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Der Streit ums große G

Allgemein

Der Streit ums große G
Wie groß ist die Gravitationskonstante? Je genauer die Physiker messen, um so mehr steht fest: Die Konstante hält die Fachleute zum Narren.

Unter den Zahlen, die im Universum von Natur aus vorgegeben sind, befindet sich ein schwarzes Schaf. Ausgerechnet die älteste bekannte Naturkonstante, Isaac Newtons Gravitationskonstante G, macht den Physikern zu schaffen: Messungen in aller Welt liefern widersprüchliche Ergebnisse. Während man die Ladung des Elektrons auf sieben Dezimalstellen genau kennt, scheiden sich bei G die Geister schon nach der zweiten Dezimalstelle. Der Grund: Die Gravitationskraft ist eine sehr schwache Kraft. Bei der Messung schleichen sich schnell Störeffekte ein. So darf ein Wissenschaftler, der G messen will, nicht neben seiner Meßapparatur stehen, weil er durch seine Körpermasse das Ergebnis verändern würde. In Kalifornien lieferte vor einigen Jahren eine Meßreihe wochenlang immer am Morgen falsche Daten. Erst nach einiger Zeit fiel einem Studenten auf, daß in der Nähe des Labors morgens früh ein Rasensprenger eingeschaltet wurde. Das Wasser, das in den Boden sickerte, verfälschte durch seine Masse die Messung. Eine Handvoll Präzisionsfanatiker begeistern sich für diese Sisyphusarbeit, mit der Henry Cavendish vor 200 Jahren begann: Er befestigte einen Faden in der Mitte einer Hantel und hängte sie wie einen Weihnachtsbaumschmuck auf. Daneben deponierte er große Gewichte, die die Hantel durch ihre Gewichtskraft leicht verdrehten.

1982 wiederholten die Amerikaner Gabe Luther und William Towler diesen Versuch mit großer Genauigkeit. Eine internationale Kommission legte daraufhin den Wert für G entsprechend fest – zu früh, wie man heute weiß: Der Metallfaden, den die beiden verwendeten, hatte im Laufe der Messung seine Kristallstruktur um eine Winzigkeit verändert. 1994 versuchte sich dann die Physikalisch Technische Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) an der Gravitationskonstanten – mit einem besonders teuren, technisch raffinierten Experiment. Das Ergebnis war ein Wert für G, der wesentlich größer war als alle anderen. Eine neuseeländische Gruppe landete daraufhin ebenfalls weit entfernt von den bisherigen Messungen – nur in der anderen Richtung: Ihr Wert war viel kleiner als die bisherigen. 1997 begeisterte eine Gruppe aus Colorado die Fachwelt mit neuen Präzisionsmessungen – doch als man ein Jahr später versuchte, das Experiment zu wiederholen, wurden die Ergebnisse ungenauer. Aber es gibt Hoffnung: Die Neuseeländer haben kürzlich festgestellt, daß sie bei der Auswertung ihres Versuchs einen Rechenfehler gemacht haben. Ihr korrigiertes Ergebnis liegt nun in der Nähe der meisten anderen Resultate. Es bestätigt damit unter anderem Prof. Hinrich Meyer von der Universität Wuppertal, dessen Experiment sich durch besonders große Genauigkeit und Reproduzierbarkeit auszeichnet. Meyer arbeitet mit zwei aufgehängten Spiegeln, zwischen denen Mikrowellen hin und herlaufen. Die Spiegel werden von 576-Kilo-Gewichten angezogen, ihre Positionsveränderung wird mit Hilfe der Mikrowellen registriert. Vorläufiges Ergebnis: G=6,6735 . 10-11. Das Resultat der PTB ist davon aber nach wie vor weit entfernt. Auf die jahrelange Beunruhigung über diesen Widerspruch folgt nun Pragmatismus: „Da muß in Braunschweig ein schlimmer Fehler passiert sein, den wir einfach nicht finden“, sagt Meyer. „Das beste wird sein, wir lassen diesen Wert einfach weg.“

Jan Lublinski

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