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MANEGE FREI FÜR DEN GROSSEN ZIMBARDO

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MANEGE FREI FÜR DEN GROSSEN ZIMBARDO

Wer hätte gedacht, dass der Psychologenkongress Ende Juli in Berlin – der größte aller Zeiten – ein dermaßen lehrreiches Stück psychologischer Praxis bieten würde. Fest stand, dass der Auftritt von Philip Zimbardo ein Höhepunkt sein würde. Doch erst während seiner „Vorlesung“ zeigte sich, was den ehemaligen Stanford-Professor von anderen Psychologen unterscheidet.

1000 Zuhörer hatten sich in einen Saal mit 800 Plätzen gedrängt. Hunderte mussten draußen bleiben und verpassten das perfekt inszenierte Spektakel. Als Einstimmung auf das Thema „Die Macht des Bösen“ erklang der Santana-Song „Evil Ways“ aus den Lautsprechern. Nach einer kurzen Einleitung von Zim- bardo steckte man schon mitten in der „Horror-Picture-Show“: Folterfotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib im Kinoformat. Die Bilder, die 2004 durch alle Medien gegangen waren, flackerten im Sekundentakt auf. Noch gruseliger als die Bilder war die Art, wie Zimbardo sie präsentierte. Dafür hatte er tief in die Trickkiste gegriffen – und die Fotoserie mit Soundeffekten unterlegt: erst Kameraklicks, dann Schüsse, ein dunkles Grollen, Herzschläge, Kirchenglocken. Wissenschaftlicher Wert: unbekannt. Aufkeimender Verdacht: Der Meister der Psychologie nutzte die Macht der Bilder unter dem Deckmantel der Wissenschaft für seine eigenen Zwecke – etwa als Werbung für sein neues Buch, dessen Flyer die Tische im Kongresszentrum bedeckten.

Jedenfalls war der Vortrag eine gute Gelegenheit, die Bilder seines 37 Jahre alten Stanford-Prison-Experiments aus dem Archiv zu holen – wie er es schon für sein Buch getan hatte. In aller Ausführlichkeit präsentierte Zimbardo die damaligen Ereignisse. Für das Fachpublikum was das nichts Neues, denn das Experiment gehört zur Grundausbildung eines jeden Psychologen. Nur das Privatfoto von Zimbardo und seiner damaligen Freundin – und heutigen Frau – dürfte vielen neu gewesen sein. Die Anekdote dazu: Die Studentin hatte ihn damals vom Abbruch des skandalösen Experiments überzeugt. Zimbardo hatte sie zu seiner persönlichen Heldin erklärt – und geheiratet. Spätestens bei diesem Bild hatte Zimbardo die Menge für sich gewonnen. Der Meister weiß eben um die Macht der Emotionen – und „die Macht der Umstände“, wie es im Untertitel seines Buches heißt.

Anhand von Juden-Karikaturen erläuterte Zimbardo die wesentliche, aber nicht neue Erkenntnis, dass autoritäre Systeme die Macht haben, Menschen zu manipulieren. Wie paradox: Ausgerechnet der Mann, der vor Autoritätshörigkeit warnt, nutzt sie für seine Zwecke.

Durchschaute das Publikum, das überwiegend aus Psychologen bestand, die Masche? Als die Show vorbei war und der sichtlich erschöpfte 75-Jährige Kusshände in die Menge warf und sich verbeugte, erhoben sich die Zuschauer und klatschten begeistert Beifall. Zeit für kritische Fragen, wie bei allen anderen Vorträgen, gab es nicht. Stattdessen: Sekt- und Signierstunde.

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Für alle, die die „Vorlesung“ verpasst hatten, gab es am nächsten Tag eine Wiederholung. Die frohe Botschaft wurde im gesamten Kongresszentrum über Lautsprecher verkündet und lief als Tickermeldung über die Leinwände in allen Räumen. Die Psychologie-Lektion des Tages: Der Zimbardo-Effekt. Cornelia Varwig

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