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Ruhig Blut, der Doktor klebt’s

Allgemein

Ruhig Blut, der Doktor klebt’s
Aus den Labors der US-Army kommen neuartige Pflaster. Sie stoppen blitzschnell lebensgefährliche Blutverluste – bald auch bei Zivilisten.

Puder, Schaum und Pflaster sollen bald zum Standardgepäck der US-Army gehören. Neu ausgestattet werden jedoch nicht die Kulturbeutel der Soldaten, sondern ihre Verbandstaschen. Zusammen mit dem amerikanischen Roten Kreuz entwickelt das Militär Blutstiller, die selbst klaffende Gefäßwunden sekundenschnell abdichten. „Das haben wir der Natur abgeguckt“, beschreibt Dr. Martin MacPhee vom Forschungsinstitut des Roten Kreuzes in Rockville (Maryland) die Wirkungsweise der neuen Lebensretter: Im Blut zirkulieren die beiden Eiweiße Prothrombin und Fibrinogen. Bei einer Verletzung bilden sie Fibrin, einen natürlichen Wundkleber. Fibrin heftet sich an die Zellen von verletztem Gewebe und verbindet sich mit anderen Fibrin-Molekülen zu einem netzartigen Verband, der immer dichter wird und eine kaputte Gefäßwand allmählich verschließt. Es gibt zwar schon Flüssigpflaster, die nach dem gleichen Prinzip wirken. Für die Versorgung großer Wunden taugen sie jedoch nicht, da sie vom Blutstrom zu schnell ausgewaschen werden. Vor sechs Jahren kam MacPhee auf die Idee, die Reaktionspartner Fibrinogen und Thrombin in festes Material einzuarbeiten. Als er erfuhr, daß Forscher am benachbarten Army Institute of Research an einem ähnlichen Konzept arbeiteten, sorgte er dafür, daß sie ihr Wissen zusammenwarfen. Nun steht ihr Produkt kurz vor der Markteinführung. Styroporähnliche, zehn mal zehn Zentimeter große Bandagen enthalten die gefriergetrockneten Komponenten bis zu 50fach höher konzentriert als im menschlichen Blut. Kommt das Pflaster mit einer feuchten Wunde in Berührung, werden die beiden Stoffe aktiviert, und es entsteht blitzschnell ein dichtender Schorf.

„Verletzte Arterien, aus denen das Blut bis an die Decke des OP-Saals spritzt, können binnen Sekunden mit den Bandagen geflickt werden“, beschreibt es drastisch Colonel John Hess, Chirurg und Leiter des Projektes bei der US-Army. Auch Leberrisse kann das patente Pflaster kleben. Hess: „Bisher sterben 70 bis 90 Prozent dieser Patienten am Blutverlust.“ Zwei oder drei Fibrin-Pflaster können eine gerissene Leber innerhalb von wenigen Minuten abdichten. Ein weiteres Plus: Die Bandagen bestehen aus zuckerähnlichen Makromolekülen, die sich im Körper von selbst auflösen. Sie bleiben auf der Wunde und werden innerhalb von einer bis drei Wochen biologisch abgebaut. In wenigen Monaten müssen sich die Pflaster zum ersten Mal an Menschen bewähren – bei Prostata- und Milz-Operationen. „Hierbei ist der Blutverlust oft so groß, daß Transfusionen nötig sind“, sagt Hess. Das Pflaster soll sie überflüssig machen. Sobald es den Segen der Army hat, steht auch der zivilen Anwendung nichts mehr im Wege. Ein Hersteller ist schon gefunden, und spätestens im Jahre 2003 soll jeder Sanitäter, Feuerwehrmann und Polizist die Pflaster zur Hand haben. Sechs Liter Blut hat ein erwachsener Mensch. Verliert er mehr als die Hälfte, stirbt er. Das neue Pflaster dichtet aber sekundenschnell. Doch bis dahin muß noch viel Blut fließen: Für die Pflaster sind große Mengen an Thrombin und Fibrinogen erforderlich, die bislang aus gespendetem Blutplasma stammen. Das Rote Kreuz bemüht sich daher um alternative Spender: Die Wissenschaftler züchten gentechnisch veränderte Kühe, die die Ausgangsstoffe nicht nur in ihrem Blut, sondern auch in ihrer Milch bilden. Dann kann man die Spender einfach melken.

Fibrin

Die beiden Eiweiße Prothrombin und Fibrinogen spielen die Hauptrollen bei der Blutgerinnung. Sobald Blutgefäße verletzt sind, bildet der Körper das Enzym Thrombokinase. Das aktiviert Prothrombin zu Thrombin. Es verwandelt das im Blut vorhandene Protein Fibrinogen in Fibrin. Fibrin bildet ein zähes Maschennetz, das sich um die Wunde legt, auslaufende Blutzellen festhält und zu Schorf verklebt.

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Flüssigpflaster

Bei diesen Medizinprodukten auf Fibrinogen-/Thrombin-Basis sind die Wirkstoffe entweder in Wasser oder in Alkohol gelöst. Sie wurden vom amerikanischen Roten Kreuz entwickelt und helfen seit den vierziger Jahren bei der operativen Wundversorgung. Als Spray kitten sie auch kleinere Wunden.

Army Institute of Research

Die Forschungszentren der Armee gehören zu den erfolgreichsten medizinischen Instituten in den USA. Rund 1600 Elitewissenschaftler arbeiten dort unter anderem an der Entwicklung neuer Blutprodukte, Medikamente und Impfstoffe.

Désirée Karge

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