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Das Gen: Zu Hause beim Superstar

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Das Gen: Zu Hause beim Superstar
Ohne Manager läuft im Zellkern gar nichts

Diesmal geht es um einen echten Superstar: das Gen. Es wird geliebt und gehasst, ganz wie es sich für einen A-Promi gehört. Bei einer Gen-Therapie etwa werden ihm geradezu messianische Qualitäten zugeschrieben, Gen- Tomate und Gen-Maus dagegen sind für viele die reine Verkörperung des Bösen. Fragt man nach dem Grund für die Angst, lautet die Antwort etwa: „Der Mensch hat ja schon das Atom nicht in den Griff bekommen – und Gene, die sind ja noch viel kleiner.“

Damit Ihnen ein solcher Fauxpas nicht unterläuft, wollen wir Ihnen den Superstar ein bisschen genauer vorstellen, in einer Homestory sozusagen. Dafür begeben wir uns wieder einmal in den Zellkern (siehe Folge 1 der Serie „Basiswissen Zelle“, bdw 7/2012), wo das Genom – also die gesamte in der DNA gespeicherte Information – zu Hause ist, säuberlich verpackt in den 46 Chromosomen. Die Chance, vor Ort direkt auf ein Gen zu treffen, ist allerdings gering: Der Superstar macht sich rar, denn die Gene stellen beim Menschen gerade einmal 5 Prozent des Genoms. In einer normalen Zelle gibt es etwa 25 000 davon. Der Rest ist sogenannte nicht-codierende DNA, die oft auch als Junk-DNA bezeichnet wird – was nichts anderes heißt als „Müll“. Dazu später mehr.

Zurück zu unserem Star: Äußerlich unterscheidet er sich kaum von seinen Nachbarn – schließlich ist er nichts anderes als ein klar definierter DNA-Abschnitt, der den Bauplan für ein Protein, ein Proteinstück oder auch eine der vielen verschiedenen RNAs (siehe Folge 2, bdw 8/2012) enthält. Er hat jedoch, im Gegensatz zu seinen Nachbarn, eine eigene Sprache. Die wird genetischer Code genannt und ist so etwas Ähnliches wie das Gewirr aus Nullen und Einsen, das ein Computer zum Abspeichern von Informationen verwendet. Das Gen nutzt allerdings nicht zwei, sondern vier Buchstaben, und zwar die bereits in der letzten Folge erwähnten Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin. Immer drei von ihnen bilden ein Codon, eine Informationseinheit, die wiederum für einen der 20 gängigen Proteinbausteine – die Aminosäuren – steht. Zusätzlich gibt es noch ein Start- und ein Stopp- Signal.

Wie bei vielen Stars gilt auch für das Gen: Alleine ist es nichts. Es braucht seine Entourage – zum Beispiel seine Manager, die ihm sagen, wann es voll aufdrehen soll und wann es besser ist, sich ruhig zu verhalten, die seine Termine planen, seine Reisen und so weiter. Wie viele Manager es gibt, ist von Gen zu Gen unterschiedlich. Ein absolutes Muss für jedes Gen ist aber der Promotor, eine spezielle Basenabfolge: Er geht seinem Star immer voraus, liegt also auf dem DNA-Abschnitt vor dem Beginn der codierenden Sequenz, die den eigentlichen Bauplan enthält. An ihm kommt keiner vorbei, der den Star in Aktion erleben will: Er bestimmt, wann und wo das Gen aktiv wird. Wie er dabei vorgeht, damit beschäftigt sich die nächste Folge.

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Ebenfalls zum Gefolge vieler Gene gehören Enhancer. Man könnte sie als Assistenten des Promotors bezeichnen: Sie unterstützen ihn bei der Arbeit und verstärken die Aktivität des Gens. Dabei wohnen sie meist nicht in der Nähe ihres Auftraggebers: Sie können viele Tausend Nukleotide vor oder auch hinter dem Gen liegen. Das Gleiche gilt für die Silencer, nur dass diese den Star in seine Schranken weisen und, ebenfalls im Team mit dem Promotor, seine Aktivität bremsen.

Promis rufen häufig Nachahmer auf den Plan. Das ist beim Gen nicht anders: Auch hier gibt es immer wieder Versuche, das Idol zu kopieren – meist mit mäßigem Erfolg. Am Ende landen die schlechten Kopien, die nur in seltenen Fällen tatsächlich dasselbe können wie das Original, im Müll – also in der Junk-DNA. Dort fristen sie dann unter dem wenig schmeichelhaften Namen Pseudogene ihr Dasein. Warum die Zelle sie und andere nicht-codierende Elemente in Form der Junk-DNA aufbewahrt, ist den Wissenschaftlern ziemlich schleierhaft. Vielleicht steckt dahinter das gleiche Prinzip, das wohl jeder von seinen alten Sachen kennt: Obwohl sie längst viel zu eng geworden sind und einem auch nicht mehr gefallen, bewahrt man jahrelang alte Hosen und Pullis auf – schließlich könnten sie ja irgendwann wieder in Mode kommen, oder man könnte sie zumindest zu etwas anderem umarbeiten.

Es gibt sogar Fälle, in denen Gene sich selbst ins Abseits befördern – und zwar dann, wenn sie sich, wie es bei Stars häufig vorkommt, ein neues Image zulegen und dabei kein glückliches Händchen haben. Ein solcher Image-Wechsel beginnt immer mit einer Mutation, einer Veränderung, bei der eine oder mehrere Basen im Bauplan ausgetauscht werden, sei es aus Versehen beim Kopieren oder durch das Einwirken von Umweltfaktoren wie Sonnenlicht, eine Chemikalie oder ein Medikament. Wenn es gut läuft für das Gen, passiert durch den Austausch gar nichts. Das Codon CCA beispielsweise gibt den Befehl, die Aminosäure Prolin einzubauen – ebenso wie die Trios CCC, CCG und CCT. Erwischt es also das A, ist das egal, es wird nach wie vor Prolin verwendet.

Trifft die Mutation aber eine der anderen beiden Basen, sieht die Sache schon anders aus: Statt des gewohnten Prolins wird dann vielleicht Alanin eingebaut, ein Proteinbaustein, der völlig anders aussieht als Prolin. Im besten Fall entsteht auf diese Weise ein ganz neues Eiweißmolekül mit nützlichen Eigenschaften – dann kann das Gen sein Makeover als Erfolg verbuchen. Manchmal wird nach dem Tausch aber nur noch ein wirres Aminosäuren-Knäuel statt eines wichtigen Proteins gebildet. Das ist auf Dauer das Aus für das Gen: Es verschwindet von der Bühne und wird zu einem Pseudogen – dazu verdammt, in der Masse der Junk-DNA ein unauffälliges Leben zu führen. ■

Was es mit den Codons, dem genetischen Code und den Eiweißbausteinen mit den sperrigen Namen auf sich hat, erzählen wir Ihnen in der nächsten Folge.

von Ilka Lehnen-Beyel (Text) und Friederike Groß (Illustrationen)

Promi-Steckbrief

Name: Gen

Wohnort: DNA/Zellkern

Durchschnittliche Größe: 27 000 Nukleotide, also etwa 810 000 Atome

Tätigkeit: liefert Informationen für den Bau von Proteinen, Proteinfragmenten oder RNAs

Sprache: genetischer Code

VIP-Faktor: hoch

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