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Sternstunden

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Sternstunden
Tiefe Einsichten in das Universum. Neue Beobachtungstechniken und Bilder haben in der Geschichte der Astronomie oft für Überraschungen gesorgt – teilweise mit verblüffenden Konsequenzen.

„Mehr Licht!“ lauteten angeblich die letzten Worte des Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Mehr Licht ist auch eines der Grundprinzipien des astronomischen Fortschritts. Denn fast alles, was wir vom Universum wissen, verdanken wir dem Licht und der übrigen elektromagnetischen Strahlung.

Aufgrund der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit ist ein Blick in die Tiefen des Raumes zugleich ein Blick in eine ferne Vergangenheit. Dadurch wird das Teleskop zur Zeitmaschine, wie der britische Astronom Friedrich Wilhelm Herschel schon vor 200 Jahren erkannte. Mit Hilfe dieser „Rückblickzeit“ lassen sich heute sogar viele Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxien aufspüren, deren Sterne längst erloschen sind „… all die Glocken, die jemals erklangen, noch immer erklingend in den langen, sterbenden Lichtstrahlen“, dichtete einst William Faulkner.

Je mehr Licht ein Teleskop sammeln kann, desto tiefer vermag es in den Raum hinaus zu spähen. Inzwischen sind die Detektoren so empfindlich, daß ihnen selbst das Glimmen einer Zigarette auf dem Mond nicht entgehen würde. Doch die Suche nach neuen Fragen und Antworten über den Kosmos geht weiter – und damit auch das Wettrennen um die besten Beobachtungsgeräte.

Seit wenigen Jahren steht auf dem Vulkan Mauna Kea von Hawaii ein Zwillingsteleskop mit je einem 10-Meter-Hauptspiegel. Ein ähnliches Instrument wird demnächst in Südafrika errichtet. In Texas wurde letztes Jahr das Hobby-Eberly Telescope eingeweiht, das mit einem 11-Meter-Spiegel der gegenwärtige Rekordhalter ist. Es kann allerdings keine Himmelskörper abbilden, sondern nur ihr Licht analysieren. Im Jahr 2003 soll das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile komplett sein – vier hochempfindliche Einzelaugen mit acht Meter großen Hauptspiegeln, die zusammengeschaltet dem Lichtsammelvermögen eines 16-Meter-Teleskops entsprechen.

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Diese Rekordjagd nach mehr Licht ist kein technokratischer Selbstzweck, sondern der Motor für neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Denn wie viele andere Forschungsbereiche profitiert auch die Himmelskunde enorm von neuen technischen Errungenschaften. Die Geschichte beweist, daß zahlreiche Durchbrüche in der Astronomie neuartigen oder leistungsfähigeren Beobachtungs- und Meßverfahren zu verdanken sind. Vier prominente Beispiele:

Galileo Galilei konstruierte im Jahr 1609 ein Fernrohr, bei dem das Objektiv aus einer Sammellinse und das dem Auge zugewandte Okular aus einer Zerstreuungslinse bestand. Es war nicht das erste Teleskop, doch richtete es Galilei als einer der ersten gen Himmel. Seine Vorgänger mit irdischen Interessen verwendeten ihr Teleskop nur als Fernglas. Er entdeckte damit die Mondgebirge und Sonnenflecken, die Lichtgestalten der Venus, die Saturnringe und die vier Großmonde Jupiters, die Galilei davon überzeugten, daß die Erde um die Sonne kreist – und nicht umgekehrt, wie es das seit Jahrhunderten mathematisch ausformulierte geozentrische Weltbild annahm.

1609 und 1619 veröffentlichte Johannes Kepler die später nach ihm benannten Gesetze, die die elliptischen Bahnen der Planeten um die Sonne beschreiben und damit das geozentrische Weltbild endgültig zu Fall brachten. Dieser Durchbruch basierte ebenfalls auf der damals besten Beobachtungstechnik: dem Mauerquadranten auf der dänischen Insel Hven. Damit hatte Tycho Brahe, bei dem Kepler 1599 Assistent war, die Positionen der Planeten sehr genau vermessen und die Daten für Keplers Theorie bereitgestellt.

