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PLAN P – WIE PANDEMIE

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

PLAN P – WIE PANDEMIE
Clevere Unternehmer haben erkannt, dass es für ihren Betrieb lebenswichtig ist, gegen eine große Grippe-Epidemie gewappnet zu sein.

Mag die Grippe auch wüten, deutscher Stahl hält ihr stand. Denn eines der ersten Unternehmen, die sich gegen eine umfassende Epidemie – eine Pandemie – gerüstet haben, ist der Technologiekonzern Thyssen-Krupp mit Sitz in Duisburg und Essen: Bereits im August 2005 beschloss sein Vorstand vorzusorgen.

„Wichtigstes Ziel ist es, unsere Mitarbeiter – rund 84 000 allein in Deutschland – zu schützen und menschliches Leid zu verhindern“, sagt der leitende Arzt von Thyssen-Krupp, Klaus Etzler. „Darüber hinaus soll der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen begrenzt werden.“ Die Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Produktion weiterläuft oder dass zumindest die Anlagen erhalten bleiben. Etzler kritisiert, dass die Bundesländer bei der Umsetzung des nationalen Pandemieplans nur schleppend vorankommen. Doch unabhängig davon, wie gut und wie weit die staatlichen Pläne sind, sollten sich Unternehmen mit der Vorsorge beschäftigen, fordert Alexander Kekulé, Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle. Der Grund liegt für den Professor, der auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Biologische Gefahren“ der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern ist, auf der Hand: „Der Staat soll und will allen Bürgern helfen. Er kann sich nicht speziell um die Arbeitsfähigkeit von Unternehmen kümmern, wenn diese keine lebenswichtigen Güter oder Dienstleistungen bereitstellen.“

Darum hat Thyssen-Krupp eigene Vorräte des Arzneimittels Tamiflu angelegt – entsprechend dem Bedarf der einzelnen Standorte. Außerdem hat das Unternehmen Handzettel vorbereitet, die Empfehlungen geben zur Ansteckungsvermeidung und zum Verhalten bei einer Erkrankung. „Aufklärung und Beratung sollen zu einer Vertrauensbildung bei den Mitarbeitern führen, damit es im Falle einer Epidemie nicht zu Überreaktionen oder gar einer Panik kommt“, sagt Etzler.

DER BETRIEBSARZT ALS HAUSARZT

Atemschutzmasken, Schutzhandschuhe und Schutzkittel werden bereitgehalten. Außerdem hat Thyssen-Krupp das ärztliche Personal speziell für die Behandlung Influenzakranker schulen lassen. Betriebsärzte sind darauf vorbereitet, die Funktion des Hausarztes zu übernehmen. „Denn es ist davon auszugehen, dass die hausärztliche Versorgung zusammenbrechen wird“, erklärt Etzler. Eigens ausgebildete Pandemiehelfer sollen die Ärzte bei der Fiebermessung, der Ausgabe von Desinfektionsmitteln, Masken und Medikamenten sowie bei Krankentransporten unterstützen. „Wir erwarten, mit unseren Maßnahmen die Erkrankungsrate von 30 auf 15 Prozent und die Todesrate von 3 auf 0,5 Prozent reduzieren zu können, was aber trotzdem für unsere deutschen Standorte rund 125 Todesfälle bedeuten würde“, sagt Etzler.

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Die meisten Firmen sorgen nicht so gut vor wie der Duisburg-Essener Technologiekonzern. So hat das Magazin „ Wirtschaftswoche“ Mitte 2006 die 30 größten an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen befragt. Ernüchterndes Resultat: 18 davon hatten einen Pandemieplan erarbeitet. Kekulé hegt jedoch Zweifel an deren Qualität. Eine Umfrage unter britischen Managern, 2007 durchgeführt vom „Chartered Management Institute“ in Corby, ergab folgendes Bild: Zwar sagten 54 Prozent aus, dass in ihrem Unternehmen Notfallpläne existieren, doch nur 19 Prozent hielten diese auch für praxistauglich.

Unvorbereitete Firmen werden bei einer Pandemie wohl nicht nur einen hohen Anteil erkrankter Mitarbeiter haben, sondern dort werden sich auch besonders viele Beschäftigte aus Angst vor Ansteckung nicht mehr zur Arbeit trauen. Und je mehr Personal ausfällt, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Produktion schließlich eingestellt werden muss.

GEFÄHRLICH DÜNNE PERSONALDECKE

„Eine solche Situation könnte für viele Betriebe existenzbedrohend sein“, sagt Angelika Flieger vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. In einem Fachartikel schreibt sie: „Insbesondere Unternehmen, die in der Vergangenheit Arbeitsplätze abgebaut haben, sind durch ihre nunmehr hauchdünne Personaldecke gefährdet.“ Für Betriebe, die aufgeben müssen, ist es kein Trost, dass sich die Weltwirtschaft nach Einschätzung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) nach einer Pandemie innerhalb eines Jahres wieder erholen dürfte. „Ein Großteil des Konsums wird nicht ausgesetzt, sondern verschoben. Und die Produktionsmittel werden – im Gegensatz zu einer Naturkatastrophe – nicht zerstört“, erklärt Boris Augurzky, Leiter des Ressorts Gesundheit des RWI.

Während der Pandemie allerdings erwartet das RWI je nach Szenario einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes um 1 bis 3,6 Prozent. Besonders die Branchen Tourismus, Flugverkehr und Freizeit wären betroffen. Auch der Einzelhandel würde leiden. Doch es gibt sicher auch wirtschaftliche Gewinner: Dazu gehören neben der Pharmaindustrie und Gesundheits-Dienstleistern wohl auch Telekommunikationsunternehmen und die Produzenten von Unterhaltungselektronik, die davon profitieren würden, dass die Menschen das öffentliche Leben meiden.

„Unabhängig von der Branche käme internationalen Unternehmen zupass, dass die Pandemie nicht überall in der Welt zugleich wütet und die Nachfrage nach den Produkten daher nicht überall zugleich einbricht“, sagt Alexander Kekulé. Vorausgesetzt natürlich, sie sind auf den Tag X so vorbereitet, dass sie trotz aller Widrigkeiten weiter liefern können. ■

von Frank Frick

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