Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Von Mäusen, Menschen und Magie

Gesellschaft|Psychologie Technik|Digitales

Von Mäusen, Menschen und Magie
Stolze 136 – noch nie hatte der deutsche preis für wissenschaftsfotografie so viele Einsender. Die Jury war bei der diesjährigen siebten Ausschreibung von der Qualität der Bilder derart überwältigt, dass sie spontan einen Sonderpreis auslobte. Vom 24. November 2012 bis zum 5. Februar 2013 sind alle Siegerfotos in Bremen im „Haus der Wissenschaft“ ausgestellt.

Herr der Mäuse

Das Bild belegt: Auch Hirnforscher haben Humor. Den Fotografen Sven Döring überrascht das nicht: „Ich erlebe Wissenschaftler selten verkniffen. Meistens machen sie jeden Spaß mit.“ Eigentlich wollte er Gerd Kempermann, Professor am Forschungszentrum für Regenerative Therapien an der Technischen Universität Dresden, inmitten seiner Versuchsmäuse fotografieren – doch das ging mit lebendigen Tieren nicht. Dann kam Döring auf die Idee mit den Stoffmäusen, aber: „Es stellte sich heraus, dass es kaum echt aussehende Mäuse auf dem Plüschtier-Markt gibt.“ Am Ende wurde er doch fündig, für 99 Cent pro Stück.

An den echten Tieren untersucht Gerd Kempermann die Veränderung von Hirnstrukturen. Die Erkenntnisse, die sich auf das menschliche Gehirn übertragen lassen, sind wichtig für die Erforschung neurodegenerativer Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson. Das Foto entstand im Auftrag der Dresden Marketing GmbH und war bereits in der Sächsischen Zeitung zu sehen.

Sven Döring

schießt nicht nur preiswürdige Wissenschaftsfotos, sondern erledigt auch Aufträge für Wirtschaftsmagazine und ist in der Architektenbranche unterwegs. „Da geht es hauptsächlich um Licht und Formen, das ist eine sehr reine und ruhige Art der Fotografie“ , sagt der Dresdener. Doch die Arbeit von Döring (Jahrgang 1971) ist manchmal auch sehr dynamisch: Er dreht mit seiner Digitalkamera kurze Filme für Redaktionen. Am Wettbewerb „ deutscher preis für wissenschaftsfotografie 2012″ hat Döring auch teilgenommen, um bei der „schönen Preisverleihung in familiärer Atmosphäre“ wieder mit dabei zu sein. Da er bereits drei Mal den 2. Preis gewonnen hat, kennt er die Veranstaltung im „Haus der Wissenschaft“ in Bremen gut. Dass er zum ersten Mal ganz oben auf dem Siegertreppchen steht, macht seine Erfolgsstory komplett.

Das Kugelpanorama

Man muss einen Augenblick überlegen, um die Perspektive des Bildes zu begreifen. Das Kugelpanorama ist ein fotografischer Kunstgriff, mit dem sich ein ganzer Raum darstellen lässt. In dem Bild sind ein 360-Grad-Rundumblick mit Decke und Boden vereint. Dazu hat Volker Steger eine Vielzahl von Fotos geschossen, die sein Kollege Marcus Rudolph anschließend in Polarkoordinaten umrechnete, damit sich ein flaches Bild daraus komponieren ließ. Es zeigt die Brennkammer im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München mit zwei Doktoranden, die gerade die Geräte des Asdex-Upgrade-Experiments warten. Das Experiment ist das Herz der Anlage: Es ist die Vorbereitung für das internationale Mammutprojekt ITER – ein Fusionsreaktor zur Stromerzeugung, der in Frankreich gebaut wird. Das gesamte Fotoprojekt kann man sich im Internet ansehen unter www.ipp.mpg.de/panorama.

Anzeige

Volker Steger

arbeitet als freier Wissenschaftsfotograf. Bereits in der fünften Klasse hatte er den ungewöhnlichen Wunsch, Mikrofotografie zu lernen. Die ganze Schulzeit hindurch beschäftigte er sich damit, winzig kleine Dinge groß erscheinen zu lassen – und gewann damit schon früh Wettbewerbe. Heute ist die Mikrofotografie für den gebürtigen Südbadener in den Hintergrund gerückt, er ist aber im wissenschaftlich-technischen Bereich geblieben. Steger (Jahrgang 1968), der Biologie studiert hat, arbeitete für Tageszeitungen, machte Pressefotos und war vier Jahre lang Bildredakteur bei bild der wissenschaft. Sein starkes naturwissenschaftliches Interesse lässt sich gut mit seinem künstlerischen Anspruch verbinden: Steger arbeitet für wissenschaftliche Einrichtungen wie das CERN, die Fraunhofer Gesellschaft, die Princeton University und die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen am Bodensee.

Puzzlearbeit

Die Reportage stellt die verschiedenen Aspekte der Klebstoff-Forschung am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen vor. Jedes Bild ist ein Triptychon, besteht also aus drei Teilen. Dafür hat David Klammer jeweils die Perspektive verändert oder die Schärfe verstellt und anschließend die Motive zusammengesetzt. „Mit Polaroids ging das früher einfacher, da konnte man direkt sehen, ob es passt. Mit der digitalen Fotografie ist das etwas schwieriger“, sagt er. Klammer hat drei Tage in der Abteilung Klebstoffe und Polymerchemie verbracht und insgesamt rund 700 Fotos geschossen. Seine Reportage ist in der GEOkompakt-Ausgabe „ Wie Chemie uns die Welt erklärt“ erschienen.

