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Es muss ein furchtbares Gemetzel

Allgemein

Es muss ein furchtbares Gemetzel

Es muss ein furchtbares Gemetzel gewesen sein, das sich 4950 v.Chr. im niederösterreichischen Asparn an der Zaya abspielte. Mit Hämmern und Äxten fielen die Angreifer über die Dorfbewohner her, erschlugen Männer und Kinder und verschleppten die Frauen. 200 Skelette – alle von Bewohnern der Siedlung – haben Archäologen entdeckt und mit der C14-Analyse datiert. Wer waren diese Leute, die ein so jähes Ende fanden? Und wer hat sie umgebracht?

Die erste Frage ist schnell beantwortet: Bei den Opfern handelte es sich um Bauern der Linearbandkeramik, die Niederösterreich zu Beginn der Jungsteinzeit besiedelt hatten. Die Täter indes sind nicht zu fassen. Es könnten Angreifer von auswärts gewesen sein, die das Land zu erobern versuchten. Möglicherweise hatten aber auch benachbarte verfeindete Clans das Dorf überfallen.

Sicher ist: Asparn war kein Einzelfall. In weiten Teilen Niederösterreichs gab es Unruhen. Um 5000 v.Chr. hatten viele Dorfgemeinschaften begonnen, breite Schutzgräben um ihre Siedlungen zu ziehen. Aufhalten konnten sie den Niedergang nicht, viele Dörfer wurden verlassen – niemand weiß, warum. Aus den folgenden 100 Jahren kennt man in Niederösterreich nur wenige Siedlungen der so genannten Stichbandkeramiker, den Nachfahren der Linearbandkeramiker.

Erst um 4850 v.Chr. keimte wieder Leben auf. In Asparn an der Zaya wurde, wenige Kilometer vom Massengrab entfernt, ein neues Dorf errichtet. Anders als ihre Vorgänger begnügten die Neusiedler sich nicht mit Weilern, sondern legten stattliche – bis zu 20 Hektar große – Ortschaften an. In deren Zentrum machten mächtige Kreisgrabenanlagen auf das neue Zeitalter in Niederösterreich aufmerksam.

Es war die Ära der Bemaltkeramiker. Sie stammten aus Ungarn. Nach einem Fundort im Komitat Tolna, der Lengyel-Schanze, spricht man von der Lengyel-Kultur. Die Bemaltkeramiker verzierten ihr Geschirr nicht mit Linien oder Punkten, sondern bemalten es mit Erdfarben.

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Wie die neue Keramik-Mode nach Niederösterreich kam, darüber streiten die Gelehrten. Der Archäologe Gerhard Trnka, Professor für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Wien, setzt auf einen Ideentransfer aus Westungarn. Sein Kollege Wolfgang Neubauer vom Interdisziplinären Forschungsinstitut für Archäologie der Universität Wien glaubt an eine Einwanderung der Bemaltkeramiker selbst. „Vielleicht trieben politische Machtkämpfe, religiöse Unruhen oder wirtschaftliche Stagnation sie aus Ungarn gen Westen“, vermutet er.

Auf welche Weise auch immer die Lengyel-Kultur ihren Siegeszug antrat: Die Bemaltkeramiker verbreiteten sich rasch in Böhmen und Mähren, im Südwesten der Slowakei und in Österreich. Keramikfunde belegen ihre Kontakte und Handelsbeziehungen mit den Stichbandkeramikern in Niederbayern.

Die Häuser der Bemaltkeramiker waren mit durchschnittlich 8 Meter Breite und 20 Meter Länge für Steinzeitverhältnisse eher bescheiden. Doch die Ausstattung konnte sich sehen lassen. Eine Feuerstelle diente als Herd, in einer Lehmkuppel wurde Brot gebacken. Das Getreide lagerte in raffinierten Speichergruben: Sie wurden luftdicht abgedeckt, der Stoffwechsel der Körner verbrauchte den Sauerstoff. Dadurch reicherte sich Kohlendioxid an. Dieser Hexenkessel tötete Mikroorganismen und verhinderte das Eindringen von Schädlingen.

Auf ihren Feldern bauten die Bemaltkeramiker Einkorn und Emmer, Zwergweizen und Roggen an. Erbsen und Linsen dienten als Eiweißlieferanten, Haselnüsse waren reich an Fett. Im Herbst sorgten Hagebutten und Holunder für Vitamin C. Rund 95 Prozent des Fleischbedarfs deckten hauseigene Rinder. Daneben wurden Schweine, Schafe und Ziegen gehalten. Für kulinarische Abwechslung sorgte Wildbret: Rehe und Rothirsche, Wildschweine und Hasen.

Um 4500 v.Chr. wurden die aufwendigen Kreisgrabenanlagen aufgegeben. Rund 200 Jahre später war auch die einheitliche Kulturepoche der Bemaltkeramiker in Niederösterreich vorbei.

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