Florian Holsboer ist seit 20 Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. Holsboer studierte Chemie, promovierte summa cum laude und stand kurz vor einer vielversprechenden wissenschaftlichen Karriere. Dann sattelte er um auf Medizin – und gelangte in die psychiatrische Forschung. Hier wirkte er kräftig mit am Paradigmenwechsel – weg von tiefenpsychologischer Ursachenforschung hin zu den biologischen Grundlagen von Krankheit und Therapie.
Aus seinem Leben und seiner Forschung ist ein informatives und unterhaltsames Buch entstanden. Holsboer erzählt von seinem Werdegang: aufgewachsen in einem Schwabinger Künstlerhaushalt, mäßiger Schüler, Schulfreund von Rainer Werner Fassbinder, Studentenbewegung, „Swinging Sixties“ in London. Auch so können sich außergewöhnliche Wissenschaftler entwickeln.
Holsboers Forschung nach dem Ansatz „Gefühle sind letztlich molekularbiologische Veränderungen in den Nervenzellen“ machte ihn zum meist zitierten Naturwissenschaftler Deutschlands. Seit 20 Jahren erforscht er Depressionen. Den Lesern erklärt er verständlich, wie sie entstehen, welche Symptome und Ursachen sie haben und wie man sie behandeln kann. Ausführlich erläutert er seine Vision einer zukünftigen Medizin: Statt um Reparatur geht es dabei um Prävention, wobei der Mensch als Individuum erfasst wird.
Depressionen aber werden nicht verschwinden. Denn die Stressfaktoren nehmen zu: widersprüchliche und pessimistische Zukunftsszenarien fördern Ängste und „unbestimmte Sorgen“ vor dem, was kommt. Gegen Ende des Buches wird Holboer damit gesellschaftskritisch. Auch das ist lesenswert. Heinz Horeis
Florian Holsboer BIOLOGIE FÜR DIE SEELE C.H. Beck, München 2009, 304 S., € 19,90 ISBN 978–3–406–58360–5