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HEIMLICH, STILL UND LEISE

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HEIMLICH, STILL UND LEISE
2002 entdeckte die Chemikerin Margareta Törnqvist die giftige Substanz Acrylamid in gerösteten Lebensmitteln. Das Problem ist jetzt entschärft – doch wie, will kein Hersteller verraten.

KARTOFFELCHIPS MIT ACRYLAMID BELASTET! Als im Frühjahr 2002 solche Schlagzeilen durch die Medien gingen, brachen düstere Tage für Couch Potatoes an. Ein Team um die Umweltchemikerin Margareta Törnqvist von der Universität Stockholm hatte herausgefunden, dass beim Backen, Frittieren und Braten von stärkehaltigen Lebensmitteln das giftige Acrylamid entsteht (bild der wissenschaft 2/2003, „Der Acrylamid-Alarm“). Nicht nur Chips gerieten auf die Verdachtsliste, sondern auch Pommes frites, Kekse und sogar geröstete Kaffeebohnen. Es dauerte ein paar Wochen, bis die Aufregung wieder abflaute. Doch ist das Problem aus der Welt?

Acrylamid bildet sich, wenn oberhalb von 120 Grad Celsius der Eiweißbaustein Asparagin mit Zuckermolekülen reagiert – sie stammen aus der beim Röstprozess zerfallenden pflanzlichen Stärke. Acrylamid kann somit kein neues Gesundheitsrisiko sein: Die Substanz steckt wahrscheinlich im Essen, seit der Mensch Feuer zum Braten verwendet. Doch das ist nicht unbedingt ein Trost für den Verbraucher. Acrylamid hat sich als starkes Nervengift entpuppt, das in Tierversuchen zudem Krebs auslöst und das Erbgut schädigt. Wie gefährlich die Substanz für den Menschen ist, können die Wissenschaftler bis heute nicht eindeutig beantworten.

2002 hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein „Acrylamid-Minimierungskonzept“ entwickelt. Der Acrylamid-Gehalt von Kartoffelchips, Mürbegebäck, Cornflakes und geröstetem Kaffee ist seitdem gesunken, zeigen die im März 2009 vom BVL veröffentlichten Daten. Das gelang vor allem durch verbesserte Produktionsprozesse und Rezepturen. Ein besonders wirkungsvolles Verfahren hatten 2007 die Unternehmen Novozymes aus Dänemark und DSM aus den Niederlanden vorgestellt: Man setzt den Lebensmitteln vor dem Erhitzen ein Enzym namens Asparaginase zu. Dann reduziert sich der spätere Acrylamid-Gehalt um bis zu 80 Prozent. Asparaginase baut nämlich den ominösen Eiweißbaustein Asparagin zu Asparaginsäure ab – so wird fast kein Acrylamid beim Rösten gebildet. Das Enzym selbst wird durch das Erhitzen inaktiviert, weshalb die Produkte bedenkenlos gegessen werden können.

Die Asparaginase-Präparate beider Hersteller – „Acrylaway“ und „PreventASe“ – sind seitdem auf dem europäischen Markt. Doch auf Anfrage hat kein Chips- oder Keks-Hersteller bestätigt, das Enzym anzuwenden. bild der wissenschaft wurde vielmehr an den Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie verwiesen. Pressesprecher Torben Erbrath erklärt das „Bedeckthalten der Hersteller“ so: Keiner wolle einräumen, dass er sich „durch die Verwendung des Enzyms Wettbewerbsvorteile verschafft“. Worüber keiner sprechen mag: Die Mikroorganismen, die das Enzym herstellen, wurden gentechnisch verändert, um eine höhere Ausbeute und Reinheit zu erzielen. Das Enzym selbst ist nicht genmanipuliert. Doch für viele deutsche Verbraucher würden die Produkte trotzdem einen rufschädigenden Makel tragen – da verschweigen Chips- und Keks-Produzenten lieber den Enzym-Einsatz. Der Gesetzgeber assistiert: Enzyme als technische Hilfsstoffe müssen nicht auf der Verpackung eines Produkts deklariert werden.

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Ein weiteres Enzympräparat, diesmal vom deutschen Anbieter c-LEcta in Leipzig, wird voraussichtlich 2011 auf den Markt kommen. Es soll insbesondere in Cornflakes, in speziellen Kartoffelprodukten und in Kaffee den Acrylamid-Gehalt sogar um bis zu 90 Prozent senken. Dass der potente Acrylamid-Killer deshalb bundesweit bekannt wird, glaubt c-LEcta-Geschäftsführer Marc Struhalla allerdings nicht: „Viele Hersteller werden das Enzym verwenden, ohne dies offenzulegen.“ Transparenz für den Verbraucher? Fehlanzeige. Sabine Löcher-Bolz ■

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