1785 publizierte Friedrich Wilhelm Herschel die erste Darstellung der Milchstraße als flache linsenförmige Scheibe mit vielen Millionen Sternen. Zu diesem Ergebnis gelangte er aufgrund seiner sorgfältigen systematischen Sternzählungen in über 3000 ausgewählten Himmelsfeldern. Damit hatte er die Stellarstatistik begründet. Mit seinen lichtstarken Metallspiegel-Teleskopen war er damals allen anderen Beobachtern überlegen. Außerdem durchmusterte er den Himmel nach Doppelsternen, Sternhaufen und Nebeln. Seine für lange Zeit beispiellosen Kataloge enthalten über 2500 Objekte. Er entdeckte auch Uranus – den ersten, nicht mit bloßem Auge sichtbaren Planeten – und zwei seiner Monde. Herschel baute zudem das damals größte Teleskop, einen 1,22-Meter-Reflektor, mit dem er die Saturnmonde Mimas und Enceladus fand.

In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts bewies Edwin P. Hubble mit Hilfe des 2,54-Meter-Teleskops auf dem Mount Wilson, daß der Andromedanebel nicht innerhalb der Milchstraße liegt, sondern eine eigenständige Galaxie aus unzähligen Sternen ist. Hubble verbesserte die kosmische Entfernungsbestimmung, klassifizierte die Gestalt der Galaxien und entdeckte die Ausdehnung des Weltalls – eine der wichtigsten Stützen der Urknall-Theorie.

Hubbles Erkenntnisse basierten nicht mehr auf dem – wenn auch mit Hilfe des Teleskops geschärften – Augenschein, sondern auf zwei für die Astronomie entscheidenden Erfindungen: der Fotografie und der Spektroskopie.

Astronomie ohne die „lichthäufende“ Fotografie ist heute kaum vorstellbar. Dabei dauerte es ein halbes Jahrhundert, bis sich diese Technik nach ihrer Einführung 1839 unter den Himmelskundlern durchsetzte, obwohl die erste Aufnahme des Mondes schon 1840 gelang – bei 20 Minuten Belichtungszeit. Inzwischen haben die Fotoplatten größtenteils ausgedient. Sie werden von hochgezüchteten elektronischen Detektoren ersetzt, die sogar noch einzelne Photonen nachweisen können.

Die Zerlegung des Lichts der Sonnen und Galaxien in ihre Spektren war ein weiterer gewaltiger Fortschritt. Noch vor 160 Jahren behauptete der französische Philosoph Auguste Comte: „Wir werden niemals die chemische Zusammensetzung der Sterne erforschen können.“ Das war ein Irrtum, denn bald darauf lernten die Astronomen, den Aufbau der Gestirne aus deren Spektren zu erschließen.

Jedes Element hinterläßt darin seinen charakteristischen „Fingerabdruck“. Und so konnte der englische Astronom William Huggins bereits 1865 schreiben: „Dem gesamten sichtbaren Universum scheint dieselbe Materie gemein, kommen doch viele der auf Sonne und Erde verbreiteten Elemente auch auf den Sternen vor.“

Dank eines solchen spektralen Fingerabdrucks hatte der Brite Norman Lockyer 1868 auf der Sonne sogar ein neues Element entdeckt: das Helium (sein Name leitet sich von dem griechischen Wort für „Sonne“ ab). Nach dem Wasserstoff ist es das leichteste und häufigste Element im Kosmos. Auf der Erde konnte man es erst 1895 in Erdgasquellen aufspüren.

