Normen sind aus einer modernen Industriegesellschaft nicht mehr wegzudenken. „Doch vielfach dienen sie dazu, nationale Märkte von Produkten aus dem Ausland abzuschotten“, betont Wilfried Hesser (52), seit 1984 Professor für Normenwesen und Maschinenzeichnen an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Hessers Aufgabe ist es unter anderem, solchen Praktiken auf die Schliche zu kommen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen zu erforschen.
Auf welchem Niveau solche Schlachten ausgetragen werden, zeigt folgendes Beispiel: Die japanische Ski-Industrie versuchte, Konkurrenten aus dem Westen an der Einfuhr ihrer Brettln zu hindern. Diese seien für Japan nicht geeignet, weil der Schnee anders beschaffen sei als in Europa. „Das französische Außenministerium holte zum Gegenschlag aus, der den exportfreudigen japanischen Autokonzernen sauer aufstieß“, schmunzelt Hesser. „Es wollte prüfen, ob der französische Straßenbelag andere Eigenschaften habe als der japanische.“ Bereits wenige Stunden nach der Drohung lenkten die zuständigen Stellen Nippons ein.
Gerade bei Computern, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik sind einheitliche technische Standards unverzichtbar. Ausgerechnet hier gelingt es großen Konzernen aber immer wieder, eine Neuentwicklung als allgemeine Richtschnur zu etablieren, obwohl technisch überlegene Alternativen vorhanden sind. „Der HiFi-Geräte-Hersteller JVC hat es geschafft, mit seinem VHS-Videosystem das qualitativ bessere Betamax-System des Sony- Konzerns vom Markt zu verdrängen“, erzählt Hesser. Verantwortlich sei vor allem die strenge Lizensierungspraxis von Sony gewesen. „Die Sony- Manager waren sehr arrogant“, findet Hesser. „Sie glaubten, ihr überlegenes Verfahren würde sich quasi per Naturgesetz durchsetzen.“
Andreas Knoll / Wilfried Hesser