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Verzwickte Lektüre

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Verzwickte Lektüre
Elektronische Bücher sind im Kommen. Doch hohe Preise und ein rigoroser Kopierschutz schrecken viele Leseratten ab. Bunte und bewegte Bilder wird erst die nächste Generation von digitalen Lesegeräten ermöglichen.

neun Bücher liest jeder erwachsene Deutsche im Schnitt pro Jahr. Jeder Zweite vertreibt sich die freie Zeit zumindest gelegentlich mit der Lektüre in einem Buch. Das ist jedoch nicht immer ein gedrucktes Werk. Leseratten können auch in digitalen Büchern schmökern – auf dem Display eines elektronischen Lesegeräts, eines sogenannten E-Readers. Seit einigen Monaten sind etwa zehn solcher Geräte in Deutschland auf dem Markt. In anderen Ländern stehen manche davon schon seit Jahren in den Regalen – zum Beispiel „iLiad“, ein E-Reader von iRex Technologies aus dem niederländischen Eindhoven. Der Ableger des Elektronik-Konzerns Philips präsentierte im Sommer 2006 die erste Version seines Lesegeräts. Auf seinem Bildschirm im Format einer Buchseite kann man E-Books lesen, elektronische Bücher, die sich als Datei auf den E-Reader laden lassen. In einem E-Book lässt sich genau wie in einem normalen Buch blättern, man kann digitale Notizen anbringen und den Text nach bestimmten Inhalten oder Begriffen durchsuchen.

Nach und nach kamen seitdem weitere E-Reader auf den Markt, und etliche Verlage haben mittlerweile eine stattliche Zahl von Büchern als E-Book veröffentlicht, vor allem in den USA. Das löste dort einen Run auf den digitalen Lesestoff aus. Während der Umsatz mit E-Books in den Vereinigten Staaten laut DB Research, einem zur Deutschen Bank gehörenden Forschungsinstitut, im ersten Quartal 2008 noch etwa 11 Millionen Dollar betragen hatte, vervierfachte er sich bis zum dritten Quartal 2009 auf rund 45 Millionen Dollar. Die Zahl der in den USA verkauften elektronischen Lesegeräte verdoppelte sich nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Forrester Research von 2008 bis 2009 auf 2 Millionen.

TV-Show bringt den Durchbruch

Der Durchbruch ist vor allem dem Online-Versandhändler Amazon zu verdanken, der seinen E-Reader „Kindle“ in den USA seit Ende 2007 anbietet. Während einer TV-Show im Oktober 2008 hielt die amerikanische Talkmasterin Oprah Winfrey einen Kindle werbewirksam in die Fernsehkameras und rühmte das Gerät als ihr Lieblings-Technikspielzeug. Damit begann der Hype. Und es dauerte nicht lange, bis der E-Reader von Amazon vergriffen war. Die Angst, den Einstieg in einen neuen großen Zukunftsmarkt zu verpassen, ließ andere Unternehmen nachziehen. Mittlerweile buhlen unter anderem der japanische Elektronikriese Sony und der niederländische Hersteller Endless Ideas mit E-Readern um die Gunst der Leseratten. In Deutschland, wo das Geschäft mit der digitalen Literatur erst mit Verspätung ins Rollen kommt, gibt es seit Dezember 2009 ebenfalls ein Produkt, das heimische Ingenieure entwickelt haben: den „txtr Reader“ von der jungen Berliner Firma txtr.

Auch den Kindle gibt es in Deutschland erst seit Oktober 2009 zu kaufen – zwei Jahre nachdem er in den USA in den Handel kam. Rund eine halbe Million digitale Bücher stehen heute weltweit zur Auswahl – allein Amazon hat in seinem Internet-Shop rund 300 000 E-Books im Angebot. Doch davon sind nur etwa 10 000 deutschsprachige Werke. Und bei vielen davon handelt es sich um Fachpublikationen, etwa wissenschaftliche Lehrbücher. Entsprechend bescheiden ist bislang die Nachfrage nach E-Books in Deutschland. Laut der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wurden im ersten Halbjahr 2009 rund 65 000 elektronische Bücher verkauft. Der Handel mit den E-Books trägt weniger als ein Prozent zum milliardenschweren Gesamtumsatz der deutschen Buchbranche bei.

