Dass sich die Weltanschauungen und die Wahrnehmung von Dingen in den verschiedenen Kulturkreisen von West und Ost unterscheiden, ist bekannt. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass Angehörige westlicher Gesellschaften Aufgaben eher analytisch angehen und sich dabei auf einzelne Objekte konzentrieren, um diese in Kategorien einzuordnen. Ostasiaten dagegen betrachten die Dinge mehr in einem Gesamtkontext. Unklar war bisher, auf welcher Wahrnehmungsstufe diese Unterschiede beginnen. US-Forscher der University of Michigan in Ann Arbor haben jetzt herausgefunden, dass sie bereits auf einer sehr tiefen Ebene einsetzen.
Die Psychologen um Richard Nisbett zeigten zwei Gruppen von chinesischen und amerikanischen Freiwilligen verschiedene Fotos und zeichneten dabei die Augenbewegungen der Teilnehmer auf. Auf den Bildern waren zentrale Objekte vor einem realistischen Hintergrund zu sehen – etwa ein Tiger im Dschungel. Die Amerikaner fixierten die Objekte im Vordergrund schneller und betrachteten sie länger als die Chinesen. Diese wiederum schauten zuerst schnell auf den Hintergrund und stellten dann eine Verbindung mit dem Objekt im Vordergrund her.
Nisbett meint, dass die Unterschiede auf den verschiedenen Philosophien der Kulturkreise beruhen: „Harmonie ist ein zentraler Punkt in Asien. Daher will man dort die Dinge in einen Gesamtzusammenhang einordnen. Im Westen dagegen geht es im Leben vor allem darum, klare Ziele zu erreichen.“