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Der Windstrom fährt spazieren

Technik|Digitales

Der Windstrom fährt spazieren
Elektroautos sind begehrt wie nie zuvor – nicht nur als saubere Fahrzeuge, sondern auch als Zwischenspeicher für Strom aus Sonnen- oder Windenergie. Doch es ist noch keineswegs sicher, dass ihnen die mobile Zukunft gehört.

In der Schweiz steht ein Dinosaurier-Sterben der besonderen Art bevor. Die Bürgerinitiative „für menschenfreundlichere Fahrzeuge” macht Front gegen große, schwere Autos, Straßenkreuzer und vor allem gegen die „SUV” – die Sport-Utility-Vehicles, bis zu zwei Tonnen schwere allradbetriebene Sport-Vielzweck-Fahrzeuge. Zu schwer, zu gefährlich und zu durstig seien diese Wagen, schimpfen die Schweizer. Im Jahr 2008 haben sie fast 150 000 Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid gegen die breitschultrigen Spritschlucker zu erwirken. Derzeit prüft die Regierung den Antrag. Sollte es zur Abstimmung kommen, könnte für die Dicken in dem Alpenland schon 2011 die Luft dünn werden. Denn die Autogegner fordern nicht weniger als ein Zulassungsverbot.

Dass kritische Bürger gegen Autos kämpfen, ist nichts Neues. Doch zurzeit findet in der gesamten Bevölkerung ein Sinneswandel statt: Die Botschaft, dass Öl, Benzin und Diesel begrenzte Ressourcen sind, scheint angekommen zu sein. Noch weiß niemand genau, wie das Auto der Zukunft aussehen wird, ob es mit Elektromotor, Brennstoffzelle oder weiterhin mit Benzin- oder Dieselmotor fährt. Aber dass „dick und durstig” aussterben wird, ist anzunehmen.

„SUV sind in der Schweiz inzwischen bei vielen verpönt – gerade bei denen, die sich solche Fahrzeuge leisten könnten”, sagt Frank M. Rinderknecht, Chef des visionären Design-Büros Rinspeed in Zumikon bei Zürich und Entwickler futuristischer Autokonzepte, die James Bond zur Ehre gereichen würden. Zu Rinderknechts Portfolio gehören Roadster, die tauchen, und Autos, die auf Tragflügeln über das Wasser brausen. Mit seinem neuen Konzept-Fahrzeug „I-Change” („Ich verändere”) setzt er auf einen reinen Elektroantrieb.

Flexibler Flitzer

Der 150 Kilowatt starke Motor beschleunigt den flachen Flitzer mit dem runden Glasdach auf beachtliche 220 Kilometer pro Stunde. Doch der eigentliche Clou ist die veränderbare Karosserie, die sich auf die Zahl der Fahrgäste abstimmen lässt. Maximal drei Personen passen in den Wagen hinein. Düst der Fahrer allein über die Straße, nimmt das Auto windschnittige Tropfengestalt an. Steigen Fahrgäste zu, heben sich Heck und Dach an, um Platz zu schaffen – wie bei einem Marienkäfer, der kurz vor dem Start seine Flügeldecken hebt. „Die Aerodynamik eines Fahrzeugs beeinflusst seinen Verbrauch ganz erheblich”, sagt Rinderknecht. „ Es macht daher wenig Sinn, ständig in einem großen Auto mit vielen Sitzplätzen zu fahren, wenn man doch meist allein unterwegs ist.” Die adaptive Karosserie des I-Change zeigt, wie es anders geht.

