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Goldrausch im Weltraum

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Goldrausch im Weltraum
Während auf der Erde für einige Rohstoffe astronomische Summen gezahlt werden, schlummern in unserem Sonnensystem Unmengen an Ressourcen.

Hochvakuum, harte kosmische Strahlung und eine Gravitation nahe null – der Weltraum ist kein angenehmer Ort. Doch das Sonnensystem lockt mit einem unermesslichen Reichtum an Rohstoffen. Neben der menschlichen Neugier ist dies wohl der Hauptgrund dafür, dass immer wieder Ideen zum Vorstoß ins All entwickelt werden.

Von den meisten Projekten erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas. Das Interesse wecken sie nur, wenn der Plan verwegen oder die Geldgeber sehr bekannt sind – so wie kürzlich, als sich Hollywood-Regisseur James Cameron und Google-Gründer Larry Page an einem Plan der US-Firma Planetary Resources beteiligen wollten, auf Planetoiden nach Edelmetallen zu schürfen. Ist das der Anfang eines „Goldrauschs“ im All?

Es sind keineswegs nur Idealisten und Milliardäre, die von der Eroberung des Weltalls träumen. Das zeigt ein Blick ins norwegische Stavanger: Dort, mitten im Herzen der skandinavischen Erdölindustrie, treffen sich jedes Jahr im August Experten aus dem Energiesektor und der Raumfahrt, um über die Exploration des Weltalls zu sprechen. Darunter waren diesmal Vertreter des Raumfahrtunternehmens Thales Alenia Space, mehrere norwegische Hersteller von Bergbau-Equipment und der Gas- und Ölriese Statoil.

Einer der treibenden Kräfte ist Brage Johansen, Chairman von Space and Energy und Vizepräsident des norwegischen Forschungsinstituts IRIS (International Research Institute of Stavanger), das anwendungsorientierte Forschung betreibt. Space and Energy ging aus einer Kooperation zwischen der norwegischen Raumfahrtbehörde und Statoil hervor. Das Netzwerk will die Bereiche Energie und Raumfahrt miteinander verbinden und Synergien nutzen. Zu diesem Zweck organisiert es seit 2009 die Space Week in Stavanger und liefert den Rahmen für den Gedankenaustausch zur Ressourcennutzung im All.

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Extreme Orte gibt es nicht nur im All, weiß Brage Johansen. So beschäftigt die autonome Rohstoffgewinnung in der Tiefsee irdische Explorations- und Bergbauunternehmen zurzeit stark. Die Nordsee ist ebenfalls ein „lebendes Labor für neue Erfindungen“, sagt der Space-and-Energy-Chairman.

Die Nutzung des Weltraums kann von solchen Technologien profitieren, meint Wim Lekens, Senior-Geologe des internationalen Energieversorgungskonzerns GDF-Suez. Neben Systemen zur Erkundung und Kartierung sind dabei vor allem Erdölbohrtechniken wichtig.

Aber der Nutzen sollte nicht einseitig sein. Die Workshop-Teilnehmer sind davon überzeugt, versichert Johansen, dass die Erforschung von Weltraum-Bohrtechnologie auch dabei hilft, effizientere und umweltschonendere Techniken auf der Erde zu etablieren.

CHINA, Mond und Mars

„Sollten die Chinesen ihr Mondprogramm weiter konsequent verfolgen, wird die erste Bergbaumission auf dem Erdbegleiter stattfinden“, meint Johansen. „Dabei wird wahrscheinlich auf bereits bewährte Technik gesetzt.“ Im Vordergrund der Mission sollen das Auffinden und Kartieren von Ressourcen stehen. Vielleicht ist es schon im nächsten Jahrzehnt soweit, spekuliert er. Offizielle Pläne dafür gibt es aber nicht (siehe Beitrag „Die Privatisierung des Alls“ ab S. 42).

Dass der Mond im Mittelpunkt des Interesses steht, hat mehrere Gründe. Auch wenn einige Planetoiden wohl einfacher zu erreichen sind, ist der Erdbegleiter doch „psychologisch näher“, meint Johansen. Außerdem würde eine Mondstation helfen, das nächste Ziel im Sonnensystem in greifbare Nähe zu rücken – den Mars.

Tiefenbohrung auf dem mars

Auch wenn es in absehbarer Zeit wohl keine bemannte Mission zum Roten Planeten geben wird, verfolgt Space and Energy ehrgeizige Pläne. So wurde auf der Konferenz unter anderem das Projekt „Deep drilling on Mars“ ins Leben gerufen. Christopher Hoftun, Student mit Schwerpunkt Erdöltechnologie an der Universität Stavanger, erarbeitet gegenwärtig verschiedene Konzepte für Tiefenbohrungen auf dem Mars.

