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Dreifache Sanduhr

Allgemein

Dreifache Sanduhr
Rinnender Sand – ein verläßliches Maß der Zeit. Wasser- und Sanduhren, jahrtausendealte Zeitmesser, bieten immer noch physikalisch knifflige Probleme.

Mit allem Sand in ihrer unteren Hälfte schwimmt die Sanduhr senkrecht in einem wassergefüllten gläsernen Standzylinder. Ihr Glaskörper ragt kaum einen Millimeter über die Wasseroberfläche in die flache Luftblase hinein, die beim Füllen unter dem Gummistopfen geblieben ist. Das spezifische Gewicht der Sanduhr kann also nur geringfügig kleiner sein als das spezifische Gewicht des Wassers.

Das Sanduhr-Paradoxon: Da sich oben am Glaszylinder ein zweiter Fuß befindet, läßt sich der Zylinder umdrehen und kopfüber auf den anderen Fuß stellen. Über-raschenderweise beginnt die Sanduhr danach nicht sofort wieder aufzusteigen, sondern sie lehnt sich wenige Zentimeter über dem Boden schräg an die Zylinderwand und richtet sich erst nach etwa einer Minute wieder ein wenig auf, um langsam nach oben zu schweben. Da die Sanduhr in der unteren Position nicht schwerer sein kann als in der oberen, muß man schließen, daß andere Kräfte sie dort festhalten.

Der Sand, der die ganze Zeit über rieselt, muß der Schlüssel zur Erklärung sein. Solange noch viel Sand in der oberen Hälfte der Sanduhr lagert, beginnt die kopflastige Sanduhr sich umzudrehen. Genauer: Das Gewicht und die Auftriebskraft erzeugen bei der kleinsten Abweichung von der vertikalen Lage ein Drehmoment, das den Glaskörper gegen die Zylinderwand drückt, und zwar auf beiden Seiten mit gleichgroßer Kraft. Der Durchmesser des Zylinders muß also deutlich kleiner als die Länge der Sanduhr sein, damit kein Wendemanöver stattfindet. Obwohl sich Glasoberflächen glatt anfühlen, wecken die Stützkräfte an den Kontaktstellen Haftkräfte, die bei nicht zu großer Auftriebskraft ausreichen können, die Bewegung der Sanduhr zu verhindern. Zusammen mit den Stützkräften und Gewichten gehorchen sie den Gleichgewichtsbedingungen der Kräfte und Drehmomente, deren Anzahl (drei) aber zu klein ist, alle Kontaktkräfte (vier) zu bestimmen. Die Bedingungen des gehemmten Gleichgewichts machen jedoch eine Abschätzung möglich.

Haftkräfte werden erfahrungsgemäß nicht beliebig groß, sondern maximal so groß wie eine zur Anpreßkraft proportionale Haftgrenze. Der Proportionalitätsfaktor, der Haftungsbeiwert m0, ist eine von den berührenden Materialien und der Beschaffenheit ihrer Oberflächen abhängige Maßzahl. Eine kurze Rechnung führt von den Gleichgewichtsbedingungen mit Hilfe der Haftgrenzbedingungen zu der Ungleichung siehe unten Formel 1 deren Erfüllung unter den getroffenen Voraussetzungen die untere Ruhelage gewährleistet. Darin bedeuten A, G und S – in dieser Reihenfolge – das Gewicht des verdrängten Wassers (den Auftrieb), das Gewicht des Glaskörpers und das des Sandes. l ist die Länge des Glaskörpers – der zur Vereinfachung sehr schlank angenommen wird -, und d ist der Durchmesser des Standzylinders.