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Mit seinem elektrischen Antrieb trifft Rinderknecht den Nerv der Zeit. Alle namhaften Autohersteller haben in den vergangenen Monaten Testfahrzeuge auf die Straßen geschickt. Erstmals wird die Elektromobilität im großen Stil geprobt. Ein Grund für die Elektro-Euphorie ist sicher die Explosion des Ölpreises im Jahr 2008 und die seither wachsende Angst vor galoppierenden Rohstoffkosten. Ein weiterer Grund ist für Rinderknecht der 2006 vorgestellte kalifornische Tesla-Roadster, ein schmucker Flitzer in einer Lotus-Karosserie, den fast 7000 zusammengelötete Notebook-Akkus antreiben. Zwar ist der Tesla nicht viel mehr als eine Batterie auf Rädern, deren Akkus etwa die Hälfte des Gewichts ausmachen. „Aber er sieht gut aus”, sagt Rinderknecht. Für den Schweizer Fahrzeugentwickler steht fest, dass es der Tesla war, der das Elektroauto endgültig aus der Ecke der Piefigkeit befreit hat. „Ein Auto muss Spaß machen, sonst verkauft es sich nicht”, ist er überzeugt. Elektrofahrzeuge sind heute salonfähig. Mehr noch: Derzeit wird die Elektromobilität geradezu bejubelt. Automobilhersteller, Stromkonzerne und Batteriefabrikanten haben Allianzen geschmiedet, um das Elektroauto und die Entwicklung neuer leistungsfähiger Akkus voranzubringen. Mehr als 100 Jahre, nachdem Werner von Siemens mit seinem „Elektromote”, einer Kutsche mit E-Antrieb, erstmals die Berliner Straßen entlangrollte, hat Daimler den E-Smart in London getestet. Und BMW schickt E-Minis auf Testfahrt. Ein Grund ist natürlich, dass die Ölvorräte schwinden und die Menschheit nach Alternativen sucht. Doch es ist auch eine verlockende Aussicht, dass sich das Auto ans Stromnetz koppeln lässt – eine kleine Revolution, denn bisher ist das Auto ein völlig isolierter Energieverbraucher. Angestöpselt an die Steckdose aber wird es zum integralen Bestandteil des Energieversorgungssystems. Damit schluckt das Auto nicht mehr nur Energie – es kann umgekehrt auch Strom ins Netz einspeisen. So ausgestattet, ließe sich die nationale Fahrzeugflotte als Stromspeicher und Ausgleich für schwankende Energiequellen wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen nutzen.

Strom im Auto geparkt

Schon heute liefern Windräder mitunter so viel Strom, dass die Leitungen überlastet sind. Trotz guter Ausbeute schaltet man dann die Rotoren ab. Bei Flaute dagegen produzieren sie gar nichts. Elektroautos könnten dieses Auf und Ab puffern. Wenn Millionen Fahrzeuge am Netz hängen, kommen Strommengen in Kraftwerksdimension zusammen. Selbst für die klassischen Kohlekraftwerke wäre das vorteilhaft. Die schnurren rund um die Uhr mit gleicher Leistung. Nachts, wenn Fernseher, Waschmaschine und Licht ausgeschaltet sind, werden die Energieversorger ihren Strom kaum los und speisen ihn zu einem Spottpreis in Nachtspeicherheizungen ein. Autos könnten den Strom nachts sinnvoller speichern. Tagsüber wiederum, wenn besonders viel Strom benötigt wird, würden die E-Mobile die Energie wieder ins Netz zurückgeben.