David Klammer

ist freiberuflicher Fotograf und arbeitet für Zeitschriften und Firmen. Während seines Biologiestudiums wurde dem gebürtigen Berliner klar, dass er seine Leidenschaft zum Beruf machen wollte – und er wechselte zum Studienfach Kommunikationsdesign nach Essen. Klammer (Jahrgang 1961) hat kein Studio, sondern fotografiert lieber an verschiedenen Locations. „Das macht den Beruf lebendig. So hat man immer neue Situationen, auf die man sich einstellen muss“, sagt er. Die Fotoreportage über Klebstoff-Forschung im Bremer Fraunhofer-Institut war für Klammer der erste Schritt in Richtung Wissenschaft. Es freut ihn besonders, dass er bei dieser Auftragsarbeit freie Hand hatte. „ Ich konnte mir selbst überlegen, wie ich die Fotos umsetze und mit dem Licht spiele. Dadurch bekommen die Labore, die sich sonst oft ähnlich sehen, eine ganz andere Anmutung und werden für den Betrachter interessanter.“

Fabelwesen

Sollten Sie auf diesen Bildern ein schnappendes Maul beziehungsweise einen Pferdekopf sehen, so ist das von der Fotografin durchaus gewollt. Anita Reinsch lässt sich bei der Wahl der Motive im Rasterelektronenmikroskop von ihrem ästhetischen Empfinden leiten – und sie weckt gerne Assoziationen. Die ehemalige biologisch-technische Assistentin hat die Schachtelhalme (Bild linke Seite) wegen ihrer großen maulartigen Spaltöffnungen ausgewählt. „Und dann habe ich noch die Erlenpollen hinzugefügt“ – die nun wie zähnebleckende Monstermäuler durchs Bild spuken. Anita Reinsch ist in der Natur immer mit Sammeltütchen unterwegs und trägt ihre Fundstücke dann ins Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, wo sie als ehemalige Mitarbeiterin ans Rasterelektronenmikroskop darf. Die dezenten Farben verleihen den Schwarz-Weiß-Bildern mehr Aussagekraft, sollen aber nicht künstlich wirken. Die in der Natur etwa zwei Millimeter große pferdeköpfige Grasblüte (Bild oben) erhielt am Computer einen goldgelben Schimmer, der an die natürliche Verfärbung im Herbst erinnert.

Anita Reinsch

bekam mit 14 Jahren zur Konfirmation ihre erste Kamera geschenkt. Schon damals war ihr die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Fliegenpilzes zu trist. Sie griff zu einem Pinsel und kolorierte das Bild. „Farbfotos waren in der DDR viel zu teuer“, erinnert sich die gebürtige Oranienburgerin (Jahrgang 1944), die heute in Päwesin lebt. Anita Reinsch ließ sich an der Humboldt-Universität zu Berlin in wissenschaftlicher Mikrofotografie und Elektronenmikroskopie ausbilden und arbeitete später als Leitende Technische Assistentin und Ausbilderin für Biologielaboranten – zuletzt am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. In ihrem Ruhestand, seit 2004, hat sich Reinsch auch der Natur- und Landschaftsfotografie zugewandt, ist der Mikrowelt aber treu geblieben: „Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Raffinesse Pflanzen und Organismen in diesen Dimensionen ausgestattet sind.“

Im Labyrinth der Kernfusion

„Da möchte ich mal rein!“, sagte sich Christian Lünig, als er vom Bau der Kernfusionsanlagen erfuhr. Ohne Auftrag, dafür mit umso mehr Elan, bekam der Fotograf Zugang zu den Fusionsreaktoren Wendelstein 7-X des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald und Textor im Forschungszentrum Jülich. Mit minimaler Ausrüstung kroch Lünig in die engen, warmen Eingeweide: „Die Einstiegsluke des Textor ist keine 50 Zentimeter breit.“ Der Tunnel hat eine Höhe von etwa 1,50 Meter – da musste sich der 1,90-Meter-Mann klein machen. Die Auf-nahmen sind wertvoll: Heute könnten sie gar nicht mehr entstehen, weil der Wendelstein 7-X mittlerweile als Ringanlage zusammengefügt ist. Alle sechs Bilder finden Sie unter www.wissenschaft.de/fotopreis.

Christian Lünig

ist Hausfotograf der Westfalenhallen in Dortmund.

Ob Helene Fischer, Rod Stewart oder Peter Maffay – den Größen der Musikbranche kommt er dabei sehr nah. Die Musik während der Show ist für ihn nur Nebensache, denn er muss gute Motive finden, egal wer auf der Bühne steht. Konzertfotografie ist allerdings nur eine seiner Spezialitäten. Die Nähe zu Industrie und Technik begleitet den Fotografen aus Herdecke schon lange. „In der Schulzeit fand ich Luft- und Raumfahrttechnik und Astronomie klasse“, erinnert sich Lünig (Jahrgang 1962), der in Werne an der Lippe auf ein Privatgymnasium ging. Über den Umweg des Soziologie-, Philosophie- und Geschichtsstudiums in Münster fand er schließlich seine Berufung und studierte Foto-Design an der Fachhochschule Dortmund, „bei den großen Lehrmeistern Ulrich Mack und Arno Fischer“.

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

pi|a|nis|si|mo  〈Mus.; Abk.: pp〉 sehr leise (zu spielen) [ital.]

füh|ren  〈V.; hat〉 I 〈V. t.〉 1 jmdn. ~ 1.1 jmdm. den Weg weisen  1.2 jmdn. leiten, geleiten, stützen … mehr

Asep|sis  〈f.; –; unz.; Med.〉 1 Keimfreiheit (z. B. von Wunden, Instrumenden) 2 = Aseptik … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige