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Eisen gegen den Treibhauseffekt

Allgemein

Eisen gegen den Treibhauseffekt
Man dünge das Meer mit Eisen, und das Kohlendioxid ist gebunden. Eine ökologische Schnapsidee?

Die Idee klingt phantastisch: Das Meer schluckt riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid – und die Menschheit ist ihre Klimasorgen los. Das Geheimrezept: Man nehme Eisenpulver und verstreue es in homöopathischen Dosen gleichmäßig auf der Meeresoberfläche. Das Metall kurbelt als Dünger die Produktion von pflanzlichem Plankton an, das plötzlich wie Unkraut wuchert. Den Rest erledigt die Natur. Die winzigen Organismen nehmen bei der Photosynthese CO2 auf und ziehen es mit sich in die Tiefe, wenn sie absterben und zum Meeresgrund sinken. Dort bleibt es für Jahrhunderte oder Jahrtausende der Atmosphäre entzogen – und die globale Erwärmung ist gestoppt. Ein amerikanischer Chemieingenieur denkt bereits an die Vermarktung des Verfahrens. Michael Markels hat sich von den Marshall-Inseln für einen Millionenbetrag die Nutzungsrechte für ein 2,7 Millionen Quadratkilometer großes Stück Ozean gesichert. Das riesige Areal reicht seiner Ansicht nach aus, den kompletten Weltausstoß an Kohlendioxid zu beseitigen – zu einem „sehr guten Preis von etwa zwei Dollar pro fixierter Tonne“. Derzeit verhandelt er mit einem amerikanischen Energieversorger über ein Demonstrationsprojekt, bei dem er innerhalb von zwei Jahren 500000 Tonnen Kohlendioxid versenken will. In anderthalb Jahren könnte es losgehen. Dann soll eine spezielle Düngermischung mit Schwimmkapseln einsatzreif sein und gewährleisten, daß der Eisendünger über längere Zeit wirkt. Daß man mit Eisen Kohlendioxid binden kann, liegt an der Zusammensetzung des Meerwassers: In weiten Teilen der Ozeane gibt es zwar genug Grundnahrung für das Phytoplankton – vor allem Phosphor und Stickstoff –, Eisen fehlt dagegen fast völlig. Ohne geringe Mengen des Minerals aber können die Organismen nicht gedeihen. Fügt man es hinzu, blüht die Wasserwüste auf. Das zeigten Experten der kalifornischen Moss Landing Marine Laboratories schon 1995. Beim Experiment IronEx-2 düngten sie ein 72 Quadratkilometer großes Gebiet nahe den Galapagos-Inseln mit 450 Kilogramm Eisen und registrierten eine Zunahme der Plankton-Biomasse auf das 30fache. Die wenigen Säcke Dünger entzogen der Atmosphäre rund 10000 Tonnen Kohlendioxid. Die Methode hat allerdings einen Haken: „Wir haben absolut keine Ahnung, wie das Ökosystem Ozean auf die Düngung reagiert“, sagt Ulf Riebesell. Der Meeresforscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven warnt vor einer Meeresdüngung im großen Stil: Durch den Eingriff könnten einige Glieder aus der Nahrungskette wegbrechen – mit katastrophalen Folgen für den Artenreichtum. Auch die US-Behörden sind skeptisch und haben Markels Plan abgelehnt. Obendrein findet das Experiment möglicherweise am falschen Ort statt. Riebesell bezweifelt, daß man in Äquatornähe dem Treibhauseffekt überhaupt beikommen kann. Dort strömt zwar eisenarmes Wasser auf, das genug Nährstoffe enthält. Doch die werden von Algen aufgezehrt, bevor das Wasser wieder absinkt. Die Auswirkungen auf den globalen CO2-Haushalt wären gleich null. Bessere Chancen bietet der südliche Ozean rings um die Antarktis. Sein Wasser ist dauerhaft mit Nährstoffen übersättigt. Gibt man dort so lange Eisen zu, bis die natürlichen Vorräte an Stickstoff und Phosphor aufgezehrt sind, geht die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre theoretisch auf vorindustrielle Werte zurück. Im Herbst wird ein internationales Team mit Riebesell im Weddelmeer auf einer Fläche von 30 mal 30 Kilometern Eisen ausbringen und die ökologischen Folgen untersuchen. Riebesell: „ Es werden immer Leute kommen, die eine Düngung im großen Stil planen wollen. Da brauchen wir als Meeresforscher Argumente.“

Klaus Jacob

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