Den Autobesitzern könnte dieser Strom besonders vergütet werden. Sie könnten die Auflade- und Einspeisezeiten individuell vorwählen, um Strom zu ziehen, wenn er billig ist, und einzuspeisen, wenn sie dafür das meiste Geld bekommen. Fachleute nennen dieses Hin und Her „Leistungsumkehr”. Philipp Strauß, Bereichsleiter für Anlagentechnik und Netzintegration beim Energie-Forschungsinstitut ISET in Kassel, erklärt: „Die technischen Bausteine, mit denen man Geräte und Autos ans Netz koppeln kann, und Konzepte für intelligente Steuerungen gibt es bereits. Jetzt muss alles noch integriert werden.” Doch bislang fehlen international einheitliche Standards, die man im großen europäischen Stromversorgungsnetz benötigt. Und noch ist unklar, wie das Automobil mit den Kraftwerksbetreibern kommunizieren soll. Denn die Elektronik im Auto muss ja wissen, wenn der Strom günstig oder teuer ist. Zurzeit laufen in mehreren deutschen Regionen erste Pilotprojekte der E-Energy-Initiative der Bundesregierung an, um die „bidirektionale” Kommunikation zwischen Kunde und Stromanbieter zu testen. Vorgesehen ist neben der Steuerung von Spülmaschinen oder neuen Mini-Kraftwerken, die im Haushalt Strom und Wärme erzeugen, auch ein Testbetrieb von Elektroautos. Das ISET steuert einen Teil der Kommunikationstechnik bei. Strauß hält es für möglich, dass eine automatische Steuerung der Geräte in manchen Regionen in fünf bis zehn Jahren selbstverständlich sein wird.

Blick durch die rosarote Brille

Trotz der vielversprechenden Projekte warnt Martin Wietschel vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) vor zu hohen Erwartungen an die Elektromobilität, damit nicht die Enttäuschung auf dem Fuß folgt: „Für diese neue Technologie müssen neue Fabriken gebaut, Kfz-Mechaniker geschult und viele Ingenieure ausgebildet werden. Das dauert seine Zeit.” Die Elektromobilität werde in vielen Studien schön gerechnet. Denn oft bliebe unberücksichtigt, dass mittelfristig für den Autostrom eine Art Mineralölsteuer fällig werden dürfte – wie heute für das Benzin. „Das muss man in die Kosten der Elektromobilität einrechnen”, betont Wietschel. Aber er will nicht als Bremser gelten. Denn er ist davon überzeugt, dass sich die Elektromobilität in den nächsten Jahren durchsetzen wird – ohne dass dafür neue Kraftwerke gebaut werden müssen. Allein mit dem Strom, den heute noch die ineffizienten Nachtspeicherheizungen vergeuden, ließen sich vom Fleck weg rund 14 Millionen Elektroautos betreiben. In Sachen Kohlendioxid-Ausstoß wäre es ebenfalls ein Gewinn, wenn man die Nachtspeicher verschrotten und stattdessen etwa moderne Gasbrennwertheizungen einbauen würde.

Auch andere Experten halten die derzeitige Aufregung um das Elektroauto für ein Strohfeuer. Sie gehen davon aus, dass das Elektroauto nur eine Komponente des zukünftigen Fuhrparks sein wird, der sich aus Fahrzeugen mit Elektroantrieb oder Verbrennungsmotor und Autos mit Hybridantrieb zusammensetzt, dem Doppelpack aus Elektro- und Verbrennungsmotor. Später dürften dann Brennstoffzellen-Fahrzeuge hinzukommen. „Der Fehler der vergangenen Jahre bestand darin, dass man sich immer nur auf eine Technologie festgelegt hat”, sagt Gerold Neumann, Batterie-Experte am Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie in Itzehoe. „Das ist blanker Unsinn, denn jeder Antrieb hat Stärken und Schwächen.”

Schwachpunkt Akku

Das größte Hindernis für eine breite Nutzung von Elektroautos ist die schwache Kapazität der Akkus, was zu einer geringen Reichweite der Fahrzeuge führt. Momentan schafft ein Elektroauto pro Akku-Ladung nur etwa 200 Kilometer. Verglichen mit einem Benzin- oder Diesel-Fahrzeug ist das bescheiden, und so fanden sich bislang kaum Kunden für E-Mobile. Die Batterie der Wahl ist derzeit der Lithium-Ionen-Akku, der vor allem durch die rapide Fortentwicklung der Notebook- und Handy-Akkus enorm verbessert wurde. Der Akku erträgt viele Ladezyklen aus Laden und Entladen, und der Memory-Effekt früherer Akkutypen ist passé. Doch für ein Auto braucht man Akkus, die etliche Kilowattstunden Strom auf kleinem Raum speichern und dennoch sicher sind. Und die gibt es bislang nicht.

