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Horsts Helden

Gesellschaft|Psychologie

Horsts Helden
Zum 9. Mal wird der Deutsche Zukunftspreis vergeben. Nominiert sind vier Teams, die sich mit sauberen Motoren, Kameras für Schall, Pflanzenschutz nach dem Vorbild der Natur sowie schnellen Computertomographen beschäftigen. Wer den mit 250 000 Euro dotierten Preis erhält, wird von Bundespräsident Horst Köhler am 11. November in Berlin bekannt gegeben.

Piezo-Injektoren: Ventile mit Feuerzeug-Effekt

In Westeuropa hatte 2004 jeder zweite neu zugelassene Pkw einen Dieselmotor. Zur Beliebtheit des Diesels führte vor allem die Direkteinspritzung, die seit rund 15 Jahren eingesetzt wird. „ Neue Systeme zur Direkteinspritzung haben den Dieselantrieb zu einem sparsamen Motor mit hohen Drehmomenten aus dem Stand heraus gemacht – mit geringem Kraftstoffverbrauch, niedrigen Emissionswerten und leisen Laufgeräuschen“, sagt Friedrich Boecking, Entwicklungsleiter für Einspritzsysteme bei Bosch in Stuttgart. Dass bei dieser Technologie immer noch deutliche Verbesserungen möglich sind, zeigt die Entwicklung von so genannten Piezo-Injektoren, die Teams bei den Automobilzulieferern Bosch und Siemens VDO Automotive unabhängig voneinander vorangetrieben haben.

Bei den bislang gebräuchlichen Techniken für die Direkteinspritzung werden die Ventile, die für die Injektion des Sprits sorgen, elektromagnetisch geöffnet und geschlossen. Piezo-Injektoren dagegen nutzen dafür den Piezo-Effekt. „Dieser Effekt beruht darauf, dass manche Kristalle unter mechanischem Druck eine elektrische Spannung aufbauen“, erklärt Hans Meixner, Bevollmächtigter für Sensor- und Aktuatortechnik bei der Siemens-Forschung in München. Kristalle, die diesen Effekt zeigen, sitzen beispielsweise im Zündkopf von Feuerzeugen. „Das Ganze funktioniert aber auch umgekehrt“, sagt Meixner: „Legt man an den Kristall eine elektrische Spannung an, verformt er sich blitzschnell – und diese Verformung lässt sich nutzen, um Kräfte zu erzeugen.“

Zum Beispiel zum Öffnen und Schließen der Einspritzventile: Die Ventile, die die beiden Forscherteams bei Bosch und Siemens VDO Automotive aus einer piezoelektrischen Keramik gebaut haben, erlauben extrem kurze Schaltzeiten von nur 0,1 Millisekunden – das ist etwa vier- bis fünfmal schneller als bei herkömmlichen Systemen zur Direkteinspritzung. Die dadurch erhöhte Präzision beim Einspritzen des Kraftstoffs wiederum macht die Verbrennung im Motor noch effizienter und sauberer. So lässt sich durch Piezo-Injektoren in einem Dieselmotor der Kraftstoffverbrauch um rund drei Prozent senken, die Emissionen von Stickoxiden und Dieselpartikeln – und damit der Ausstoß an Feinstaub – verringern sich um bis zu 20 Prozent.

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Den Entwicklern bei Bosch und Siemens VDO ist mit der Piezo-Technik ein großer Wurf gelungen. Im Jahr 2000 gingen die ersten Ventile in Produktion, 2001 wurden bei beiden Firmen zusammen bereits 500 000 Piezo-Injektoren gefertigt. 2004 stellten die Unternehmen über 3 Millionen Einheiten her, 2006 sollen es rund 16 Millionen sein. Und bald sollen nicht mehr nur Dieselautos davon profitieren.

Akustische Kamera:

Fotoapparat für Lärm

Lärmquellen präzise zu orten, war bisher sehr schwierig – „ insbesondere, wenn sie in Maschinen versteckt waren“, sagt Gerd Heinz, Projektleiter bei der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFAI) in Berlin. So musste man früher mit einem Mikrofon die Maschine Stück für Stück abscannen, die gemessenen Werte aufschreiben – und sich so aus den einzelnen Aufnahmen mühsam ein „Bild“ des Schallfelds machen. Eine deutliche Vereinfachung gegenüber solchen aufwendigen Methoden bietet eine Technologie, die Forscher der GFAI entwickelt haben: eine „Akustische Kamera“.

