WENN ES IM BÜRO ODER LABOR so richtig stressig zugeht, glauben viele Mitarbeiter, dass sie vor Ideen nur so sprühen. Doch das Gefühl der Inspiration täuscht. Das hat die Sozialpsychologin Teresa Amabile von der renommierten Harvard Business School nachgewiesen. Die Studie trägt den schönen Titel „Creativity Under the Gun“ („Kreativ sein mit der Pistole auf der Brust“ ).
Teresa Amabile untersuchte 177 Angestellte, die bei sieben amerikanischen Firmen arbeiteten, wobei die Branchen von Computertechnik bis zur Chemie reichten. Fast alle waren „ Wissensarbeiter“, die meisten hatten studiert. Für die Dauer eines Firmenprojekts sollten sie täglich online einen Fragebogen ausfüllen und darin den zurückliegenden Arbeitstag beschreiben. Obwohl einige Projekte länger als ein halbes Jahr dauerten, wurden über 75 Prozent der Fragebögen getreulich beantwortet. Das ergab einen Datenschatz von 9134 Antworten.
Wie die Auswertung zeigte, hielten sich die Teilnehmer an stressigen Tagen für kreativer. „Bedauerlicherweise straften die Tagebücher diese Selbsteinschätzung Lügen“, resümiert Teresa Amabile. Denn die Gehetzten hatten tatsächlich weniger neue Ideen und Einsichten notiert. An Tagen mit der höchsten Stress-Stufe ging die Kreativität um 45 Prozent zurück. Diese Blockade hielt auch am nächsten und übernächsten Tag an. „Zeitdruck scheint einen Kater zu verursachen“, kommentiert die Professorin für Business Administration.
Vor allem ständige Unterbrechungen schaden. „Tretmühlen-Tage, die mit Besprechungen gefüllt sind, töten tendenziell die Kreativität“, so die Studie. Das Telefon stört ebenfalls. Ein Programmierer steckte „gerade knietief in Einsen und Nullen“, als er drei Anrufe hintereinander bekam. „Ich hätte den verdammten Apparat quer durch den Raum werfen können.“
Nur manchmal erwiesen sich die Mitarbeiter auch an Tagen mit hohem Zeitdruck als kreativ. Die Forscher prüften, was an diesen Tagen besonders war. Wie sich herausstellte, konnten sich die Angestellten trotz zeitlichen Drucks ungestört ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren.
Das war allerdings ein seltener Luxus. Deshalb gilt: „Wenn man der Kreativität die Pistole auf die Brust setzt, überlebt sie das gewöhnlich nicht“, so Teresa Amabile. Mit Ideen zu jonglieren, dauere eben. In den legendären Bell Labs des US- Telefonriesen AT&T seien Innovationen wie der Transistor entstanden, weil dort die Firmenphilosophie galt, „dass große Ideen Zeit brauchen“ .