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EXPLOSIONEN AUF DEM MARS

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

EXPLOSIONEN AUF DEM MARS
Während die Suche nach Eis im Marsboden mit dem Phoenix-Landegerät anläuft, melden die beiden Mars-Rover bereits neue Entdeckungen: Spuren einer explosiven vulkanischen Vergangenheit.

Monatelang ging es für Spirit bergauf. Dann war der Mars-Rover auf dem 100 Meter hohen Hügel der Columbia-Hills angelangt. Als er seine Kameras schweifen ließ, registrierten sie eine seltsame Formation im Süden: ein Plateau, das inmitten eines steinigen Tals zwei bis drei Meter über die Umgebung aufragte. So etwas hatten die Forscher noch nie gesehen. Auch auf Fotos der Mars-Orbiter in der Umlaufbahn war das rund 90 Meter große Gebilde auszumachen. Es erhielt den Namen „Home Plate“, da es aus der Vogelperspektive dem gleichnamigen fünfeckigen Abschnitt in einem Baseball-Feld ähnelt. Die Wissenschaftlern in der Bodenkontrolle am kalifornischen Jet Propulsion Laboratory (JPL) entschieden umgehend, dass Spirit sich zu Home Plate auf den Weg machen sollte. Ein halbes Jahr später war der Roboter am Ziel – ein Glücksfall, wie sich herausstellte. Denn das geheimnisvolle Plateau gehört zu den interessantesten Objekten, die Spirit und sein Rover-Zwilling Opportunity bislang erforscht haben.

„Home-Plate ist einzigartig“, sagt auch Göstar Klingelhöfer von der Universität Mainz. Die Columbia Hills sind sowieso eine Fundgrube für aufschlussreiches Mars-Gestein nach der eintönigen Ebene, die Spirit zuvor durchquerte. So fand man an einigen Stellen das Eisenmineral Goethit, das nur zusammen mit größeren Mengen Wasser entstehen kann. Der Goethit-Fund gelang mit dem Mainzer Mößbauer-Spektrometer an Bord von Spirit, für das Klingelhöfer verantwortlich ist. Damit können eisenhaltige Mineralien im Mars-Gestein untersucht werden.

Auch bei Home Plate spürte das Spektrometer eine Besonderheit auf: „Wir haben verschiedene charakteristische Häufigkeitsvariationen bestimmter Mineralien gemessen, je nachdem, auf welcher Seite von Home Plate wir unser Instrument ansetzten“, erklärt Klingelhöfer. Zum Beispiel beim Silikat-Mineral Olivin: „Auf der einen Seite fanden wir immer wieder Olivin, auf der gegenüberliegenden Seite fehlt es dagegen fast völlig.“ Offenbar verwitterte bei der Entstehung von Home Plate das Mars- Gestein verschieden stark. Im Wissenschaftsmagazin Science deuteten die Mars-Forscher kürzlich ihre Funde. Das internationale Autoren-Team um Steve Squyres von der Cornell University, New York, kam zu dem Schluss, dass Home Plate das steinerne Überbleibsel von explosivem Vulkanismus auf dem Mars ist. Die Zutaten dafür: heißes Magma und Wasser.

SPRITZENDER SCHLAMM

Auch auf Spirits Fotos fanden die Forscher Belege für ihre Hypothese. So entdeckten sie in dem geschichteten Gesteinskomplex einen etwa vier Zentimeter großen Stein, der deutlich erkennbar die Schichtung in seiner Umgebung stört. „Eines der schönsten Bilder überhaupt“, schwärmt Squyres, der die Rover-Mission leitet. Geologen kennen Ähnliches von der Erde, wenn ein Stein durch eine vulkanische Explosion hoch geschleudert wird und sich beim Rücksturz in weiche Bodenschichten bohrt. Der vulkanische Basalt in der Umgebung von Home Plate deutet an sich nicht auf Explosionen hin. Wenn allerdings der heiße Basalt auf Wasser getroffen wäre, könnte es zu Dampfexplosionen gekommen sein. Auf dem Mars kommt dafür Grundwasser oder Bodeneis infrage. Dem Anschein nach fiel der Stein, dessen Foto Squyres so begeistert, auf nassen Untergrund. Denn die umliegende Schichtung sieht so aus, als sei beim Aufschlag Schlamm aufgespritzt.

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Ein weiterer Hinweis auf ein feuchtes Ambiente stammt aus der chemischen Analyse: Der hohe Chlor-Gehalt im Bodengestein ließe sich gut durch den Kontakt mit einer Salzlauge erklären. Auch die hellen Flecken im Boden, die das Mars-Mobil mit seinen Rädern freigelegt hat, passen zu einer vulkanischen und feuchten Entstehungsgeschichte von Home Plate. Ralf Gellert von der kanadischen Guelph University, der mit dem APXS-Instrument (Alpha Particle X-Ray Spectrometer) die chemische Zusammensetzung der Mars-Oberfläche entschlüsselt, hatte in der Nähe von Home Plate die Flecken in den Rover-Spuren zufällig entdeckt. „Sie ähneln anderen hellen Stellen, wo wir hohe Sulfat-Werte gefunden haben – Indizien für eine feuchte Vergangenheit“, sagt Gellert.

Etwa vier Wochen später besuchte Spirit erneut die Fundstelle, und APXS schritt zur Analyse. „Auf den ersten Blick waren die Ergebnisse langweilig“, meint der Forscher. „Wir maßen fast ausschließlich Silizium und erhöhte Titanwerte. Da waren kaum andere Elemente drin.“ Insbesondere das sonst häufige Eisen war kaum vorhanden. Ein genaue Prüfung ergab: Der helle Bodenfleck enthielt über 90 Prozent Quarzsand (Siliziumdioxid).