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Doch nun gibt man auch zwischen Flensburg und Garmisch Gas bei der digitalen Literatur. Laut dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels – dem Interessenverband des deutschen Buchhandels und Veranstalter der Frankfurter Buchmesse –, sind inzwischen 37 Prozent aller deutschen Neuerscheinungen auch als E-Book erhältlich, bei wissenschaftlichen Fachverlagen sogar 51 Prozent. Viele E-Books werden zum Verkaufsstart der gedruckten Ausgabe veröffentlicht. Der Buchhändler Hugendubel öffnete im Oktober 2009 einen E-Book-Shop, in dem rund 30 000 digitale Bücher zur Auswahl standen. Andere deutsche Online-Händler wie libri und ciando bieten schon seit Längerem E-Books an. Selbst der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vertreibt über die Website libreka elektronische Bücher.

In der Regel verlangen die deutschen Anbieter für die digitale Variante eines Buchs etwa genauso viel wie für die gedruckte Fassung. Sie berufen sich dabei auf die Preisbindung im Buchhandel. Die schreibt vor, dass Bücher überall in Deutschland gleich viel kosten müssen. Die Marktforscher von DB Research sehen darin jedoch ein Hemmnis für den Erfolg der neuen Technologie. „Wollen die Verlage Geld mit E-Books verdienen, müssen sie die Preise senken“, heißt es in einem Kommentar der Deutsche-Bank-Tochter. „Den Käufern wird es wahrscheinlich nicht gefallen, wenn ein E-Book mit Herstellkosten nahe Null nicht unter dem Preis gebundener Bücher angeboten wird.“ Nicht von ungefähr ist das elektronische Lesefutter bisher vor allem in den USA begehrt, wo es keine Preisbindung gibt und E-Books deutlich billiger sind.

Drucken verboten

Kaum geklärt ist bislang die Frage, wie sich der Schutz der Urheberrechte praktikabel sichern lässt. Derzeit sind viele E-Books mit einem Kopierschutz versehen. Er soll verhindern, dass sie von den Käufern weiterverbreitet werden. Das macht den Handel mit E-Books deutlich komplizierter als den Verkauf von gedruckten Büchern, sagt Ronald Schild, Geschäftsführer von libreka: „Die Bestseller der großen Verlage, die wir 2009 in unser Angebot aufgenommen haben, werden durch ein Digital Rights Management System gegen illegalen Weiterverkauf geschützt.“ Damit lässt sich festlegen, was nach dem Erwerb eines digitalen Buchs mit dem Inhalt geschehen darf. So verhindert der Kopierschutz, dass der Käufer Textpassagen herauskopiert, den Inhalt des Buchs verändert oder Seiten ausdruckt. Das E-Book lässt sich außerdem nur auf dem eigenen E-Reader lesen. „Als Alternative gibt es einen ,psychologischen Schutz‘“, sagt libreka-Chef Schild. „Er besteht aus einem digitalen Wasserzeichen, für das der Käufer seine persönlichen Daten beim Online-Shop hinterlegen muss.“ Wird das mit einem solchen Kopierschutz versehene elektronische Buch im Internet angeboten, erkennen Interessenten am Wasserzeichen, dass der Handel damit illegal ist.

Beide Lösungen zum Kopierschutz sind nicht optimal, räumt Ronald Schild ein. „Bisher unterstützen noch nicht alle E-Reader den Kopierschutz“, sagt er. Diese Geräte können gesicherte E-Books ohne zusätzliche Software gar nicht wiedergeben – selbst wenn der Benutzer die Berechtigung dazu hat. Ein zwangloser Umgang mit der digitalen Literatur, wie man ihn von gedruckten Büchern kennt, ist so nicht möglich. „Bücher verleiht man auch gern an Freunde – bei E-Books mit hartem Kopierschutz geht das aber nicht“, nennt Schild das Dilemma. Auf der anderen Seite stehen die Vorteile der digitalen Literatur: E-Books haben keinen Verschleiß und sind im Vergleich zu einem Stapel Bücher federleicht. Dieses Plus hebt auch Mark Allelein hervor, Verantwortlicher für die IT-Prozessorganisation am Institut für Verbundstudien der Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens. In einem Pilotprojekt setzt das Institut seit dem Sommersemester 2009 testweise E-Reader ein. Diese wurden etwa an der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen sowie in Bielefeld und Dortmund an Studenten verteilt, die nun Studienskripte digital auf einer Speicherkarte erhalten.

