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Die Saga vom bösen Fett: „Diätlos glücklich“ von Nicolai Worm

Allgemein

Die Saga vom bösen Fett: „Diätlos glücklich“ von Nicolai Worm
Nicolai Worm, bekannter Ernährungswissenschaftler aus München, kündigt bereits im Klappentext eine Abrechnung mit der offiziellen Ernährungslehre an. Worm hält das Versprechen: Kaum einer unter Deutschlands derzeitigen Ernährungsexperten, der nicht sein Fett abbekommt.

Worms zentraler Angriffspunkt ist eines der unumstößlichen Dogmen der Ernährungswissenschaft: Die Lehre vom Krankmacher Übergewicht und den fatalen Folgen von zuviel Fett im Essen. Die wurmt Herrn Worm, weil seiner Meinung nach oft erst Diätwahn und zwanghaftes Abnehmen wirklich dick und krank machen.

„Fettarm gleich gesund – das ist die Regel, die aus dem Nichts kam und auf dem Nichts beruht“, meint der Ökotrophologe, und zerpflückt die Saga vom bösen Fett und den kurzlebigen Dicken in beeindruckender Manier. Was er aus neueren Studien zum Thema „Gesundheitsrisiken durch Abnehmen“ zusammenträgt, ist überzeugend. Auch dort, wo er ökonomische Interessen als Hintergrund für wissenschaftliche Positionen unterstellt, wird der Leser nachdenklich. Schließlich steht hinter dem Mythos von Schlankheit, Gesundheit und Schönheit ein gewaltiger Markt. Allerdings steigert sich Worm schließlich in eine regelrechte Ökotro-Phobie, die in einem Plädoyer für die Abschaffung eines ganzen Berufsstandes gipfelt: des Ernährungsberaters.

Die etablierte Szene hat bisher kaum auf den Angriff reagiert. Vielleicht geht es Worms Werk ja wie den Dicken: Der harte Kern verschwindet hinter zu viel Speck. Denn auch das Buch ist leider etwas adipös. Da wird lang, episch breit und mit Wiederholungen erzählt, was eh schon alle über Diäten und ihre Folgen wissen.

Wo sich Worm schließlich Gedanken über Alternativen zum Diätstreß macht, wird’s ausgesprochen schwammig: Schuld am Übergewicht sei in erster Linie die Umwelt. Statt Diät empfiehlt er: „Dicke müssen lernen, sich damit abzufinden und die Gesundheitsrisiken, die durch den fettspeichernden Lebensstil verursacht wurden, mit mehr Bewegung und entsprechenden Medikamenten zu bekämpfen.“ Da Abnehmen laut Worm keinen Zweck hat, kann die Devise nur heißen: Verhindert jede Zunahme. Und das macht man einfach so: „Graben Sie die natürliche Regulierung von Hunger und Sättigung aus dem Schutt von Denkmustern, Lernprozessen, Wissen und Halbwissen, Statusverhalten und Emotionen heraus. Essen wie die Kinder – das ist die richtige Vorgabe.“

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Auch mit der Forderung nach einer Fast-Food-Steuer und dem Aufruf zum Boykott der Glotze als einem Dickmacher par excellence – so schön das wäre – hätte uns Worm besser verschont. Zu allem Überfluß kann er es sich nicht verkneifen, die positive Wirkung des Weins zu loben, indem er gleich ein Kapitel lang sein letztes Werk „Täglich Wein“ rezitiert und zur geflissentlichen Lektüre empfiehlt.

Fazit: Worm hat hier zwei Bücher in einem geschrieben. Ein kritisches, beachtliches, verständliches über die Widersprüche in der Diskussion der Adipositas – und ein schwafeliges über Dicke, Diäten und Genießen. Wer zum Kern des Worms vorstoßen will, muß sich durch diversen Textspeck durcharbeiten. Davon wird allenfalls der Kopf oder der Hals des Lesers etwas dicker – aber das macht ja nichts, haben wir doch am Schluß gelernt: Ein bißchen dicker ist gesund.

Nicolai Worm DIÄTLOS GLÜCKLICH Hallwag Berlin 1998 296 S., DM 39,80

Friedhelm Mühleib / Nicolai Worm

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