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Für den Winkel α (eingeschränkt durch cot α > μ0) gilt sin α = d/l. Der wichtigste Parameter, der den Vorgang regelt, ist die zeitabhängige Verschiebung h des Schwerpunkts vom Sand beim Betrieb der Sanduhr. Ein Zahlenbeispiel: G = 1 g, S = 2,7 g und A = 3,9 g. Dafür ist A – (G + S) = 0,2 g klein und positiv (Auftrieb). Für a = 45° (das heißt cot α = 1) und μ0 = 0,2 ergibt sich h/l > 0,19. Das Beispiel macht deutlich, wie empfindlich der Vorgang von den verschiedenen Einflüssen abhängt, wie sorgfältig man bei der Auslegung des Spielzeugs die Parameter wählen muß.

Zeitmessung mit Wasser oder Sand? Die Geschichte der Wasseruhren geht bis zu den Assyrern zurück ins 7. Jahrhundert v. Chr. Die Erfindung von Sanduhren ist mindestens 1000 Jahre jünger. Der universelle Historiker der Technik, Franz Maria Feldhaus, argumentiert überzeugend, daß es Sanduhren im Orient zu keiner Zeit und in Europa erst im Mittelalter gegeben habe. Bis ins 16. Jahrhundert waren sie in unserem Kulturkreis als Zimmer- und Reiseuhren weit verbreitet. Es gab den Beruf des Sanduhrmachers. Im 17. Jahrhundert versuchte man, die Sanduhren konstruktiv zu verbessern, insbesondere ihre Laufzeit durch Mechaniken zum selbsttätigen Wenden von Stundengläsern zu verlängern. Nach einem Bericht von 1662 führten die Laternenträger des Nachts in den unsicheren Straßen der unbeleuchteten Stadt Paris Sanduhren als eine Art Taxameter mit sich, um daran ihren Lohn abzulesen.

Obwohl Wasseruhren wie Sanduhren zur Zeitmessung die Strömung des jeweiligen Mediums nutzen, arbeiten sie nach unterschiedlichen Prinzipien. Eine Wasserauslaufuhr läßt sich mit einem beliebigen offenen Gefäß herstellen, aus dem man das Wasser durch eine kleine Öffnung am Boden ablaufen läßt. Die Zeit wird durch einen Schwimmer auf der Wasseroberfläche an einer senkrechten Skala angezeigt, die man durch Vergleich mit einer Uhr eicht.

Da sich Wasser kaum zusammendrücken läßt, ist das bei der Querschnittsfläche A durch die Spiegelsenkung -dh/dt pro Zeit verschwindende Volumen gleich dem durch die untere Öffnung vom Querschnitt a mit der Geschwindigkeit v ausströmenden Volumen: -A dh/dt = av.

Torricelli wußte schon vor 350 Jahren, daß Wasser, wenn es unbehindert durch innere Reibung strömt, das Gefäß am Boden mit der Geschwindigkeit des freien Falles verläßt: v = √2gh, worin g = 9,8 m/s2 die Schwerebeschleunigung bedeutet. Das Wasser fließt also um so langsamer aus, je weiter der Wasserstand sinkt.

Um zu erreichen, daß der Pegel im Gefäß mit konstanter Geschwindigkeit dh/dt = -U sinkt und dadurch die Eichstriche oder Zeitmarken auf der Skala gleiche Abstände bekommen, muß man dem Gefäß eine mit A(h) = a√2gh/U verträgliche Gestalt geben. Ein kreissymmetrisches Gefäß mit der Querschnittsfläche A = πr2 in der Höhe h erhält dabei die Form h = Cr4 eines Rotationsparaboloids – ähnlich einer bauchigen Amphore in ihrem unteren, sich erweiternden Teil. (Die Konstante C errechnet man aus a, g und U.)

Wolfgang Bürger

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hys|te|ro|id  〈Adj.; Med.; Psych.〉 einer Hysterie ähnlich

Stein|ko|ral|le  〈f. 19; Zool.〉 stockbildender Polyp, der an seiner Fußscheibe ein kalkhaltiges Außenskelett abscheidet: Madreporaria; Sy Madrepore … mehr

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