Forscher wie Neumann arbeiten jetzt an neuen Materialien für die Akkus der Zukunft – das heißt, an neuen Kathoden-Materialien für den Minuspol der Batterie, um die Lithium-Ionen zu speichern und während des Betriebs des Akkus wieder abzugeben. Die sollen noch mehr Lithium-Ionen binden können. Die Entwicklungssprünge bei den Lithium-Ionen-Akkus waren in den letzten Jahren bereits beachtlich. Die Leistung noch weiter zu steigern und die Akkus damit fit fürs Auto zu machen, ist ungleich schwerer. Die Forscher entwickeln deshalb alternative Akku-Varianten: Metall-Luft-Systeme, Lithium-Luft-Batterien oder auch Lithium-Schwefel-Batterien.

Inzwischen investiert nicht nur das Bundesforschungsministerium, sondern auch die Riege der deutschen Automobilhersteller in Batterieforschung und Elektromobilität. An der Universität Münster unterstützt VW eine Stiftungsprofessur zur Energiespeicherentwicklung. Außerdem kooperieren die Wolfsburger mit Akkuherstellern. Und es gibt Kooperationen mit den großen Energieversorgern – Daimler arbeitet mit RWE zusammen, VW mit E.ON und BMW mit Vattenfall.

Auch wenn der Akku schon nach 200 Kilometern schlapp machen sollte: Elektroautos eignen sich optimal für kurze Strecken in der Stadt – für die Fahrt ins Büro, zum Einkaufen oder für die Spritztour ins Wochenende. „In Deutschland sind laut einer Studie 80 Prozent aller gefahrenen Strecken pro Tag kürzer als 20 Kilometer”, sagt Gernot Spiegelberg, Experte für Elektromobilität bei Siemens. Der Großteil des Autoverkehrs ließe sich also elektrisch bewältigen. Tatsächlich wären die für die Kurzstrecke erforderlichen Technologien schon verfügbar, sowohl die Akkus als auch die Elektronik-Komponenten. Der Elektro-Mini und der strombetriebene Smart zeigen, dass der Sprung in die Serienproduktion kurz bevorsteht. Spiegelbergs Forscherteam lotet gemeinsam mit Kollegen aus den Sektoren Energie und Industrie aus, wie Elektroautos künftig konstruiert sein werden, und vor allem, welchen Einfluss sie auf die Infrastruktur der Stromnetze haben werden – Fragen, die für den Elektrokonzern wesentlich sind, der sich mit der kompletten Kette der Energieversorgung befasst. Einen Markt sieht der Siemens-Fachmann zunächst vor allem bei Zweitwagen: „Bundesweit gibt es heute schon etwa zehn Millionen Zweitfahrzeuge in Deutschland, die zu über 80 Prozent nie weiter als 50 Kilometer pro Tag fahren. Wenn bis 2020 die Hälfte davon rein elektrische Fahrzeuge sind, haben wir eine Menge geschafft.”

Autofahren mit Ökostrom

Doch diese Zahl halten manche für zu hoch gegriffen. Der Fraunhofer-Forscher Martin Wietschel etwa erwartet bis 2020 weniger als eine Million Fahrzeuge mit E-Antrieb. Doch egal, ob es einige Hunderttausend oder Millionen Fahrzeuge sind – faszinierend ist die Aussicht, dass sie sich weitgehend mit Strom aus Sonne und Wind betreiben lassen werden. Benziner und Dieselautos verbrennen fossile Rohstoffe. Daran lässt sich auch mit einem höheren Anteil von Biokraftstoffen kaum etwas ändern. Doch die Massenmobilität mit Ökostrom ist in greifbare Nähe gerückt. 2007 erzeugten Photovoltaikmodule, Windräder und Co in Deutschland bereits 87,4 Terawattstunden Strom. Für die Elektroautos wäre das mehr als genug: Denn der noch recht bescheidene Elektrofuhrpark des Jahres 2020 wird, ist Wietschel überzeugt, nicht viel mehr als drei Terawattstunden benötigen.

