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Teilchen mit Extrakleber

Allgemein

Teilchen mit Extrakleber
Experimentalphysiker haben exotische Teilchen gefunden, die sich kaum mit herkömmlichen Theorien vereinbaren lassen.

Die Jagd nach exotischen Teilchen hält die Hochenergiephysiker seit den fünfziger Jahren auf Trab. Immer wieder spüren sie neue Teilchen auf, die nur für winzige Sekundenbruchteile in ihren Apparaturen existieren. So exotisch die scheuen Partikel auch sind – sie alle haben eines gemeinsam: Keines widerspricht dem Bauplan des Quarkmodells.

Dieses besagt, daß es nur Gespanne aus zwei oder drei Quarks oder Antimaterie-Quarks geben darf. Jetzt haben gleich zwei Forschergruppen auf einer Kernphysiker-Tagung auf Long Island, New York, ein Teilchen präsentiert, das außer einem Quark- Antiquark-Paar noch aus anderen Bausteinen besteht und deshalb die Grenzen des Modells sprengt.

Physiker am Brookhaven National Laboratory, USA, und am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf haben es mit völlig verschiedenen Methoden gefunden. „Die Quantenzahlen des neuen Teilchens sind bei gewöhnlichen Partikeln aus Quarks und Antiquarks prinzipiell unmöglich“, stellen Suh-Urk Chung aus Brookhaven und Wolfgang Dünnweber vom CERN übereinstimmend fest.

Ganz unerwartet kommt die Entdeckung nicht: Bereits vor zehn Jahren hatten russische Physiker die Existenz des Teilchens proklamiert. Wegen schlechter Statistik und zu grober Auswerteverfahren wurden die Ergebnisse jedoch vielfach angezweifelt. Das neue Experiment in Brookhaven ist eine verfeinerte Reproduktion: Es zeigt, daß sein Vorläufer doch nicht daneben lag.

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Einen Hinweis auf die Zusammensetzung des neuen, schrägen Vogels im Teilchenzoo liefert die Theorie der „Starken Wechselwirkung“: Sie beschreibt neben den Quarks auch die Gluonen. Diese Klebeteilchen übertragen die Kräfte zwischen den Quarks und sorgen für den starken Zusammenhalt der Atomkerne.

Anschaulich kann man sich das Gluon als eine zwischen den Quarks gespannte Saite vorstellen. Wenn diese Saite schwingt, bilden sich neue Formen von Materie, zum Beispiel Trios aus Quark, Antiquark und Gluon. Das jetzt gefundene Teilchen scheint ein solches Trio zu sein.

Manche Theoretiker haben jedoch eine weit weniger spektakuläre Erklärung für seine Eigenschaften: Danach soll es aus einem Quartett von je zwei Quarks und Antiquarks bestehen.

Nach der Theorie der Starken Wechselwirkung muß es noch ein weiteres exotisches Teilchen geben, nach dem die Physiker gespannt suchen: den Glueball, eine Kugel allein aus Gluonen. Seine Existenz würde beweisen, daß die Klebeteilchen sich gegenseitig anziehen.

Das neue, exotische Teilchen spürten zwei Forschergruppen unabhängig voneinander auf: Eine davon benutzte diesen Detektor am Europäischen Kernforschungszentrum CERN.

Die Experimentalphysiker haben bereits mehrere Kandidaten präsentiert, von denen aber keiner die Theoretiker völlig zufriedenstellt. Am nächsten kommt ihren Wünschen ein vor drei Jahren ebenfalls am CERN gefundenes Teilchen.

Ob es wirklich der begehrte Glueball ist, bleibt trotz inzwischen sehr genauer Messungen strittig, resümierte Eberhard Klempt von der Universität Bonn auf der amerikanischen Konferenz.

Hauptproblem ist, daß die Theoretiker keine genauen Zahlen für die Teilchenmassen vorlegen können. Das Kräftespiel zwischen den Gluonen glauben sie zwar im Prinzip verstanden zu haben, es ist aber so kompliziert, daß die Modellrechnungen auf den schnellsten Computern mehrere Monate brauchen.

Möglicherweise müssen die Physiker auf die nächste Rechnergeneration warten, bis die theoretischen Werte die Genauigkeit der Experimente erreicht haben. In diesen Wochen wird in New York ein Supercomputer mit einem Teraflop Rechenleistung (einer Billion Rechenoperationen pro Sekunde) in Betrieb genommen, der sich ausschließlich mit der Berechnung von Gluebällen und Quarkgebilden beschäftigen wird.

Bislang jedenfalls kann die Theorie, wie Frank Close vom britischen Rutherford Appleton Laboratory spottet, exotische Teilchen besser bestätigen als vorhersagen

Dörte Otten

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