Mit ihr ist es möglich, die Schallabstrahlung beliebiger Quellen schnell und bequem aufzunehmen – wie ein Foto mit einem Fotoapparat. „Dazu werden über eine Anordnung mehrerer Mikrofone Töne aufgenommen und in einem Datenrecorder digitalisiert“, erklärt Swen Tilgner, bei der GFAI für Fertigung, Einkauf und Konstruktion der Akustischen Kamera verantwortlich. Ein PC berechnet daraus „Schallkarten“, die laute Schallquellen rot und leise blau darstellen. Gleichzeitig wird ein digitales Foto des analysierten Gegenstands aufgenommen, das der Schallkarte überlagert wird. So kann man sofort erkennen, von welchen Teilen des Objekts welche Schallemissionen ausgehen.

„Zurzeit gibt es drei Hauptanwendungsgebiete dieser Technik“, sagt Dirk Döbler, Teamleiter Softwareentwicklung bei der GFAI. Zum einen ist das die Bekämpfung von Lärm, der etwa von Baumaschinen ausgeht. Das zweite Anwendungsfeld ist die Qualitätssicherung. Der dritte Bereich ist das Sound-Design, bei dem es darum geht, den Klang etwa eines Autos nach den Wünschen der Konstrukteure zu gestalten. „Der Motor eines neuen Wagens muss gut klingen“, erklärt Döbler. Da darf es nirgends rasseln oder klappern. „Das Sound-Design ist der Bereich, mit dem wir das meiste Geld verdienen“, sagt Döbler.

Seit die Berliner die Akustische Kamera 2001 auf den Markt gebracht haben, konnten sie rund 40 Geräte verkaufen, die meisten an Anwender in der Autoindustrie. Doch auch Kühlschränke und Plasmamonitore werden damit optimiert.

Natürlicher Pflanzenschutz:

Pilzgift und Power-Droge

Chemie und schonender Pflanzenschutz sind keine Gegensätze. Davon ist Hubert Sauter, bis 2004 wissenschaftlicher Direktor im Forschungsbereich Fungizide bei der BASF in Ludwigshafen, überzeugt. „Die Natur selbst arbeitet mit Chemie“, sagt er – und Chemiker können viel von der Natur abschauen. Beleg ist ein Fungizid, das Wissenschaftler der BASF nach dem Vorbild der Natur entwickelt haben. Das Besondere an dem Mittel mit dem Namen F 500: Es schützt Pflanzen nicht nur vor Pilzbefall, sondern verleiht ihnen zusätzlich Vitalität.

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Fungizids war Strobilurin A – eine Substanz, die der Kiefernzapfenrübling, ein Waldpilz, erzeugt, um sich andere Pilze bei der Konkurrenz um Nahrung aus dem Boden vom Leib zu halten. Deutsche Wissenschaftler hatten den Stoff in den Siebzigerjahren entdeckt, Forscher der BASF entwickelten auf seiner Basis eine Fülle von Stoffen – den Strobilurinen –, von denen sich viele als Pilzgift eignen. „Strobilurine hemmen gezielt eine bestimmte Stufe der Zellatmung in den Mitochondrien – den Kraftwerken der Zellen“, erklärt Sauter. „Ohne diese Atmung geht den angreifenden Schadpilzen die Energie aus und sie sterben ab.“ Diese Selektivität bedeutet auch eine hohe Umweltverträglichkeit: Andere Organismen werden nicht geschädigt.

Ein Abkömmling der Strobilurine ist das F 500. Schon in Gewächshausstudien war aufgefallen, dass es neben einer guten Wirkung gegen Pflanzenkrankheiten auch eine satte grüne Färbung der Blätter der behandelten Pflanzen bewirkt. Freilandversuche bestätigten das. F 500 hilft der Pflanze, sich besser an Stressfaktoren aus der Umwelt anzupassen, fanden die BASF-Forscher heraus. „Darüber hinaus steigert es die Leistungsfähigkeit, indem es wichtige ertragsbildende metabolische Prozesse fördert“, erklärt Klaus Schelberger, der bis 2003 den Bereich Biologische Entwicklung Fungizide im Pflanzenschutz bei der BASF leitete.

