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Schlummernde Katastrophe

Erde|Umwelt

Schlummernde Katastrophe
Supervulkane sind die größte aller irdischen Gefahren. Sie haben das Zerstörungspotenzial eines 1,5 Kilometer großen Meteoriten, kommen aber 5-mal häufiger vor.

Feuer regnet vom Himmel, Hunderttausende von Menschen verbrennen in Sekunden, tagelang verschwindet die Sonne hinter dunklen Wolken, Schnee fällt mitten im Sommer, das Grün verdorrt im Umkreis von mehreren Tausend Kilometern, Milliarden Menschen verhungern oder sind auf der Flucht. So ähnlich könnte es sein, wenn in einer dicht besiedelten Gegend ein Supervulkan ausbricht. Alles nur Panikmache? Nein, meint die Geological Society of London. Die Gefahr einer solchen Katastrophe sei größer als die eines Meteoriteneinschlags. Die Society fordert deshalb vermehrte Anstrengungen zur Erforschung der Supervulkane.

Bei Vulkanen denkt man an kegelförmige Berge mit einem Krater, der alle paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte Lava spuckt. Doch in der Erdgeschichte explodierten immer wieder ganz andere Vulkane, die sich im Gelände kaum zu erkennen geben, und schleuderten 100- oder sogar 1000-mal so viel Asche und Lava aus wie der Mount St. Helens bei seinem spektakulären Kollaps 1980. Die Gefahr wird bislang unterschätzt, weil in historischer Zeit nichts Vergleichbares passiert ist. Nur aus Sedimenten lässt sich ablesen, wie verheerend das Erdinnere zuschlagen kann. Schon in den sechziger Jahren hatte sich der amerikanische Vulkanologe Robert Christiansen über heiße Quellen und Vulkanasche im Yellowstone-Nationalpark gewundert, wo weit und breit weder ein aktiver noch ein erloschener Vulkan zu sehen ist.

Supervulkane lassen sich nur selten an der Topographie erkennen. Sie sind nichts weiter als riesige Magmakammern – manche so groß wie Berlin –, die sich sehr langsam füllen und dabei Druck aufbauen. Je größer das Pulverfass, desto seltener explodiert es. Im Yellowstone-Park haben Experten einen Rhythmus von rund 600 000 Jahren ausgemacht. Da der letzte Ausbruch bereits 630 000 Jahre zurückliegt, wäre es allmählich wieder an der Zeit – tatsächlich hebt sich der Boden um einen Zentimeter pro Jahr.

Wenn sich die Magmakammer entleert hat, bricht die Gesteinsdecke darüber ein. Zurück bleibt eine weite Senke, eine so genannte Caldera. Eine der größten Calderen, der Tobasee auf der indonesischen Insel Sumatra, misst 75 mal 45 Kilometer. Als sie vor 74 000 Jahren in einem Inferno entstand, quollen rund 3000 Kubikkilometer glutflüssiges Gestein aus 100 Kilometer langen Spalten. Zum Vergleich: Der Mount St. Helens spuckte 1980 gerade 0,2 Kubikkilometer.

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Nach den Berechnungen der Geological Society ist etwa alle 500 000 Jahre mit einem Ausbruch dieser Größenordnung zu rechnen. Alle 10 000 Jahre könnte ein Supervulkan 200 bis 300 Kubikkilometer Gestein herausschleudern, und jedes dritte Jahrtausend ist ein 100-Kubikkilometer-Ereignis wahrscheinlich.

Nach Ansicht des Umweltexperten Michael Rampino von der New York University hat eine 1000-Kubikkilometer-Eruption ein vergleichbares Zerstörungspotenzial wie der Einschlag eines 1,5 Kilometer großen Meteoriten – ereignet sich aber 4- bis 5-mal häufiger.

Solche Zahlen sind allerdings sehr unsicher. Da Supervulkane so lange schlummern, sind nicht einmal alle ihre Standorte bekannt, geschweige denn die geförderten Gesteinsmengen. Fest steht, dass sie sich am so genannten Feuergürtel rund um den Pazifik häufen. Aber auch in Indien, Südafrika und Italien – unter den Phlegräischen Feldern bei Neapel – lauern Zeitbomben, die das Zeug haben, die Zivilisation aus dem Tritt zu bringen. Schon eine Ascheschicht von einem Zentimeter genügt, um die meisten Feldpflanzen zu vernichten. Als der Yellowstone-Vulkan vor 630 000 Jahren ausbrach, legte sich der Ascheteppich fast über das gesamte Gebiet der heutigen USA. Und der Toba deckte vor 74 000 Jahren nicht nur ganz Sumatra zu, sondern auch den indischen Subkontinent.

Verheerender noch sind die klimatischen Folgen. Mit der Asche gelangen schwefelhaltige Gase in die Stratosphäre, wo sie zu Schwefeldioxid oxidieren und sich schließlich in sulfathaltige Staubteilchen umwandeln. Diese Schwefelsäure-Aerosole legen sich wie ein Schleier um die Erde und fangen einen Teil der Sonnenenergie ab, sodass die Erdoberfläche jahrelang auskühlt. Nachdem 1915 der indonesische Vulkan Tambora ausgebrochen war, herrschten im folgenden Sommer in Nordamerika und Europa winterliche Temperaturen. Nach Modellrechnungen britischer Meteorologen würde ein Ausbruch von Toba-Größe die Temperaturen auf der Nordhemisphäre um zehn Grad senken.

Während es möglich ist, einen anfliegenden Meteoriten von seinem Kollisionskurs abzulenken, gibt es gegen einen Vulkanausbruch kein Mittel. Wenn man allerdings rechtzeitig Bescheid weiß, lassen sich zumindest die schlimmsten Folgen verhindern. Vor allem deshalb fordert die Geological Society, die schlummernden Gewalttäter im Auge zu behalten. ■

Klaus Jacob

COMMUNITY Internet

Report der Geological Society, London:

www.geolsoc.org.uk/ template.cfm?name=Super1

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