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Helden heute – gibt es die?

Allgemein

Helden heute – gibt es die?
Reiner Korbmann über Vorbilder und unsere Probleme, mit ihnen umzugehen

Es war kein Abend der Wissenschaft, sondern eine Buchvorstellung. Der kleine alte Mann sprach mit der weichen Sprache eines Diplomaten und Literaten. Er erzählte von furchtbaren Zeiten vor 60 Jahren, als im Winter 1937/38 die japanische Armee die chinesische Hauptstadt Nanking eingenommen hatte, Besatzer- Soldaten marodierend und mordend durch die Straßen zogen. Er beschrieb einen deutschen Geschäftsmann, der sich unter Einsatz seines Lebens für die Sicherheit von 250000 zurückgebliebenen Chinesen einsetzte, die Lebensmittelversorgung organisierte und seine Hakenkreuz-Armbinde nutzte, um Menschen vor der gnadenlosen Soldateska zu retten.

Der Autor Erwin Wickert berichtete von John Rabe, einem fast unbekannten Wohltäter, den die Chinesen noch heute den „Lebenden Buddha“ nennen und ihm ein Denkmal in einem Park Nankings gesetzt haben. Amerikanische Journalisten gaben dem Deutschen jetzt nach Veröffentlichung seiner Tagebücher den Beinamen „Chinas Oskar Schindler“. In seiner Heimat erntete Rabe dagegen nur Undank – auch nach dem Krieg. Erwin Wickerts ernüchternde Bilanz: „John Rabe war zweifellos ein Held, aber wir haben in Deutschland große Probleme, mit Helden umzugehen.“

Ein großes Thema, eine tiefgehende Frage, die weit in unsere historischen Erfahrungen, in unsere Mentalität und in den geistigen Wandel unserer Kultur hineinreicht. Aber was hat sie mit Wissenschaft zu tun?

Mir scheint, die Feststellung Erwin Wickerts gibt Antworten auf viele Fragen, denen sich auch die Forschung heute stellen muß. Gibt es bei uns tatsächlich zu wenig Spitzenforschung? Oder nehmen wir sie nur nicht wahr, weil wir hinter jeder herausragenden Leistung sofort Gleichwertiges anderswo, vielleicht sogar den Schimmer eines Zweifels vermuten? Sind wir so ignorant gegenüber Stiftungen, Preisen und Ehrungen von Wissenschaftlern, weil wir sonst gezwungen wären, uns mit den Menschen, die dies verdient haben, direkt auseinanderzusetzen, mit den Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten? Gibt uns der Zweifel, ob nicht Ehrgeiz, Profitstreben oder andere profane Motive sie getrieben haben, vielleicht nur eine willkommene Begründung, daß hinter herausragenden Leistungen doch nur die gleiche Mittelmäßigkeit steht, in der wir uns selbst bewegen?

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Wer aber sind Helden wirklich? Sind sie Heilige mit übermenschlicher Ethik? Oder genügt die herausragende heroische Tat, das Durchsetzen des Richtigen gegen Widerstände, das Motivierende, Beispielgebende? Sicher, angesichts der deutschen Geschichte ist es gut, daß wir vorsichtig mit dem Titel „Held“ umgehen. Doch müssen wir deswegen ignorant an den herausragenden Taten unserer Zeit vorbeigehen?

Das gilt auch für die Heldentaten der Wissenschaft. Wir müssen die großen Forscher ja nicht Helden nennen, aber wir können von den Ideen, der Hartnäckigkeit und dem Vorbild der Männer und Frauen profitieren. Wieviel Mut, Ausdauer, Kreativität und Entschlossenheit stekken hinter manchen Forschungsergebnissen. In fernen Ländern würdigen wir leicht herausragende Taten. Nur zu Hause tun wir uns schwer. Wer kennt denn zum Beispiel auch nur die Namen aller 13 lebenden deutschen Nobelpreisträger?

Helden gibt es keineswegs nur in Kampf und Krieg. Ein paar Vorbilder für ungewöhnliche Leistungen würden uns gut tun und sei es nur, um nicht in Pessimismus ob der vielen Durchschnittlichkeit zu verfallen.

Reiner Korbmann

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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