senden. Das kann den Fahrer bei abgefahrenen oder unzureichend gefüllten Reifen warnen.

Forscher beim Münchner Halbleiterhersteller Infineon Technologies denken über RFID-Chips nach, die – etwa auf einer Packung Tiefkühlspinat – erkennen können, wenn die Kühlkette bei der Lagerung oder dem Transport eines Lebensmittels unterbrochen wird. „Die Chips werden mit einem Sensor gekoppelt, der kontinuierlich die Temperatur misst und diese Daten in einen Speicher schreibt“, erklärt Frank Gillert, Director Business Development im Bereich Ident Solutions bei Infineon. So ließe sich jederzeit der Temperaturverlauf vollständig nachvollziehen – und erkennen, wenn die Tiefkühlkost zu lange zu warm gelagert wurde.

Eine weitere Idee: Das bargeldlose Bezahlen könnte einfacher werden. So hat Siemens ein RFID-System zum Datenaustausch zwischen Handys und ihrer Umgebung entwickelt. Damit kann man übers Mobiltelefon seine Bahnfahrkarte am Automaten bezahlen – oder versteckte Informationen von Plakaten lesen, in denen RFID-Transponder integriert sind. So lassen sich Web-Adressen oder kurze Videoclips von einem Reklameplakat aufs Handy laden. Eine ähnliche Technologie gibt es von Nokia: eine mit RFID-Chips versehene Hülle für das Handymodell 3220. Die Chips in der so genannten NFC Shell (NFC steht für „Near Field Communication“) können einige Zentimeter weit funken, um Daten zu sammeln oder Geldbeträge von der SIM-Karte des Mobiltelefons abbuchen zu lassen. Noch in diesem Sommer soll es die NFC Shell zu kaufen geben – für rund 200 Euro.

Wer sich gleich selbst zum RFID-Datenträger aufrüsten will, kann sich den VeriChip der US-Firma Applied Digital einpflanzen lassen. Der wurde im November 2004 in den USA als erster implantierbarer RFID-Chip für Menschen zugelassen. Zusammen mit einer Antenne steckt er in einem zylindrischen Glasröhrchen, das kaum größer ist als ein Reiskorn, und wird in den Körper injiziert. Er enthält eine Codenummer, die per Funk ausgelesen werden kann. Das Implantat ist in einen Kunststoff gehüllt, der sich mit dem umgebenden Körpergewebe verbindet, und wird an muskulösen Körperstellen wie dem Bizeps eingesetzt. Weltweit sollen bereits rund 1000 Menschen mit einem Verichip im Körper herumlaufen – zum Beispiel die Stammgäste des Baja Beach Club in Barcelona. Der Chip dient als Mitgliedsausweis und kann zudem ein Guthaben speichern, um damit etwa das Bier an der Strandbar zu bezahlen. Dazu braucht man nur den Oberarm über den Tresen halten. ■

Ralf Butscher

Ohne Titel

Die Einsatzmöglichkeiten von Funketiketten sind fast unbegrenzt. Hier einige Beispiele:

Öffentlicher Nahverkehr

RFID vereinfacht den Ticketkauf: Jeder Fahrgast erhält eine Chipkarte, die sich mit einem Geldbetrag aufladen lässt. Bei einer Fahrt mit Bus oder Bahn wird der Fahrpreis automatisch vom Chip abgebucht.

Zutrittskontrolle

Berechtigten Personen den Zugang zum Firmengelände oder zu sicherheitskritischen Bereichen zu gewähren, ist per RFID einfacher als mit konventionellen Chipkarten. Es genügt, den Transponder in geringer Entfernung an einem Lesegerät vorbei zu führen. In vielen Wintersportorten berechtigen Skipässe mit RFID-Chips zum Benutzen der Skilifte.

Tieridentifikation

RFID-Systeme lassen sich in der Rinder- oder Schafhaltung einsetzen – als Halsband, integriert in die Ohrmarke oder eingebettet in eine Glaskapsel, die in den Körper des Tiers injiziert wird. Per Funk lassen sich die Tiere individuell erfassen, um ihren Lebenslauf lückenlos nachvollziehen zu können.

Produktion

Werkzeuge und Maschinen können mit Funketiketten versehen werden, um Unfallrisiken zu verringern und eine Fehlbedienung auszuschließen. Wird eine vorgeschriebene Reihenfolge bei der Bearbeitung eines Werkstücks nicht eingehalten, schlägt der Chip Alarm oder blockiert das Werkzeug.

Krankenhaus

Im Klinikum Saarbrücken wird RFID in einem Pilotversuch getestet. Rund 200 Patienten erhielten ein Armband mit eingebautem Transponder, auf dem ihre Patientennummer gespeichert war. Der Arzt kann so bei der Visite per PDA die komplette Krankengeschichte des Patienten einsehen.

Reisepässe

Durch Speichern von biometrischen Daten wie einen Fingerabdruck oder ein Bild der Iris in einem RFID-Chip sollen Ausweise und Pässe künftig vor Fälschungen geschützt werden.

