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Kein Spar-Auto fürs Volk

Allgemein

Kein Spar-Auto fürs Volk

Es hätte das Autofahren und die Umwelt sauberer machen sollen: das Dreiliter-Auto. Doch nach nur sechs Jahren war am 30. Juni die Zukunft für das einstige grüne Umweltprojekt Nummer eins zu Ende – und dies obwohl der Spritpreis in dieser Zeit immer weiter gestiegen ist: Der letzte Spritspar-Rekordhalter rollte in Wolfsburg vom Band. Zusammen mit dem normalen Lupo stellte VW auch die Produktion des Diesels mit dem kleinen Durst ein. Das zweite Auto, das mit ähnlich wenig Sprit zu bewegen war – der Audi A2 1,2 Tdi – hatte zu diesem Zeitpunkt den Kampf um den Kunden schon verloren.

„Die ganze Welt hat nach dem Dreiliter-Auto geschrien, aber es hat sich gezeigt, dass die Menschen so viel Geld nicht fürs Spritsparen ausgeben wollen”, begründete ein VW-Konzernsprecher das Aus für den einstigen „Meilenstein der Fahrzeugtechnik”. Der Sparsamkeit wegen sei der Dreiliter-Lupo aus leichteren Materialien gebaut worden – sogar Heckklappe und Lenkrad waren aus teurem Magnesium. Deshalb wollte das Wunder offenbar niemand haben. Mit über 15 000 Euro kostete das Symbol der mobilen Ökowende soviel wie ein Golf, dafür war es aber weniger sicher, hatte nur wenig Komfort und ein gewöhnungsbedürftiges Fahrverhalten. Enttäuschend wenige Käufer – nur 30 000 – griffen europaweit zu: halb so viele wie geplant.

Doch war wirklich nur der uneinsichtige Kunde schuld, der das Technologiewunder, wie es VW nun darstellt, einfach nicht haben wollte? „Nein”, sagt Gert Schmidt, „VW ist mit der Entwicklung des Dreiliter-Lupo dem Irrglauben erlegen, dass moderne Technik bei der Masse der Käufer ihren Preis erzielt, dass die Menschen es belohnen, wenn eine neue Technik kommt.” Der Professor für Soziologie an der Universität Erlangen erforscht seit Jahren das Kaufverhalten bei Autos. Fehlschläge wie den Lupo hat er schon einige studiert. Seine Beobachtung: Das Gros der Autokunden ist „ strukturell konservativ”. Wer Geld ausgibt, möchte zwar etwas Neues, aber gleichzeitig auch ein Produkt, das sich bereits bewährt hat. „Klingt paradox, lässt sich aber auch beim Kauf von Rasierapparaten beobachten”, sagt Schmidt.

Beim Lupo ist für den Professor die Sache klar: VW hat die falschen Kunden mit den falschen Argumenten angesprochen. „Wer in den Massenmarkt will, muss anders kalkulieren.” Wie das geht, macht zurzeit der Autobauer Toyota vor und bietet sparsame Hybridtechnik zu Preisen an, die offensichtlich Käufer anlocken soll. Die Sicherung der Technologieführerschaft ist das den Japanern wert. „So ein technischer Vorsprung wäre auch beim Lupo möglich gewesen”, sagt Schmidt. Jetzt fließen, wie VW betont, zwar Teile und Ideen aus der Lupo-Entwicklung in andere Modelle ein – doch der Image-Vorsprung von Volkswagen ist dahin.

Letztlich ist mit dem Lupo nicht nur ein Auto, sondern auch die Idee des Volksdreiliterwagens mit Hightech aus Germany gescheitert. „Intellektuellenspiele”, poltert Schmidt. So absurd es klingen mag, aber selbst Spritsparen ist für die Gesellschaft offenbar relativ: „Heute glaubt der Käufer, er würde der Umwelt schon dann etwas Gutes tun, wenn er statt zur Zehnliter-Limousine zum größeren Geländewagen greift, der auch nur zehn Liter braucht.”

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Das hat Toyota erkannt – und nutzt die Hybridtechnik als Marketing-Argument für Auf- statt Abrüstung. Im Geländewagen Lexus Rx 400h tut das motorische Doppelherz seinen Dienst und senkt den Verbrauch von etwa zwölf auf neun Liter. „Damit machen wir die Geländewagen für Käufer attraktiv, die sich das vorher nicht leisten konnten oder wollten”, sagt ein Konzernsprecher stolz. Auch die Zukunft der Dreiliter-Idee wird nun in Japan geschrieben. In diesen Tagen geht in Tokio mit dem Stadtauto „i” die Sparära los. Es ist klein, günstig, benzinbetrieben. Gebaut wird der „i” von Mitsubishi. Nach Deutschland wird er nicht kommen. Diesen Plan hat der japanische Konzern mit dem Tod des Lupo gestrichen. Tobias Beck ■

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