Die Geologen im Rover-Team waren begeistert: Sie interpretierten das Resultat, das vom Infrarotspektrometer an Bord gestützt wird, als ein Lehrbuchbeispiel für die Einwirkung von säurehaltigem Dampf auf Basaltgestein. Im Lauf der Zeit lösen sich fast alle chemischen Elemente aus den Basaltbrocken, bis nur die schwer löslichen Elemente Silizium und Titan als Oxide übrig bleiben. Vergleichbare Prozesse sind aus vulkanischen Gebieten auf der Erde wie Island oder Hawaii bekannt. Dort tritt in sogenannten Fumarolen säurehaltiger Wasserdampf aus Bodenöffnungen aus.

STAUBSTURM SORGT FÜR STROMAUSFALL

Nach der geologischen Feldarbeit folgten unruhige Zeiten für den Mars-Rover: Ein gefährlicher Staubsturm verdunkelte den Mars-Himmel, sodass seine Solarzellen kaum noch Strom erzeugten. Und als der Himmel sich wieder klärte, rieselte der Staub auf die Zellen. Auf einem aktuellen Foto heben sich die Solarzellen kaum noch von der staubigen Umgebung ab. Mit diesem Handicap startet der Rover nun in seinen dritten Mars-Winter. Gellert bedauert: „ Für Spirit wird es erst einmal monatelang hauptsächlich ums Überleben gehen.“ Strom zum Fahren hat er nicht mehr. Immerhin ist er bislang 7,5 Kilometer weit gekommen.

Spirits Zwilling Opportunity ist da viel besser dran – er absolviert nach wie vor erfolgreich sein Programm. An der äquatornahen Landestelle beginnt er seine Hauptschicht typischerweise während der wärmsten Tageszeit, wenn die Sonne ihren höchsten Stand hat. Dann startet Opportunity zur Fahrt ins Gelände oder bewegt seinen Roboterarm mit den Messinstrumenten. Während die Strahlen der Nachmittagssonne seine Batterie wieder aufladen, hält der Rover ein „Schläfchen“. Am Spätnachmittag muss er wieder ran: Die Sonde Odyssey im Orbit überfliegt seine Landestelle. Odyssey fungiert als Relaisstation zur Übertragung der Rover-Daten zur Erde, die beim Überflug dem NASA-Satelliten übermittelt werden. Nachts sinkt Opportunity in einen „Tiefschlaf“ . Um Energie zu sparen, ist seine Batterie völlig abgeklemmt. Am nächsten Morgen wird Opportunity entweder vom Solarstrom der Morgensonne geweckt, oder die Bodenkontrolle beordert ihn direkt über die Bordantenne zur Arbeit. Zu dieser Tageszeit schießt der Mars-Rover meistens Schnappschüsse von seiner Umgebung.

Der planetenweite Staubsturm wütete zwar auch an Opportunitys Landestelle, doch der Wind hat offenbar die Solarzellen wieder gesäubert. Er wehte vermutlich aus dem Innern des Victoria-Kraters heraus. Diesen 800 Meter großen Krater erreichte der Rover nach kilometerweiter Anfahrt im Herbst 2006. Mittlerweile hat er insgesamt 11,5 Kilometer zurückgelegt und ist ins Kraterinnere vorgestoßen. Dort warten tiefere Gesteinsschichten, die älter sind als alles, was bisher in dieser Region untersucht wurde. ■

THORSTEN DAMBECK, promovierter Physiker und Wissenschaftsautor in Heidelberg, berichtete im Aprilheft über den Saturn-Mond Iapetus.

von Thorsten Dambeck

Phoenix findet Eis

Die amerikanische Raumsonde Phoenix hat Indizien für Wassereis im Mars- Boden gefunden. Sie landete am 25. Mai in der nördlichen Arktis (bild der wissenschaft 8/2008, „Buddeln auf dem Mars“). Am 15. Juni legte ihr ferngesteuerter Roboterarm bei einer Grabung weiße Flecken im roten Mars-Boden frei. Vier Tage später war das weiße Material in der Grabspur verschwunden. Vermutlich ist es in den gasförmigen Zustand übergegangen. „Es muss Eis gewesen sein“, folgert Phoenix-Chefwissenschaftler Peter Smith von der University of Arizona in Tucson. Bei einer neuen Grabung stieß der Roboterarm auf eine harte Stelle – wahrscheinlich ebenfalls Eis. Eine Probe wurde bereits genommen. Außerdem wird zurzeit analysiert, ob es im Boden einst flüssiges Wasser gab. Weitere Nachrichten: Im Juli bildete das Rasterkraftmikroskop an Bord erstmals 100 Nanometer kleine Oberflächendetails eines Staubteilchens ab. Außerdem wurden in den Bodenproben Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium und Natrium nachgewiesen. „Im Mars-Boden könnte man Spargel anbauen“, sagt Samuel Kounaves von der University of Arizona in Tucson. Lebensfeindliche Giftstoffe wurden darin bislang nicht festgestellt. RV

Kompakt

· Seit Anfang 2004 erforschen die beiden automatischen Mars-Rover Spirit und Opportunity den Roten Planeten.

· Beide haben viel länger durchgehalten als anfangs geplant. Ihre gemeinsame Fahrtstrecke beträgt bislang fast 20 Kilometer.

· Spirit fand in seinem Landegebiet Spuren von Wasser und von Magma, das mit Wasser reagiert hat.

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