„Die Idee, E-Reader zu nutzen, resultierte aus dem Ziel, die Verbundstudenten einfacher als bisher mit den umfangreichen Unterlagen zu versorgen“, berichtet Allelein. Die Studenten, von denen viele neben ihrer Berufstätigkeit studieren, lernen den Stoff statt in Vorlesungen aus vielen – dicken und schweren – Skripten. „Die Speicherkarten, die wir für die E-Reader ausgeben, sind sehr günstig und können bis zu 300 solcher Lerneinheiten fassen“, begeistert sich Allelein. Die Studenten brauchen die Karten mit der digitalen Literatur nur in ihr Lesegerät zu stecken – und haben sie dann überall griffbereit, um damit zu arbeiten. Auf den E-Readern lässt sich mühelos eine kleine Bibliothek von mehreren Tausend Büchern in der Aktentasche herumtragen.

Die Monitore der Lesegeräte basieren auf „elektronischer Tinte“ , die bedrucktes Papier nachahmt. Unter der Oberfläche des Displays verbergen sich zahlreiche Mikrokapseln. Sie enthalten elektrisch unterschiedlich geladene schwarze und weiße Pigment-Partikel, deren Verteilung sich durch eine elektrische Spannung ändern lässt. Je nach Polung der Spannung richten sich die Partikel so aus, dass der Bildpunkt schwarz oder weiß erscheint. Dadurch formen sich Buchstaben. Elektronische Tinte ermöglicht eine schärfere Auflösung als etwa LCDs. Und: Der Stromverbrauch ist geringer. Denn die Schrift ist bei jedem Licht gut lesbar und benötigt daher keine Hintergrundbeleuchtung. Strom fließt nur, wenn man blättern will und sich die Buchstaben neu ausrichten müssen. Das Umblättern dauert bis zu zwei Sekunden – und damit deutlich länger als in einem gedruckten Buch. Dieses Manko sollen schnellere Prozessoren beseitigen.

Das Ziel: Displays zum Rollen

Schwerer wiegt ein anderer Nachteil der Displays aus E-Tinte: Sie können die Seiten bislang nur schwarz-weiß darstellen. Weil der Aufbau jeder Seite recht lange dauert, lassen sich auch keine Videos zeigen. Doch erst das würde einen E-Reader zu einem Multimedia-Gerät aufwerten. Forscher und Entwickler arbeiten deshalb an neuen, vielseitigeren Displays. Eine Technologie, die dabei eine wichtige Rolle spielen könnte, sind Organische Leuchtdioden (OLED). Sie sind viel flexibler als die bisher gebräuchlichen Monitore. Unter jedem Pixel eines OLEDs befindet sich ein dünner Film aus organischen Substanzen, die durch elektrischen Strom zum Leuchten gebracht werden. OLEDs sind sehr flach und sollen sich künftig auf ganz verschiedene Materialien aufziehen lassen. „Ziel bei der Herstellung von Displays aus Organischen Leuchtdioden ist es, einen einrollbaren Bildschirm zu schaffen“, sagt Jörg Amelung, Diplom-Physiker am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme in Dresden. Ein solcher Bildschirm wäre beliebig formbar, farbig und könnte neben Texten und Fotos auch Filme wiedergeben. Allerdings haben OLEDs noch Schwächen: etwa eine große Empfindlichkeit für Wasser und Sauerstoff. Die organischen Displays sind zudem aufwendig und teuer in der Herstellung. Deshalb wurden bisher nur kleine OLED-Bildschirme gefertigt und beispielsweise in Autoradios oder Rasierapparate eingebaut.

Bald könnten auch alternative Technologien einsatzbereit sein, die etwa in den Labors von Qualcomm heranreifen. Bei dem kalifornischen Unternehmen setzt man auf dünne, elektrisch leitende Membranen, zwischen denen ein mit Luft gefüllter Spalt klafft. Eine elektrische Spannung ändert die Dicke des Spalts – und damit die Reflexion von Licht. Die Membranen filtern manche Wellenlängen aus dem reflektierten Licht heraus und verleihen ihm so eine bestimmte Farbe. Sie wirken damit ähnlich wie die winzigen Schuppen, die Schmetterlingsflügeln ihr buntes Aussehen verleihen. Im Herbst 2010 sollen die ersten E-Reader auf den Markt kommen, die auf diesem „Mirasol-Effekt“ basieren – und Farbe und Bewegung in die elektronische Bücherwelt bringen. ■

Sandra Murr studiert Germanistik in Stuttgart. Die Ex-bdw-Praktikantin wäre froh, wenn sie keine Lehrbücher mehr schleppen müsste.

von Sandra Murr

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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