Doch der Umwelt-Bonus der Elektroautos kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im Vergleich zu Benzinern viel Zeit zum Tanken benötigen. Einen alternativen Weg hat der Geschäftsmann Shai Agassi mit seinem kalifornischen Unternehmen Better Place entwickelt. Für Israel, Dänemark und Portugal plant er zusammen mit Renault-Nissan ein Netz von Batteriewechselstationen, an denen man leere Akkus in Sekundenschnelle austauschen kann. Agassi will Elektroautos künftig ähnlich wie Handys umsonst ausgeben und dann die tatsächlich gefahrene Strecke in Rechnung stellen. Denn nicht jeder hat das Geld, sich einen Elektroflitzer für die Stadtfahrt zuzulegen. Ob dieses Konzept funktioniert und ob das Elektroauto der Zukunft überhaupt beim Kunden ankommt, weiß noch niemand. Für Gernot Spiegelberg steht fest, dass ein Elektroauto „sexy” aussehen muss, wenn es gekauft werden soll: „ Das Fahrzeug muss Grundkomfort ohne Nutzungsverlust zum selben Preis wie ein Benziner bieten.” Angesichts der geringen Reichweite erscheint das zunächst illusorisch. Reduziert man den Einsatz aber auf die Stadt, sind die Vorteile enorm: Dank Elektromotor fallen Getriebe, Kardanwelle und viele andere Komponenten weg, die bislang die Freiheit im Auto einschränken. Derzeit baut Spiegelberg, unterstützt durch den Batteriehersteller Gaia, zusammen mit der exklusiven Autoschmiede Ruf ein Elektroantriebssystem aus Motor, Generator und Leistungselektronik in einen Porsche ein. Der „Greenster” soll zeigen, was die Elektronik heute leisten kann.

Die grosse Freiheit fürs Design

Schon vor Jahren hat Siemens ein prototypisches elektrisches Autorad entwickelt, in dem Lenkung, Federung, Bremse und Antrieb sitzen. Michelin will ab 2010 zusammen mit der Firma Heuliez das kleine kantige Elektroauto „Will” mit ähnlichen Rädern verkaufen. Bei ihm sitzen in jedem Rad ein 30 Kilowatt starker Elektromotor, die Bremse und eine Feder-Dämpfer-Einheit. Da fast alle Komponenten im Rad verschwinden, lässt sich ein solches Fahrzeug fast nach Belieben gestalten. Die Designer haben freies Spiel: mehr Platz und bequemere Einstiege für ältere Menschen oder an die Außenhaut montierte Räder – vieles wäre möglich. Das sieht auch Martin März so, Leiter des Zentrums für Kfz-Leistungselektronik und Mechatronik in Nürnberg. „Platz und Verkabelung kosten Geld. Je weniger Platz die Bauteile benötigen, desto günstiger kann ein Elektroauto sein”, sagt er. Für März ist der Hybridantrieb eine sinnvolle Ergänzung zum künftigen reinen Elektrofahrzeug. Mit dem Verbrennungsmotor lassen sich lange Strecken überwinden, und in der Stadt trägt der Elektromotor, der Bremsenergie speichert und zum Anfahren nutzt, erheblich zum Spritsparen bei. Der Forscher rechnet damit, dass in den nächsten fünf Jahren die erste große Hybridwelle über den deutschen Markt schwappt. Etwas später dürften dann die ersten Elektroautos in Form kleiner Stadtflitzer folgen. Die Zukunft des Autos wird in jedem Fall bunt sein. Benziner, Elektroautos und Hybride werden sich die Straßen teilen. Und vielleicht wird in manchem Stadtzentrum in 20 Jahren nur mehr das leise Surren der Elektromotoren zu hören sein. Verlockende Aussichten für alle, die genervt die Fenster schließen, wenn die Motoren von der Straßenkreuzung lautstark heraufdröhnen. ■

