Ob wir lesen, eine Konferenzen verfolgen oder TV schauen – der scheinbar konzentrierte Geist gleitet weg von der eigentlichen Beschäftigung und wandert umher. „Wie oft das passiert, hat uns überrascht”, sagt Jonathan Schooler, der das Phänomen systematisch untersucht. Beim Lesen etwa sind wir bis zu 20 Prozent der Zeit nicht bei der Sache. Der Psychologe von der University of California in Santa Barbara ließ College-Studenten Passagen aus Tolstois „Krieg und Frieden” vortragen. Immer wenn die Teilnehmer bemerkten, dass ihr Geist abdriftete, sollten sie einen Knopf drücken. Das geschah zwar häufig, aber noch überraschender war: Wenn die Forscher die Studenten plötzlich unterbrachen und fragten, woran sie gerade dachten, erwischten sie diese regelmäßig geistesabwesend – ehe die Studenten es selbst merkten. „In gewisser Weise ist dieses Gedanken-Wandern zielgerichtet”, erklärt Schooler – nicht auf die eigentliche Aufgabe, aber auf mittel- und langfristige Ziele und Wünsche. In dieser Situation ist im Gehirn das Standard-Netzwerk aktiv, aber auch ein Netzwerk, das wir für die eigentliche „Primär-Aufgabe” brauchen, hat ein Team um Schooler erstmals festgestellt. Der Forscher berichtet von wundersamen Dingen: In einer Art „ Meta-Bewusstsein” realisieren manche Menschen, dass ihr Geist gerade wandert. Am stärksten gerät die ungewollte Tagträumerei, wenn man sich ihrer nicht bewusst ist.
Am kreativsten sind allerdings Menschen, die das Meta-Bewusstsein nutzen können. „Geist-Wandern allein genügt nicht”, erklärt Schooler. „Die Kunst ist es, dabei soviel Bewusstsein zuzulassen, dass man einen kreativen Gedanken förmlich abschöpfen kann.” Alkohol dient diesem Zustand übrigens nicht, wie der Wissenschaftler gezeigt hat. Im Gegenteil: Zwar schweift nach einem Glas Wein der Geist häufiger ab als üblich. Aber: Man merkt es kaum.