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Wem gehört ein Nobelpreisträger?

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Wem gehört ein Nobelpreisträger?
Nobelpreise sind begehrt, die Preisträger ebenso. Manche Einrichtungen vereinnahmen auch Wissenschaftler, die ihre noble Arbeit anderswo geleistet haben.

Alle Jahre wieder steigt Anfang Oktober die Spannung unter den Spitzenwissenschaftlern: Wer erhält den Nobelpreis? Auch in Deutschland wartet man sehnsüchtig auf diese Auszeichnung – vor allem bei der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Sie zählt zu den angesehensten Forschungsstätten weltweit und bezeichnet sich selbst als „Schmiede der Nobelpreisträger“. Doch in den letzten Jahren hoffte man vergeblich. 1995 wurden von der MPG mit Christiane Nüsslein-Volhard und Paul Crutzen die letzten Champions hervorgebracht.

In den Naturwissenschaften ist der Nobelpreis die Auszeichnung schlechthin. Er wird für Physik, Chemie und Medizin/Physiologie am 10. Dezember jedes Jahres vergeben – dem Todestag von Alfred Nobel. Daneben gibt es Nobelpreise für Literatur, den Friedensnobelpreis und seit 1969 auch den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Nicht alle Preisträger alten Schlages waren mit dieser Erweiterung einverstanden. Man könne die Ökonomie wohl kaum als Wissenschaft bezeichnen, wetterte der US-Physiker Murray Gell-Mann. Der Entdecker der Quarks bekam den Preis für just in jenem Jahr, als erstmals auch Wirtschaftwissenschaftler ausgezeichnet wurden.

Neben Ruhm und Ehre, die den Preisträgern zuteil wird, kann sich auch das Preisgeld sehen lassen, das – abhängigig von den Stiftungserträgen – über die Jahre hinweg ständig gestiegen ist und jetzt bei zehn Millionen Schwedischen Kronen liegt – etwa einer Million Euro.

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Nobeliers bilden somit die Crème de la Crème der Wissenschaften. Ihr Glanz strahlt auf alles aus, was sie umgibt. Verständlich, dass sich darin viele sonnen möchten. Albert Einstein ist – wie sollte es anders sein – auch hier das beste Beispiel. Geboren 1879 in Ulm, erhielt er den Physiknobelpreis 1921. Als 15-Jähriger ging er mit seinen Eltern in die Schweiz, kehrte von dort über Prag 1914 wieder nach Deutschland zurück und immigrierte 1933 in die USA. Kein Wunder, dass er sowohl von Deutschland, der Schweiz als auch den USA als Nobelpreisträger reklamiert wird. Auch die jüdische Gemeinde rechnet ihn zu den Ihren.

Aus dem jüdischen Kulturkreis stammt übrigens ein überproportional großer Anteil unter den Preisträgern. Fast 170 aller seit 1901 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Persönlichkeiten haben jüdische Vorfahren. Das sind 22 Prozent aller Preisträger und 37 Prozent der Preisträger aus den USA. Besonderes Gewicht erhält diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass nur zwei Promille der Weltbevölkerung und zwei Prozent der US-Bevölkerung Juden sind.

Es sind vor allem die renommierten Institutionen in den USA, die mit ihren Nobelpreisträgern klotzen: Das Massachusetts Institute of Technology bei Boston schreibt sich 57 Nobelpreisträger zu. Die nicht minder angesehene Columbia University in New York reihte anlässlich ihres 250. Bestehens im vergangenen Jahr gar 72 Laureaten in die „Columbians“ ein.

Die Max-Planck-Gesellschaft verzeichnet seit ihrer Gründung 1948 dagegen nur 15 Preisträger. Zusammen mit ihrer Vorgängerin, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, kommt diese deutsche Forschungseinrichtung auf 30 Laureaten. Im Vergleich zu Columbia oder dem MIT deutlich weniger – könnte man glauben.