Tim Schröder ist Wissenschafts- und Technikjournalist in Oldenburg. Dort drehen sich viele Windräder, die künftig Elektroautos speisen sollen.

von Tim Schröder

Gut zu wissen: Lithium-Ionen-Akku

Akkumulatoren, kurz Akkus genannt, dienen als Speicher für elektrische Energie. Dazu wird durch Strom eine chemische Reaktion in Gang gesetzt, die das Material des Akkus verändert. Dabei wandelt sich elektrische in chemische Energie um. Schließt man an den Akku einen elektrischen Verbraucher an, etwa einen Computer, ein Mobiltelefon oder ein Elektroauto, und schaltet ihn ein, läuft der umgekehrte Prozess ab: Die chemische Energie verwandelt sich zurück in elektrische Spannung, die Strom fließen lässt. Die Eigenschaften eines Akkus – zum Beispiel seine charakteristische Spannung, die Menge an speicherbarer Energie, seine Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer – hängen vor allem von seiner Materialzusammensetzung ab.

Bei den meisten tragbaren elektronischen Geräten kommen Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, die künftig auch Elektrofahrzeuge mit Strom versorgen sollen. In einem Lithium-Ionen-Akku werden positiv geladene Lithium-Ionen zwischen einer Anode (positiv) und einer Kathode (negativ) verschoben. Beim Aufladen wandern die Ionen durch einen Elektrolyten von der Anode, die aus einem Metalloxid besteht, zur Kathode aus Graphit, die von der Anode durch einen isolierenden Separator getrennt ist. Zwischen den Kohlenstoff-Atomen des Graphits werden die Lithium-Ionen chemisch gespeichert. Beim Entladen kehren sie zur Anode zurück. Gleichzeitig fließt ein Strom, mit dem sich elektrische Geräte betreiben lassen. Ein Vorteil des Lithium-Ionen-Akkus ist seine hohe Energiedichte. Das heißt: In einem relativ kleinen Volumen lässt sich viel Energie speichern. Außerdem liefert der Akku eine sehr gleichmäßige Spannung und ist robust. Doch er hat auch einen Nachteil: Er kann sich entzünden – etwa wenn er sich stark erwärmt. Ein spezieller Aufbau oder neue Materialien sollen diese Gefahr bei neuen Akkus beseitigen.

In den Startlöchern

Der Elektroantrieb wird als Motor der Zukunft hochgelobt. Um die noch vor wenigen Jahren vielgepriesene Brennstoffzelle ist es dagegen ziemlich still geworden. Doch tot ist sie noch lange nicht. „Wenn jemand den Super-Akku erfindet, der Strom für Hunderte von Kilometern liefert und die Ladezeiten drastisch reduziert, dann hat die Brennstoffzelle ein Problem. Aber der ist noch lange nicht in Sicht”, sagt Brennstoffzellen-Entwickler Thomas Grube vom Forschungszentrum Jülich. Er betont, dass die Brennstoffzelle derzeit mehr Ansprüchen gerecht wird als der Akku. Einerseits bringt es der Wasserstoff-Tank bereits heute auf eine vier- bis fünfmal so große Reichweite wie der Elektro-Akku. Andererseits treiben die Brennstoffzellen locker ausgewachsene Testfahrzeuge wie die A- und B-Klasse von Daimler oder den Zafira von Opel an – anders als bei den Elektro-Flundern mit Minimalgewicht. Die Brennstoffzelle leistet also mehr als der Akku. Im Grunde ist sie längst ausgereift, doch die Automobilhersteller wagen sich noch nicht auf den Markt: Grube: „ Die Kosten sind zu hoch und die Angst ist groß, dass die vergleichsweise junge Technik noch Kinderkrankheiten hat, die am Ende das Image der Brennstoffzelle beschädigen.”