Computermodell der Verteilung von Wasserstoffwolken im frühen Universum, viele Milliarden Lichtjahre entfernt (Kantenlänge des Kubus: 30 Millionen Lichtjahre). Die Rekonstruktion beruht auf Spektralanalysen von Quasaren. Mittlerweile haben Astronomen gelernt, auch andere Fenster des elektromagnetischen Spektrums aufzustoßen und sich weit hinauszulehnen: Radio-, Millimeter- und Infrarotwellen, Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlung. Diese Techniken führten nicht nur zu großem Aufsehen – auch im wörtlichen Sinn. Sie hoben förmlich ab, nämlich auf Höhenballonen, Raketen und Satelliten, um der störenden Erdatmosphäre zu entgehen.

Dasselbe Erfolgsprinzip macht sich das Hubble-Weltraumteleskop zunutze. Obwohl sein Hauptspiegel nur 2,5 Meter Durchmesser hat, also nicht mehr als Edwin Hubbles 1919 eingeweihtes Teleskop, ist es ein astrotechnisches Juwel. Dafür sorgt seine hochgezüchtete Optik und Elektronik sowie sein Blick außerhalb der Atmosphäre, deren Flimmern jede Beobachtung unvermeidlich unscharf macht.

Doch auch auf der Erde fanden die Astrophysiker Mittel und Wege, immer feinere Informationen aus den Himmelslichtern herauszukitzeln. Mit Hilfe der sogenannten Speckle-Interferometrie – zahlreiche kurze Einzelaufnahmen werden im Computer zu einem Bild addiert – und der adaptiven Optik, die sich mit aktiven, das heißt verstellbaren Teleskopspiegeln an winzigste Veränderungen der Luftunruhe anpaßt, läßt sich ein Teil der atmosphärischen Störungen doch noch austricksen und eliminieren.

Mehr Licht beziehungsweise Empfindlichkeit, mehr Schärfe und mehr Frequenzen – mit dieser Erfolgsformel haben die Astronomen immer wieder neue Einblicke in den Kosmos gewonnen. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Weitere leistungsfähigere Teleskope für alle Bereiche des elektromagnetischen Spektrums sind schon im Bau oder in Planung.

Auch ganz andere Himmelstüren stehen bereits oder demnächst einen Spalt weit offen: Neutrinos von der Sonne und von Sternexplosionen sowie Gravitationswellen von Supernovae, Neutronensternen und Schwarzen Löchern – vielleicht sogar einmal vom Urknall selbst. Doch die optische Astronomie hat noch lange nicht ausgedient. Kühne Visionäre träumen von Teleskopen auf der Rückseite des Mondes, fernab von jeder irdischen Störquelle.

Und Claudio Maccone vom italienischen Unternehmen Alenia Spazio hat einen Flug zu einem Brennpunkt der Sonnenlinse vorgeschlagen. 82,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt – 550mal weiter als die Erde – wird das Licht ferner Sterne gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie vom Schwerefeld unseres Zentralgestirns gebündelt. Durch diesen Gravitationslinseneffekt sieht man dort die Sterne so, als stünden sie uns ganz nah. Die Folge: Es lassen sich noch Objekte im Zentrum der Milchstraße auflösen, die wenige hunderttausend Kilometer voneinander entfernt sind. Mittels heutiger Technologie könne eine Forschungssonde schon binnen 50 Jahren einen solchen Brennpunkt erreichen, behauptet Maccone.

Als Antrieb käme ein Sonnensegel aus Aluminium in Frage, das den Druck des Sonnenwinds ausnutzt und zugleich als Radioteleskop zu verwenden wäre. Ein 1-Meter-Spiegel für die Fokussierung eines Laserstrahls, der die Kommunikation mit der Erde gewährleistet, könnte auch als Teleskop eingesetzt werden.

Die technische Herausforderung für eine solche Mission ist freilich enorm. Denn der Brennpunkt muß auf 200 Meter genau angesteuert werden – das ist, als wolle man ein Briefkuvert auf dem Mars mit einem Pfeil von der Erde aus treffen.

Rüdiger Vaas

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