Wer sich genauer mit den präsentierten Preisträgern beschäftigt, kommt freilich auf andere Ergebnisse. Manche Forschungseinrichtungen entwickeln erstaunliches Besitzstandsdenken, wenn es um Nobelpreise geht, und vereinnahmen jeden Laureaten, der im Lauf seiner Karriere mit ihnen in Verbindung stand. Ein Beispiel ist der Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Der gebürtige Österreicher forschte 20 Jahre bei der MPG und bekam in deren Diensten 1973 den Preis. Er steht aber auch auf der Nobelliste der Columbia-Universität: 1922 hörte er an der New Yorker Universität Medizinvorlesungen. Ein anderes Beispiel ist der Italiener Carlo Rubbia. Er war langjähriger Direktor des Europäischen Kernforschungszentrums CERN und bekam 1984 den Physiknobelpreis für die dort von ihm experimentell nachgewiesenen W- und Z-Teilchen. Auch Rubbia wird von Columbia zu den eigenen Gewächsen gezählt: Er hatte dort Ende der Fünfzigerjahre anderthalb Jahre gearbeitet.

Dass nicht alle Institutionen ein so einnehmendes Wesen entwickeln, zeigt ein drittes Beispiel: Die beiden deutschen Physiker Horst Störmer (Nobelpreis 1998) und Wolfgang Ketterle (2001) hatten etliche Jahre an Max-Planck-Instituten geforscht, arbeiten inzwischen aber seit längerer Zeit in den USA und haben sich dort ihre Auszeichnung verdient. Die MPG erkennt dies an – und führt die beiden nicht in ihren Annalen.

Um einen echten Vergleich zu bekommen, wie erfolgreich diverse Forschungseinrichtungen bei der Jagd nach Nobelpreisen sind, empfiehlt es sich, die offizielle Preisträgerliste der Nobelstiftung zu studieren. Sie nennt für den Preisträger jene Forschungsstätte, an der er zum Zeitpunkt der Verleihung tätig war. Für die Columbia University bleiben dann statt 72 nur noch 15 Auszeichnungen übrig. Betrachtet man jüngere Erfolge – nur sie spiegeln die aktuelle Leistungskraft einer Forschungseinrichtung wider –, liest sich die Liste so: Nach der Aufstellung der Nobel-Stiftung kam die MPG in den 25 Jahren von 1980 bis 2004 auf acht Preisträger. Columbia kann sechs reklamieren – und nur drei davon stammen aus den Naturwissenschaften.

An einer Statistik der Nobelpreisträger ist allerdings nicht zu rütteln. Unter den 770, die von 1901 bis 2004 ausgezeichnet wurden, sind gerade einmal 33 Frauen. Nur 11 davon erhielten die Auszeichnung für Physik, Chemie oder Medizin/Physiologie. Und selbst sie werden nicht entsprechend wahrgenommen. So wurde Christiane Nüsslein-Volhard auf dem jüngsten Treffen der Nobelpreisträger in Lindau tatsächlich als Ehefrau eines Preisträgers angesprochen. ■

Heinz Horeis

COMMUNITY internet

Die offizielle Preisträgerliste der Nobel-Stftung:

nobelprize.org

Nobelpreise und meist zitierte Wissenschaftler:

www.in-cites.com/nobel/2002-nobel.html

Nobelpreisträger der Columbia University:

c250.columbia.edu/c250_celebrates/ nobel_laureates

Ohne Titel

Massachusetts Institute of Technology 11 3 72

Stanford University 10 2 126

Harvard University/ Harvard Medical School 9 1 115

Max-Planck-Gesellschaft 8 0 58

Princeton University 7 2 57

Caltech 6 0 58

Columbia University 6 3 32

Wenn Man es offiziell auch nicht zugibt: Die Max-Planck-Gesellschaft giert danach, endlich wieder einen Nobelpreis zu bekommen – von 1996 bis 2004 hoffte man vergebens. Doch bei erweitertem Betrachtungszeitraum können sich die Erfolge der MPG durchaus sehen lassen. In den letzten 25 Jahren verzeichnete sie laut Stockholmer Nobelstiftung 8 Laureaten. Auch im Ranking der meist zitierten Forscher liegt die MPG gut.

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