Zwar geht es dabei vorerst mehr um wissenschaftliche Erkenntnisse als um Rohstoffe und Ressourcen. Aber im Projekt sollen die Kompetenzen von Organisationen wie der Mars Society und des Ames Research Center der NASA in Sachen Mars mit den Erfahrungen der norwegischen Bohrtechnologen verknüpft werden. Bevor allerdings auf dem Roten Planeten gebohrt wird, braucht es ausgiebige Tests. Technologie und Konzepte werden sich zunächst im Haughton Krater bewähren müssen, denn diese arktische Ödnis im Norden Kanadas bietet ideale Bedingungen. Die emissionsfreie Bohrung ließe sich auch auf der Erde ökologisch sinnvoll einsetzen – in der Arktis, wenn dort einmal Öl gefördert wird.

Eine Planetoiden-Exploration könnte sogar zur Rettung der Erde beitragen, ist Johansen überzeugt. Denn unsere Heimatwelt ist immer wieder Zielscheibe für Bomben aus dem All: für Planetoiden und Kometen, die bei entsprechender Größe verheerende Katastrophen auslösen können. Deshalb gibt es Überlegungen, wie im Fall des Falles reagiert werden kann, um die außerirdischen Geschosse abzuwehren (bild der wissenschaft 3/2012, „Die Erde schlägt zurück“). Man könnte zum Beispiel versuchen, den Erdbahnkreuzer abzulenken oder zu sprengen.

Bergbau auf Planetoiden

Aus der Not ließe sich sogar ein Geschäft machen, indem man quasi Planetoiden-Bergbau betreibt. Denn einige Himmelsgeschosse sind reich an Edelmetallen. So lässt die Analyse von Meteoriten darauf schließen, dass ein abbauwürdiger 100 Meter großer Planetoid im Durchschnitt 43 Tonnen Platin und 6 Tonnen Gold enthält. Das entspricht einem aktuellen Marktwert von etwa 2,3 Milliarden US-Dollar für Platin und 350 Millionen US-Dollar für Gold. Zwar wäre bei einer generalstabsmäßigen Prospektion mit einem Preisverfall zu rechnen – die vermutete Platin-Menge entspricht zum Beispiel einem Viertel der jährlichen Fördermenge auf der Erde. Trotzdem würde sich der Planetoiden-Bergbau rentieren.

Christian Gritzner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn, der sich bereits seit zwei Jahrzehnten eingehend mit dieser Materie beschäftigt, ist allerdings skeptisch, dass eine Planetoiden-Abwehr durch Rohstoff-Abbau gelingt: „Dafür müssten die Vorwarnzeiten viele Jahre betragen.“ Denkbar ist das aber durchaus – und dies würde dann ein gesteigertes Interesse an der „Ressource Planetoid“ bewirken – mit der Folge, dass man die Kleinkörper besser verstehen würde und dadurch in der Lage wäre, gefährliche Objekte früher zu erkennen.

Hindernis: Immense Kosten

Sei es die Aussicht auf satte Gewinne, unstillbarer Forscherdrang oder schlicht die Rettung der Erde – die Gründe für den Griff nach den Sternen sind so unterschiedlich wie die Konzepte zu ihrer Realisierung. Doch in einem Punkt stimmen alle Experten überein: Die größte Herausforderung ist die Überwindung der Erdanziehungskraft ohne ausufernde Kosten. Denn bisher sind dazu riesige Mengen an Energie notwendig. Um zum Beispiel eine niedrige Erdumlaufbahn zu erreichen, muss das Raumfahrzeug eine Geschwindigkeit von mindestens 8 Kilometer pro Sekunde erreichen. Und für einen Flug zum Mond sind es schon 14,3 Kilometer pro Sekunde.

Aktuell liegen die Startkosten bei etwa 10 000 US-Dollar pro Kilogramm Fracht. Doch die Nutzlastkapazitäten sind begrenzt, denn auch der Treibstoff für Bahnänderungen und vor allem für den Rückflug muss von Anfang an mitgeführt werden.

Diesem Problem soll das Projekt der texanischen Firma Shackleton Energy entgegenwirken. Bill Stone, Weltraumunternehmer und Gründer von Stone Aerospace, plant eine Tankstelle in der Erdumlaufbahn. Der Treibstoff soll durch die Aufspaltung von Wassereis in Wasserstoff und Sauerstoff gewonnen werden. Wassereis gibt es in schattigen Mondkratern.

