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HUNGERN FÜR EIN LANGES LEBEN

Gesundheit|Medizin

HUNGERN FÜR EIN LANGES LEBEN
„Calorie Restriction“ (CR), eingeschränkte Aufnahme von Kalorien: Diesem Prinzip huldigte US-Forscher Ray Walford. Seine Jünger eifern ihm nach – um ein biblisches Alter zu erreichen.

150 WOLLTE ER WERDEN. Doch der berühmte US-Gerontologe Roy Walford starb 2004 mit 79 Jahren an einer Nervenkrankheit. Ende der 1990er-Jahre hatte er die „Calorie Restriction (CR) Society“ gegründet – sie zählt heute weltweit rund 3000 Mitglieder, davon 12 in Deutschland. Die CR-Anhänger setzen sich freiwillig dem Gleichen aus wie Walford zu seinen Lebzeiten: ständigem Hunger. Ihr Speisezettel besteht überwiegend aus Obst, Gemüse, Milchprodukten und wenig Fleisch. Sie dürfen aber täglich nicht mehr als 1800 Kalorien zu sich nehmen. „Unsere Mitglieder hoffen“ , erläutert CR-Sprecher Bob Cavanaugh, „dass sie mit zusätzlichen Lebensjahren belohnt werden.“ Ein Jahrzehnt nach der Gründung des Hunger-Clubs fragt bdw: Ist die Strategie Erfolg versprechend?

Walford hatte als Pathologie-Professor an der University of California 1986 in Laborversuchen mit Mäusen bewiesen, dass eine kalorienarme, aber hochwertige Ernährung bei den Nagern lebensverlängernd wirkt. CR dehnte die Lebenserwartung der Tiere um 30 Prozent und minderte gleichzeitig das Risiko von Diabetes- und Krebserkrankungen. Dieser Zusammenhang bestätigte sich bei Würmern, Insekten und diversen Säugetieren. 1991 gehörte Walford zu dem Team, das sich in die „Biosphere 2″ einschließen ließ. In diesem künstlichen Ökosystem in Oracle/Arizona, unter einer Kuppel von der Außenwelt abgeschottet, hungerten Walford und sieben weitere Forscher zwei Jahre lang – zwangsweise: Ihre Miniwelt mit Pflanzen und Nutztieren lieferte zu wenig Nahrung.

Die Biosphere-2-Wissenschaftler verloren damals im Schnitt gut 20 Prozent ihres Körpergewichts. Aber auch die Messwerte für Blutdruck, Blutfette und Blutzucker fielen rapide (bild der wissenschaft 6/1999, „Länger leben mit Biosphere-2-Diät“). „Wir fühlten uns fit und brauchten sogar weniger Schlaf“, berichtete Walford damals. Ob das auch bei den Mitgliedern der CR Society so ist, wollte 2004 Luigi Fontana wissen, Assistenz-Professor an der Washington University School of Medicine in St. Louis/Missouri. Er unternahm die erste wissenschaftliche Studie mit den Kalorien-Knauserern. Dazu rekrutierte der Wissenschaftler 20 CR-ler und verglich ihre körperliche Verfassung mit normal essenden Amerikanern gleichen Alters und Geschlechts. „Die Ergebnisse waren beeindruckend“, fand Fontana. „Anders als bei unserer Vergleichsgruppe war für CR-Leute das Risiko einer Herzerkrankung fast null.“ Selbst Probanden jenseits der 70 hatten einen Blutdruck wie Teenager. Andere Risikofaktoren waren ebenfalls deutlich geringer.

Macht CR also Menschen höchstwahrscheinlich langlebiger? Fontana beantwortet diese Frage nach einer neuen, im September 2008 abgeschlossenen Untersuchung mit „Jein“. Er hatte nach dem Wachstumshormon IgF1 gefahndet, das bei Menschen mit einem erhöhten Brust- und Darmkrebsrisiko verbunden ist. „CR-Mäuse haben einen auffällig niedrigen Spiegel an IgF1 – nicht jedoch die CR-Probanden“, ermittelte er.

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Niedrige Werte fand der Forscher lediglich bei Veganern, die auf sämtliche Tierprodukte verzichten und sich somit eiweißarm ernähren. Fontana bat daraufhin seine CR-Testpersonen, möglichst viel Protein aus ihrer Diät zu streichen. Danach fielen ihre IgF1-Werte. Fontana zieht den Schluss: Bei Menschen dürfte es für extreme Langlebigkeit nicht ausreichen, lediglich wenig Kalorien aufzunehmen – gleichzeitig müssten sie ihren Eiweißkonsum einschränken. Also sollte der Speiseplan der CR-Anhänger noch weit frugaler sein, damit der gewünschte Effekt – vielleicht – eintritt. Ob CR das menschliche Altern tatsächlich verlangsamt, wird sich jedoch erst in 50 oder 70 Jahren herausstellen: wenn die heutigen Hungerkünstler, als Lohn ihres Darbens, einen hoffentlich dreistelligen Geburtstag feiern. Désirée Karge ■

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