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D2-Mission: Sieger und Verlierer

Astronomie|Physik

D2-Mission: Sieger und Verlierer

AM 26. APRIL 1993 startete die US-Raumfähre Columbia vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral. An Bord hatte sie das Weltraumlabor Spacelab – und damit das Herz der D2-Mission. Mit 90 Experimenten in der Schwerelosigkeit war dies das umfangreichste deutsche Weltraumforschungsprojekt überhaupt – und das teuerste. Die zehntägige Reise, während der das Labor in 296 Kilometer Höhe 144-mal um den Globus zirkelte, kostete 890 Millionen Euro.

Die Liste der Forschungsbereiche liest sich wie ein Kompendium damals hochaktueller wissenschaftlicher Modewörter: Robotik, Biotechnologie, Lebenswissenschaften, Materialforschung. Entsprechend futuristisch waren die Visionen: Mit dem Experiment Osiris beispielsweise wollten die Wissenschaftler nicht nur die Kristallisation von Schmelzen aus Nickellegierungen unter Schwerelosigkeit studieren – sie träumten auch von einer Fabrik für Turbinenschaufeln im Weltall. Wissenschaftlicher Leiter der D2-Mission war Peter R. Sahm, heute emeritierter Professor für Gießereitechnik an der RWTH Aachen.

Auch einige deutsche Firmen waren mit Experimenten an Bord, alle bezuschusst aus öffentlichen Töpfen. So war die MAN Technologie aus Augsburg federführend an Osiris beteiligt. Und das Celler Pflanzen Labor, ein damals 20 Mitarbeiter zählendes Pharmaforschungslabor, schickte Rosskastanien ins All: Die Biotechnologen wollten die Stoffwechselproduktion von Pflanzen durch Schwerelosigkeit steigern. Auch in der Pharmazie schien die Idee, Medikamente im Weltraum zu produzieren, nicht abwegig. Und Rosskastanien waren dank ihrer hohen Wertschöpfung in Form von venenentzündungshemmenden Extrakten vielversprechend.

Was ist aus alledem geworden? „Die D2-Mission war ein absoluter Erfolg”, ist Sahm noch heute überzeugt. Eventuellen Kritikern will er von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen: „ Diesen Erfolg hätten wir mit dem gleichen Budget auf der Erde nicht hinbekommen.” Er betrachtet die damals investierten Millionen als gut angelegt.

Bei Licht besehen gibt es freilich Gewinner und Verlierer der D2-Mission. Unumstrittener Sieger unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist Rotex. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatten unter diesem Namen den ersten fernsteuerbaren Roboterarm ins All geschickt. Wenige Jahre später brachten die Ingenieure das Steuergerät des Arms, die Space Mouse, als Produkt auf den Markt: eine 3D-Computer-Maus, mit der man in Grafikprogrammen Objekte auf dem Bildschirm in drei Raumrichtungen bewegen und rotieren lassen kann. Heute ist sie über 100 000-mal verkauft und somit das erfolgreichste europäische Computer-Peripheriegerät.

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Osiris, die Orbit-Fabrik für Turbinenschaufeln, sowie die himmlische Rosskastanien-Plantage gehören dagegen zu den D2-Verlierern. Ein „return on investment”, auf den man seitens MAN Technologie gehofft hatte, ist bei Osiris ausgeblieben. Während der Kristallisation der Schaufeln im Weltraum bildeten sich Klumpen in der Schmelze. Mit irdischen Alternativen ließ sich die Herstellung von Turbinenschaufeln simpler verbessern. Auch in den Rosskastanie-Pflänzchen veränderte sich der Stoffwechsel nicht wie gehofft. Statt 20 arbeiten im Celler Labor heute nur noch 6 Personen. Gefragt, ob sie noch einmal ein Experiment in der Erdumlaufbahn riskieren würde, zeigt sich Laborleiterin Hildegard Jung-Heiliger jedoch nicht frustriert: In einer Situation wie vor elf Jahren würde sie es wieder tun.

Sahm lässt sich von den offensichtlichen Misserfolgen nicht beeindrucken. Der Professor träumt von Missionen zum Mond und zum Mars, um dort zu forschen. Doch in Deutschland sieht er für solche Ideen derzeit wenig Chancen: Die deutschen Politiker seien „zu sauertöpfisch und viel zu naiv”. Tobias Beck ■

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