Neben einem direkten Verkauf an einer lunaren Basis vor Ort, könnte ein Großteil des Treibstoffs in eine erdnähere Umlaufbahn gebracht werden. Raumschiffe von der Erde müssten dann nur noch den Treibstoff mitführen, den sie zum Start benötigen, und könnten dadurch ihre Nutzlastkapazität beträchtlich erhöhen.

Bis das Projekt allerdings Geld erwirtschaftet, rechnet Stone mit etwa 25 Milliarden US-Dollar an Investition. Den Anfang sollte ein Fundraising machen. Doch die angestrebte Summe von 1,2 Millionen US-Dollar wurde weit verfehlt – lediglich 5517 Dollar kamen zusammen. Seitdem ist es still um Shackleton Energy geworden.

Bleibt die Erschließung der kosmischen Rohstoffe also doch nur der Wunschtraum von ein paar Idealisten? Das hängt vor allem von der Entwicklung der Startkosten ab, meint Brage Johansen. Sobald diese niedrig genug sind, rechnet er mit einem Boom im All. Ein Schritt in diese Richtung war der erfolgreiche Start der ersten privaten Raumkapsel Dragon. Das US-amerikanische Unternehmen Space X demonstrierte damit, dass Raumfahrt nicht länger bloß Sache des Staates ist.

GELD SCHLÄGT IDEALISMUS

Ein kommerzielles Projekt erfordert jemanden, der schon Geld hat, betont Christian Gritzner mit Blick auf das gescheiterte Fundraising von Firmen wie Shackleton Energy. Stellen sich dann Erfolge ein, so machen andere automatisch mit, ist er überzeugt.

„Das Shackleton Projekt ist bislang nur eine Idee. Planetary Resources hingegen hat neben Personal und Planung auch Geldgeber mit entsprechend großen finanziellen Ressourcen im Rücken“, ergänzt Johansen. Damit stünden die Chancen gar nicht so schlecht, dass sich in naher Zukunft das Tor zum All weiter öffnet. ■

KAI DÜRFELD, freier Wissenschaftsjournalist in Leipzig, ist seit seinem Raumfahrttechnik-Studium von Planetoiden fasziniert.

von Kai Dürfeld

Gut zu wissen: Rohstoffe im All

· Edelmetalle haben hervorragende katalytische Eigenschaften. Sie werden in der chemischen Industrie, dem Fahrzeugbau, der Elektro- und Medizintechnik sowie als Schmuck genutzt, sind auf der Erde jedoch extrem selten.

· Seltene Erden sind für die meisten Hightech-Produkte bisher unverzichtbar. Auf der Erde kommen sie häufiger vor als Edelmetalle, ihre Gewinnung ist aber kostspieliger und schadet der Umwelt mehr.

· Eisen, Nickel und Titan sind wichtige Baumaterialien für künftige Weltraumprojekte. Sie sind auf der Erde häufig vorhanden, aber ihr Transport in den Weltraum ist sehr teuer.

· Wasser ist die Schlüsselsubstanz für längerfristige Aktivitäten im Weltall. Es ist zum Beispiel notwendig zur Versorgung der Astronauten und als Treibstoff.

· Kohlenstoffverbindungen liefern Treibstoff und spielen bei vielen chemischen Prozessen eine Rolle.

Kompakt

· Planetoiden in Erdnähe bergen wertvolle Rohstoffe und sind damit lukrative Raumfahrtziele.

· Doch bevor es ans Schürfen geht, muss viel Geld investiert werden.

Mehr zum Thema

Internet

Planetary Resources will auf Planetoiden schürfen: www.planetaryresources.com

Shackleton Energy plant, aus lunarem Eis Treibstoff zu gewinnen: www.shackletonenergy.com

Space and Energy will die Energiewirtschaft an den Weltraum heranführen: www.spaceandenergy.no

„Think Outside the Planet“ ist eine Initiative des norwegischen Weltraumzentrums und des Energiekonzerns Statoil: www.thinkoutsidetheplanet.com

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Stein|krebs  〈m. 1; Zool.〉 Flusskrebs der süddeutschen Gewässer: Astacus torrentium

♦ Ni|tro|ben|zol  〈n. 11; unz.; Chem.〉 durch Nitrieren von Benzol hergestellte, bittermandelölartig riechende, giftige organ. Verbindung, wichtige Ausgangssubstanz für zahlreiche chemische Synthesen

♦ Die Buchstabenfolge ni|tr… kann in Fremdwörtern auch nit|r… getrennt werden.

Fär|ber|pflan|ze  〈f. 19; Bot.〉 Farbstoffe enthaltende Pflanze

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