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SÄGEBLATT AUS SAND UND WASSER

Technik|Digitales

SÄGEBLATT AUS SAND UND WASSER
Auch wenn Marco Linde von der Firma ANT es kräftig lobt: Das WAS-Verfahren zum Zerlegen ausgedienter Kernreaktoren ist nicht der erhoffte Exportschlager geworden.

ES KLANG KURIOS: Bis zu 50 Zentimeter starken Beton und 25 Zentimeter dicke Stahlplatten wollten Ingenieure mit einem Wasserstrahl zersägen, dem lediglich scharfkantige Sandkörner beigemengt waren. Und doch genehmigten vor zehn Jahren die bayrischen Aufsichtsbehörden den Plan, auf diese Weise das Reaktor-Druckgefäß des Versuchskernkraftwerks Kahl in Unterfranken zu demontieren (bild der wissenschaft 6/1998, „ Abriss mit Sand und Wasser“). Eine Arbeitsgruppe um die Lübecker Firma Alba Industries hatte das „ Wasserabrasiv-Suspensionsschneiden“ (WAS) entwickelt. Bis dahin wurden solche Abrissarbeiten meist mit mechanischen Sägen ausgeführt, deren Rückstellkräfte jedoch mithilfe von tonnenschweren Stahleinbauten im Gebäude aufgefangen werden mussten. Weil WAS diese teuren Einbauten überflüssig mache, so Kahl-Geschäftsführer Norbert Eickelpasch damals, habe es das Zeug zum Exportschlager. Doch obwohl sich die neue Technologie beim Abriss des Kraftwerks Kahl bewährte, kam es anders.

Die WAS-Fährte führt heute zur Lübecker Applied New Technologies AG, kurz ANT. Entstanden ist sie 1999 durch Fusion des Erfinderunternehmens mit zwei weiteren Firmen. „Dabei hatten wir einen Risikokapitalgeber mit ins Boot geholt“, sagt Vorstandsmitglied Marco Linde. Richtig reich kann durch den folgenden Börsengang niemand geworden sein: Heute beschäftigt ANT 25 Mitarbeiter und hat im letzten Jahr mit WAS-Anlagen und Spezialmaschinen einen Umsatz von nur etwa fünf Millionen Euro gemacht.

Knapp die Hälfte davon entfiel auf Einnahmen aus der Demontage von Kernkraftwerken. Seit 2006 wird WAS beim Abbau des Kernkraftwerks Würgassen eingesetzt – künftig auch bei dem von Stade. „Für uns ist das schon ein Hit“, preist Linde die hauseigene Technologie. In Würgassen haben die Techniker bereits den Kernmantel und die Kerngitterplatten im Druckbehälter zersägt und anschließend im Flutraum des Reaktors weiter zerlegt. Das Wasser schirmte dabei die radioaktive Strahlung ab. Doch das Problem ist: Beim Trennen von Bauteilen unter Wasser kann WAS seine Trümpfe voll ausspielen – ansonsten haben sich etablierte Techniken wie das mechanische Sägen oder das Schneiden mit einem heißen Lichtbogen als kostensparender erwiesen. Daher verkleinert sich das mögliche Einsatzgebiet auf nur wenige Druck- und Siedewasser-Reaktoren, die in den nächsten Jahren demontiert werden sollen: „Momentan gibt es 16 stillgelegte Reaktoren, bei denen wir eine Chance haben, zum Zuge zu kommen“, sagt Linde.

Auch abseits des Kernkraftwerk-Abbaus gibt es einen Markt für effektive Trennverfahren. Indes: „Außer bei Spezialanwendungen spielt WAS in der Industrie praktisch keine Rolle“, sagt Wolfgang Emrich, Produkt- und Marketingmanager bei der Bad Nauheimer Niederlassung von KMT Waterjet Systems. Dieses Unternehmen verdient sein Geld mit einer seit den Achtzigerjahren bekannten Technologie: mit WAIS – ausgeschrieben „ Wasserabrasiv-Injektionsschneiden“. Hier werden Sand und Wasser nicht gemeinsam unter hohen Druck gesetzt wie bei WAS. Stattdessen mischt man den Sand erst zu, wenn der reine Wasserstrahl bereits mit über 2,5-facher Schallgeschwindigkeit die Düse verlassen hat.

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WAIS stößt zwar bei den sehr dicken Bauteilen von Kernreaktoren an seine Grenzen. Doch verschleißen die Düse und weitere Anlagenteile viel weniger als bei WAS, weil sie nicht der schmirgelnden Kraft des Wasser-Sand-Gemischs widerstehen müssen. Ein Kostenvorteil, bezeugt Emrich: „WAIS ist für normale Schneidarbeiten, für Materialdicken bis zu 20 Zentimetern, viel wirtschaftlicher.“ Der Erfolg gibt ihm recht: Sein Unternehmen installiert Jahr für Jahr weltweit mehr als 500 Hochdruckpumpen für WAIS-Anlagen. Das sieht eher nach einem Exportschlager aus. Frank Frick ■

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