Medikamente

Das Kennzeichnen von Medikamentenverpackungen per Funketikett soll verhindern, dass billige – und oft wirkungslose – Plagiate von Arzneimitteln in den Handel gelangen.

Flugverkehr

Verschiedene Flughäfen, darunter auch der in Frankfurt am Main, testen derzeit den Einsatz der RFID-Technologie, um das Gepäck an den Transportbändern zu verfolgen.

Ohne Titel

Das Kürzel RFID steht für „Radio Frequency Identification“ – und damit für eine Technologie, die es erlaubt, Objekte, Tiere oder Menschen so zu kennzeichnen, dass sie per Funk identifiziert werden können. Ein RFID-System besteht aus einem Transponder – ein Kunstwort aus den englischen Begriffen „transmit“ (übertragen) und „respond“ (antworten) –, einem Lesegerät und einer daran angeschlossenen Datenbank.

Der Transponder – auch als Smartchip, Funketikett oder Tag bezeichnet – fungiert als Datenträger. Er enthält einen Mikroprozessor-Chip samt Speicher, auf dem sich Informationen über das gekennzeichnete Objekt befinden, und um den sich eine Antenne windet. Der Chip ist kaum größer als der Kopf einer Stecknadel. Er und die Funkantenne sind entweder in ein Glasröhrchen eingeschlossen oder in einen selbstklebenden Plastikstreifen eingebettet, mit dem sich der Transponder an einer Ware oder einem Behälter anbringen lässt. Die auf dem Transponder gespeicherten Daten umfassen eine Identifikationsnummer sowie beliebige zusätzliche Informationen – etwa über die Art des markierten Produkts, den Hersteller, den Preis oder das Haltbarkeitsdatum. Je nach Anwendung lassen sich bis zu mehrere Kilobit an Daten auf dem Funketikett speichern.

Zum Auslesen sendet das Lesegerät ein elektromagnetisches Signal aus, das die Antenne des Funkchips empfängt. Der Transponder prüft, ob er wirklich von dem Lesegerät angesprochen wird, checkt zudem, ob dieses ein Recht besitzt, seine gespeicherten Informationen zu erfahren – und gibt die Daten in diesem Fall preis. Dazu werden die empfangenen Funkwellen reflektiert und auf bestimmte Weise moduliert. Die Form der Modulation verrät dem Lesegerät die übertragenen Informationen. Anders als bei einem herkömmlichen Barcode ist zum Erfassen der Daten kein Sichtkontakt zwischen Etikett und Lesegerät erforderlich. Zudem lassen sich mehrere Dutzend bis zu einige Hundert Funketiketten gleichzeitig auslesen.

Die erfassten Daten können mit den Informationen in einer Datenbank – etwa einem Warenwirtschaftssystem – verglichen und dort weiterverarbeitet werden. RFID-Chips, die über einen wiederbeschreibbaren Speicher verfügen, lassen sich per Funk nicht nur auslesen, sondern ihre Daten können auch verändert, ergänzt oder gelöscht werden. Manche Chips sind in der Lage, die Daten vor der Übertragung zu verschlüsseln.

Zur Kennzeichnung von Waren oder Containern dienen passive Transponder. Sie haben keine eigene Stromversorgung, sondern beziehen die zur Datenübertragung nötige Energie per Induktion aus den vom Lesegerät ausgesandten Funkwellen. Die Reichweite für das Auslesen der Informationen beträgt bei passiven Systemen je nach Größe der Antenne und Sendeleistung des Lesegeräts maximal einige Meter, mitunter nur ein paar Zentimeter. Aktive Systeme dagegen können Daten mehrere Dutzend Meter weit übermitteln. Bei ihnen steckt im Transponder eine Batterie, die ihn mit Strom versorgt und es ihm ermöglicht, selbst Signale auszusenden. Solche Transponder sind in Funkschlüsseln zum Öffnen von Autotüren enthalten.

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Viele Handelsfirmen warten auf RFID-Chips, die so billig sind, dass es sich lohnt, mit ihnen auch preisgünstige Produkte auszuzeichnen. Wal Mart gab einen Preis von 5 Cent pro Funketikett als Limit aus. Doch derzeit ist das unrealistisch. Pro RFID-Etikett sind 40 bis 50 Cent zu berappen. Frank Gillert von Infineon Technologies rechnet zwar damit, dass die Preise bis 2009 auf 10 bis 15 Cent fallen werden – er glaubt aber nicht, dass sich 5 Cent pro Stück so schnell erreichen lassen. Auch mit der Einführung eines Elektronischen Produktcodes (EPC) wird das nicht gelingen. Dieser Nummerncode auf dem Transponder kennzeichnet eindeutig den damit versehenen Artikel. Er verweist auf einen Eintrag in einer Datenbank, wo Informationen zu dem Artikel lagern. Dadurch genügt es, auf dem RFID-Chip nur einen kleinen Speicher anzubringen. Das macht den Chip selbst billiger. Doch für die zentrale Datenverwaltung ist eine aufwendige Infrastruktur nötig, was die Kosten wieder erhöht.

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