Natürlich weiß auch Grube, dass für einen Großeinsatz von Brennstoffzellen-Autos eine ganz neue Tankstellen-Infrastruktur geschaffen werden müsste. Doch darum geht es zunächst gar nicht. Die Brennstoffzelle wird, wie auch die anderen Technologien, langsam in den Automarkt eindringen. Die Experten erwarten für alle neuen Antriebskonzepte bis 2020 einen Marktanteil von wenigen Prozent. „Für die Brennstoffzellen-Autos würde am Anfang Wasserstoff völlig ausreichen, der in der chemischen Industrie als Nebenprodukt anfällt”, sagt Grube.

Kompakt

· Neue Elektroautos sind keine engen Ökomobile, sondern sportlich und komfortabel.

· Die E-Fahrzeuge könnten Windstrom speichern, um die Netze zu stabilisieren.

· Ein Problem sind bislang die Batterien, die anfällig sind und häufig aufgeladen werden müssen.

Mehr zum Thema

Internet

Infos zur Elektromobilität von der Agentur für Erneuerbare Energien: www.unendlich-viel-energie.de/de/strom/elektromobilitaet.html

Homepage der Rinspeed AG: www.rinspeed.ch

Informationen zum Tesla Roadster: www.teslamotors.com

Informationen zum Mini E von BMW: www.mini.de/de/de/mini_e/index.jsp

Neue Akku-Technologie von Evonik – nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2007: www.deutscher-zukunftspreis.de/index.php?q=/content/team-2–12

Aktuelle Liste mit Stromtankstellen: ds1.dreifels.ch/lemnet/index.htm

Übersicht aller Elektroautos: www.hybrid-autos.info/elektro-auto- ueberblick.html

Im Stadtverkehr deutlich sauberer

Heiß diskutiert wird derzeit die Frage, ob sich durch Einsatz von Elektrofahrzeugen schon heute der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) verringern lässt. Immerhin stammt der Strom in Deutschland noch immer zu fast 50 Prozent aus Kohlekraftwerken und nicht aus Windkraft oder Photovoltaik. „Ja”, sagt eine aktuelle Studie der Technischen Universität Berlin: Zumindest im Stadtverkehr sind Autos mit Elektroantrieb schon jetzt klimafreundlicher – und zwar in allen Fahrzeugklassen (Grafik oben). Forscher um den Spezialisten für Energiesysteme Georg Erdmann gehen davon aus, dass Elektroantriebe zunächst bei Kleinst- und Kleinwagen (Mikro- und Kompaktklasse) zum Einsatz kommen, die sich heute relativ ineffizient mit Benzinmotor durch den Stadtverkehr quälen. Erst auf Langstrecken läuft der Benziner einigermaßen wirtschaftlich. Ganz anders der Elektromotor: Er ist im Stop-and-Go und beim häufigen Beschleunigen sehr viel effizienter – vor allem, wenn er außerdem die Bremsenergie zurückgewinnt. Selbst wenn man Elektroautos mit Strom aus dem derzeitigen Kraftwerk-Mix betankte, würden sie die CO2-Emissionen kompakter Benziner schon heute fast halbieren. Auch ein Hybridantrieb reduziert den CO2-Ausstoß.

E-Autos rollen nur zögernd auf die Strassen

Die Zahl der Elektrofahrzeuge wird in den nächsten Jahren nur langsam steigen. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens CSM Worldwide werden die Hersteller 2014 etwa 70 000 E-Autos produzieren – 2009 dürften es rund 11 000 sein. Hybridautos durchdringen den Markt deutlich schneller: 2014 werden weltweit voraussichtlich fast 10 Millionen solcher Fahrzeuge neu zugelassen – etwa ein Zehntel so viele wie Automobile mit Verbrennungsmotor. Die meisten dürften über einen Mikro- oder Mildhybridantrieb verfügen, bei dem ein Elektromotor nur zum Anfahren dient oder mit begrenzter Leistung das Verbrennungsaggregat unterstützt.

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