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Wohin schwebt der Transrapid?

Allgemein

Wohin schwebt der Transrapid?
Noch keine Kostenrechnung für die geplante Transrapidstrecke Hamburg-Berlin hielt einer exakten Überprüfung stand. Für den Karlsruher Verkehrsökonomen Prof. Werner Rothengatter ist das ganze Projekt ohnehin ein Überbleibsel von nationalem Prestigedenken.

Die in Deutschland entwickelte Magnetschwebetechnik ist eine technische Innovation ersten Ranges: Spurtreue, Antrieb und Stromabnahme werden durch ein integriertes System im Fahrweg elektronisch gesteuert. Geschwindigkeiten von mehr als 400 Kilometer pro Stunde können problemlos erreicht werden. Vor diesem Hintergrund tun sich Entwickler und Promoter des Transrapid schwer damit, wenn Verkehrsökonomen nicht in ihre Euphorie einstimmen. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Die in der Startphase der Entwicklung – also vor Jahrzehnten – angenommene Geschwindigkeitslücke zwischen Bahn und Flugzeug ist durch die Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn sowie die Ausbreitung regionaler Flugverbindungen viel kleiner geworden. Auch die Wirtschaftlichkeitsrechnungen deuten heute nicht mehr auf eine drastische Verringerung der Transportpreise durch die Magnetbahn hin. Selbst hinsichtlich des Energieverbrauchs und der Umweltfreundlichkeit gibt es Zweifel an der Fortschrittlichkeit des Magnetbahnsystems. Das Umweltbundesamt hat sich daher eindeutig gegen dessen Realisierung gewandt. Dennoch haben sich die Politiker im Frühjahr 1994 für eine Referenzstrecke zwischen Hamburg und Berlin entschieden. Ausschlaggebend war das Argument, daß die derzeit einzige exportfähige Großtechnologie, die in Deutschland unter Einsatz von 2,5 Milliarden Mark an Steuergeldern entwickelt wurde, sonst ungenutzt bliebe. Zudem versprachen Industrie und Banken ein innovatives Finanzierungskonzept, um die öffentlichen Kassen zu schonen und die Exportchancen weiter zu verbessern. Dieses sah vor, daß die Kosten des Betriebskapitals (3,3 Milliarden Mark) privat und der Fahrweg knapp zur Hälfte aus Nutzungsentgelten finanziert werden sollten. Der Rest an Fahrwegkosten von insgesamt errechneten 5,6 Milliarden Mark sollten der öffentlichen Hand zur Last fallen.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr sah darin eine unseriöse Rechnung, weil alle über das Betriebskapital hinausgehenden Risiken voll auf den Bund zurückgefallen wären. Diese Risiken wurden angesichts offensichtlicher Überschätzungen der Verkehrsnachfrage (14 Millionen Passagiere im Jahr 2010) und Unterschätzungen der Investitionskosten als untragbar eingestuft. Nun wurden die Fahrgastzahlen bis auf 11,4 Millionen reduziert und damit auch die Erlöserwartungen. Parallel erhöhten sich die Kostenschätzungen für das Betriebskapital auf 3,7 und für den Fahrweg auf 6,1 Milliarden Mark. Im Frühjahr 1997 wurden deshalb das Finanzierungs- und Managementkonzept völlig geändert: Die Deutsche Bahn AG sollte als Betreiber feste Nutzungsentgelte für das Betriebskapital abführen. Der Bund erklärte sich bereit, den Fahrweg voll zu finanzieren. Auch dieses Finanzierungskonzept geriet in Schieflage. Neue Rechnungen wurden angestellt. Dabei kam ein Aspekt zutage, der 1994 in der ersten Euphorie übersehen worden war: Die prognostizierten Verkehrszuwächse auf der Transrapidstrecke Hamburg-Berlin stammen zu 60 Prozent aus verlagertem Bahnverkehr, aber nur zu 40 Prozent aus Verlagerungen von Straße und Luft. Selbst wenn man optimistische Fahrgastprognosen zugrunde legt, ergibt sich ein insgesamt negatives Wirtschaftsergebnis für die DB. Neue Fahrgastprognosen der Deutschen Bahn bestärken die Skepsis: Nur 6,3 Millionen Passagiere werden demnach die Magnetbahn pro Jahr benutzen. Die Erlöse reichen bei weitem nicht, um das von der Industrie erwartete Nutzungsentgelt sowie die Betriebskosten zu decken. Überdies zeigten Überprüfungen durch das Eisenbahnbundesamt, daß auch die Fahrwegkosten um zwei bis drei Milliarden Mark zu niedrig angesetzt waren. Damit ist das Finanzierungskonzept von 1997 endgültig gescheitert. Die vom Bund und der Deutschen Bahn angeregten Prüfungen weiterer Finanzierungen haben zu der ernüchternden Erkenntnis geführt, daß nur zwei Wege möglich sind, das Projekt zu retten. Entweder steckt der Bund seine Beteiligung auf oder das Projekt wird auf eine „Schmalspur-Lösung“ reduziert. Ex-Verkehrsminister Franz Müntefering (SPD) hat sich im September dafür ausgesprochen, den Transrapid einbahnig mit Passierstellen zu bauen. Ob man dadurch die Exportchancen verbessern kann, steht in Frage. Solange die Fahrwegkonstruktion so aufwendig bleibt, ist eine breite Umsetzung der Magnetbahntechnik wirtschaftlich unsinnig. Dies gilt auch für die japanische Magnetbahn, die einen noch höheren Aufwand verlangt als der Transrapid. Es wäre an der Zeit, nationales und großindustrielles Prestigedenken zu überwinden und Verkehrssysteme anzubieten, mit denen die Menschen ihren Mobilitätsbedarf energiesparend, umweltfreundlich, sicher und kostengünstig realisieren können.

Werner Rothengatter

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