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Alexandria am Potomac

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Alexandria am Potomac
Kongreß-Bücherei: Vorstoß ins Informationszeitalter

Die Eingangshalle könnte in einem der Prunkschlösser Europas sein: Säulen, Bögen und Balustraden aus bestem Marmor, opulente Verzierungen und Gemälde. Doch kein Monarch weilte hier, sondern das Volk – zumindest dessen Kongreß-Abgeordnete. Für sie wurde in Washington, D.C., vor 100 Jahren die Library of Congress gebaut.

Informierte Bürger seien unerläßlich für eine funktionierende Demokratie, fand Thomas Jefferson, Hauptverfasser der Unabhängigkeitserklärung und dritter Präsident der Vereinigten Staaten. Seine Büchersammlung von mehr als 6000 Bänden bildete den Grundstock der Kongreß-Bibliothek. Nach ihm wurde auch das wuchtige Hauptgebäude benannt.

Heute erstreckt sich die Bibliothek über drei Gebäude, die ebenso viele Straßenzüge hinter dem Capitol einnehmen. Mehr als 22 Millionen Bücher sowie Manuskripte, Briefe, geographische Karten, Erinnerungsstücke, Fotos, Filme und Tonbänder füllen die Räume. Die Bibliothek verwaltet außerdem Urheberrechte, seit sie 1870 das „Copyright Office“ übernahm: Autoren und Künstler können dort ihre Werke registrieren und Kopien in der Bibliothek deponieren lassen.

Die Library of Congress versteht sich nicht nur als Hort der Geschichte und Kultur Amerikas, sondern auch der modernen Welt – so wie die große Bibliothek im ägyptischen Alexandria das Wissen der Antike beherbergte. Mit der prunkvollen Ausstattung wollte das junge Amerika der Welt demonstrieren, daß es sich in einer Reihe mit den großen Kulturnationen sah.

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Doch seitdem ist ein Jahrhundert vergangen. Passen büchergefüllte Regalfluchten noch zum anbrechenden Informationszeitalter? James Billington, Direktor der größten Bücherei der Welt, versucht eine Doppelstrategie: Er will Koexistenz von Traditionspflege und moderner Informationstechnik.

Traditionspflege – hier ein pompöser Lesesaal – hat sich die Library of Congress zum Ziel gesetzt. Aber sie modernisiert auch entschlossen: durch Internet-Verknüpfung und Einsatz von Multimedia.

Nach zehnjähriger Restaurierung erstrahlt das Jefferson-Gebäude jetzt wieder im alten Glanz. Der Besucher findet eine „Americana“-Ausstellung – beispielsweise den Inhalt von Abraham Lincolns Taschen zum Zeitpunkt seiner Ermordung oder ein Video über den Komiker Groucho Marx.

Um sich gleichzeitig für das Informationszeitalter zu wappnen, wurden zunächst sämtliche Karteikarten – 40 Millionen Eintragungen – über das Internet zugänglich gemacht. Auch alle Gesetzesvorlagen im Kongreß sind „online“ abrufbar. Bis zum Jahr 2000 sollen 60 Millionen Dollar in das „National Digital Library Program“ investiert und alle Schulen und Landesbibliotheken der USA mit der Library verknüpft werden, via Internet.

Nach und nach werden auch Sammlungen multimedial gespeichert: Briefe, Fotos, Tagebucheintragungen, historische Tonaufnahmen – zu Themen wie Bürgerkrieg, Frauenstimm-recht und Sklaverei. Zur Zeit werden detaillierte Landkarten digitalisiert, mit Spenden der Industrie in Form von Software und Scannern.

Das Internet wird die Kongreß-Bibliothek einem breiteren Publikum zugänglich machen. „Aber das elektronische Medium wird die Bibliothek nie ersetzen können“, ist Billington überzeugt. Wer Forschung betreiben will, wird auch weiterhin anreisen. Die traditions- reichen Hallen ziehen Neugierige und Lesewillige aus allen Ecken der Nation und der Welt an. Unter der Kuppel des zentralen Lesesaals können sie sich wie in einer Kathedrale des Wissens fühlen. Auch einer von den drei erhaltenen Kalbspergament-Bänden der Gutenberg-Bibel ist hier ausgestellt.

Ihre Seiten erinnern an eine Revolution: die Erfindung des Buchdrucks. Noch scheint die digitale Revolution das Buch – und die Bücherei als Wissensspeicher – nicht zu verdrängen, sondern zu ergänzen.

Library of Congress

Erste Ansätze für eine Kongreßbücherei gehen bis ins Jahr 1800 zurück. Im Krieg mit den Engländern verbrannte 1812 die im Kongreßgebäude untergebrachte Sammlung. 1897 wurde für die Kongreß-Bibliothek das Jefferson- Gebäude fertiggestellt, dessen hundertjähriges Bestehen kürzlich gefeiert wurde. Die 200-Jahr-Feier soll im Jahr 2000 mit großen Fanfaren begangen werden.

Spenden

Die Library of Congress ist auf private Zuschüsse angewiesen, um neben dem jährlichen, vom Kongreß bewilligten Budget von 352 Millionen Dollar auch Sonderprogramme zu finanzieren. Bei einem „Fundraising“-Dinner konnten Mäzene kürzlich für 2500 Dollar pro Eintrittskarte Auszüge aus einem bisher unveröffentlichten Brief von Jacqueline Kennedy sowie Songs von Cole Porter und George Gershwin hören.

Forschung

Jedermann kann für die Kongreß-Bibliothek eine Lesekarte erwerben und sich Material aus den Archiven in einen der 21 Lesesäle bringen lassen. Primär ist die Library jedoch als Dienstleister für den US-Kongreß und Regierungsstellen gedacht. Der 700köpfige „Congressional Research Service“ steht jederzeit für Anfragen bereit.

Info im Internet Library of Congress: http://www.loc.gov

Bruni Kobbe

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