2002 brachte das Ludwigshafener Unternehmen das Fungizid auf den Markt. Noch im selben Jahr konnte es seine Wirksamkeit unter Beweis stellen: Zu jener Zeit sorgte in Südamerika eine neue Krankheit im Sojaanbau für Schlagzeilen. Der Sojarost ließ die Blätter der Sojapflanzen kurz vor der Ernte braun und schwarz werden. Die gesamte Ernte war bedroht. Durch Einsatz eines Produkts auf Basis von F 500 ließ sich die Krankheit erfolgreich bekämpfen. Das machte das Fungizid in Südamerika in kürzester Zeit zur Nummer eins auf dem Markt.

Röntgenstrahler für TomographEN: Schneller Blick ins Herz

Alltag auf der Notfallstation: Ein Patient wird eingeliefert, bei dem zunächst unklar ist, was ihm fehlt. Mithilfe der Computertomographie (CT) ist es möglich, in nur rund 20 Sekunden eine Röntgenaufnahme vom ganzen Körper zu machen – anhand derer der Arzt rasch eine vollständige Diagnose stellen kann. Besonders schnelle CT-Untersuchungen ermöglicht ein neuartiger Röntgenstrahler, den Forscher bei Siemens in Erlangen entwickelt haben.

Das Innovative an dem Gerät namens Straton: Es nutzt ein neues Prinzip der Wärmeableitung. „Das Problem beim Erzeugen von Röntgenlicht ist, dass nur etwa ein Prozent der hineingesteckten Energie in das Röntgenlicht geht – die übrigen 99 Prozent werden in Wärme verwandelt“, erklärt Karin Söldner, Projektleiterin Straton bei Siemens. Diese Wärme muss abgeführt werden. Bei herkömmlichen Röhren geschieht das vor allem durch Abstrahlung. Was nicht abgestrahlt werden kann, speichert die Röntgenröhre. „ Eine Leistungssteigerung ist bei solchen Geräten nur durch Vergrößern von Oberfläche und Volumen möglich“, sagt Söldner. Deshalb sind Röntgenröhren für die CT in der Vergangenheit immer größer geworden. Bei der neuen Technologie ist der Röntgenstrahler in die Hülle der Röntgenröhre integriert. Dort wird er direkt über einen Öl-Kreislauf gekühlt – die Wärme lässt sich so weitaus effektiver abführen. Das ermöglicht es, die Röntgenröhre viel kompakter zu bauen, die so wiederum bei einer CT-Untersuchung schneller als bisher möglich um den Patienten rotieren kann. Für die Patienten bringt das mehrere Vorteile: Zum einen verkürzt sich die Dauer komplizierter CT-Untersuchungen, da die bislang nötigen Wartezeiten zum Abkühlen des Geräts entfallen. „Zudem kann die Aufnahme eines Organs in wenigen Sekunden gemacht werden – und der Patient, der dabei die Luft anhalten muss und sich möglichst nicht bewegen darf, hat die Prozedur in kürzester Zeit hinter sich“, sagt Wolfgang Knüpfer, der bei Siemens den Bereich Vakuumtechnik für Röntgenröhren und Bildverstärker leitet. Da die Aufnahmen schneller erstellt werden, stört auch die Bewegung des Herzens – etwa bei der Untersuchung der Herzkranzgefäße – nicht mehr. „Früher war die Diagnose eines Herzinfarkts oder von Problemen mit den Blutgefäßen per CT sehr schwierig, weil der Herzschlag die Bildauflösung beeinträchtigte“, sagt Knüpfer. „Mit der neuen Technik ist es möglich, den Zustand der Gefäße in einem einzigen Scan mit brillanter Bildqualität darzustellen.“

„Die Entwicklung des Röntgenstrahlers begann 1996″, berichtet Peter Schardt, Abteilungsleiter Vorfeldentwicklung Röntgen- und Vakuumtechnik bei Siemens. Seit Ende 2003 kann man Tomographen mit Straton-Technologie kaufen. Sie könnte bald auch außerhalb der Medizin zum Einsatz kommen – etwa bei der Gepäckdurchleuchtung am Flughafen und der Suche nach Rissen in Motoren und Turbinen. ■

Ralf Butscher

COMMUNITY internet

Informationen über die nominierten Projekte sowie über alle bisherigen Preisträger:

www.deutscher-zukunftspreis.de

fernsehen

Die Preisverleihung wird am 11.11.05 auf PHOENIX ab 12.00 Uhr übertragen. Das ZDF bringt am selben Tag eine Sondersendung nach dem heute-journal ab 22.15 Uhr.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Hören Sie hier die aktuelle Episode:

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