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Katar, der neue Star

Technik|Digitales

Katar, der neue Star
Die Arabische Halbinsel hat viele Staaten reich gemacht. Jüngstes Beispiel ist Katar. Das Volumen der dort nachgewiesenen Erdgaslagerstätten hat sich in den letzten Jahren fast vervierfacht.

Man muss sich Arabien schon genau anschauen, um die kleine, nach Norden zeigende Halbinsel im Osten, gleich oberhalb der Vereinigten Arabischen Emirate, überhaupt zu bemerken: das Emirat Katar. Es ist halb so groß wie Hessen, hat kaum 900 000 Einwohner – ein Viertel davon echte Katarer – und besteht überwiegend aus Sand- und Geröllwüste. Trotzdem hat das Land mit dem Doha International Airport einen Flughafen, der heute schon mehr als vier Millionen Passagiere pro Jahr abfertigt. Derzeit wird er auf sieben Millionen Fluggäste erweitert. Und wenige Kilometer entfernt entsteht ein neuer Großflughafen für zunächst 12,5 Millionen Passagiere pro Jahr. In zehn Jahren soll er eine Kapazität von 50 Millionen Passagieren haben. Was nach Größenwahn klingt, ist tatsächlich eine geschickte Infrastrukturmaßnahme: Mit dem Geld, das der Wüstenstaat durch Rohstoffförderung einnimmt, errichtet er sich ein weiteres zukunftsfähiges wirtschaftliches Fundament. Dieses Geld sprudelt nicht zu knapp. Katar ist ein bedeutender Rohölförderer (Fördermenge 2005: 48,8 Millionen Tonnen). Vor allem aber sitzt das Land auf gewaltigen Erdgasvorräten. Der kleine Staat am Golf besitzt die weltweit drittgrößten Lagerstätten, nach anderen Berechnungen sind es sogar die zweitgrößten. Rund 26 Billionen Kubikmeter sind derzeit sicher nachgewiesen. Rein rechnerisch ließe sich damit der derzeitige Erdgasverbrauch von Deutschland 260 Jahre decken. Besonders ergiebig ist ein Offshore-Feld, das North-Field, das 1980 gefunden wurde.

„Nach aktuellen Berechnungen enthält es 14 Billionen Kubikmeter. Die Fortsetzung des Feldes auf iranischem Territorium, das South Pars Field, umfasst weitere 12,5 Billionen Kubikmeter“, weiß Hilmar Rempel, Experte für die Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. „North Field/South Pars Field ist damit die größte Kohlenwasserstoff-Lagerstätte der Welt.“

Der Öl- und Gasreichtum der Region geht auf die hohe Bioproduktivität im Mesozoikum (vor 225 bis 65 Millionen Jahren) zurück: Im warmen Wasser eines tropischen Randmeeres, das damals den Raum um den heutigen Persischen Golf einnahm, kam es immer wieder zu massiven Planktonablagerungen, die durch Verwitterungsprodukte des neu entstehenden Zagros-Gebirges rasch überdeckt wurden. Durch den Luftabschluss konnte das Plankton nicht verwesen. Biochemische Prozesse wandelten das organische Material in der Folgezeit zu Erdöl und Erdgas um.

Anders als die dortigen Erdölvorkommen entzogen sich die Erdgasvorräte bis in die jüngste Zeit hinein einer wirtschaftlichen Nutzung. Per Pipeline kann das Gas nicht zu den großen Verbrauchern Europa, Amerika und Fernost transportiert werden. Die dafür nötigen Investitionen verteuern den Rohstoff so sehr, dass ihn niemand haben will. Das Gas wurde deshalb lange Zeit einfach abgefackelt. Einigermaßen konkurrenzfähig war das in Katar produzierte Erdgas nur, indem man es verflüssigte und in Tankschiffen zu den weit entfernten Verbrauchern brachte. Japan und Südkorea gehörten 1996 zu den ersten Ländern, die auf diese Weise nennenswerte Mengen an Erdgas aus Katar importierten. Inzwischen liegt Katar nach Indonesien auf Platz zwei der Flüssiggasexporte (Fachterminus: Liquid Natural Gas, LNG). „Bis 2011 wollen wir Platz eins erreichen“, sagt Abdullatif Ali Shayef, Senior Business Partner bei Qatar Petroleum.

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Auch in anderen Ländern entstehen derzeit mehrere Dutzend Anlagen, in denen der verflüssigte Energieträger wieder in den natürlichen Aggregatzustand zurückverwandelt wird. Katars größte LNG-Abnehmer sind zwar weiterhin Japan und Südkorea. Doch die USA, Großbritannien und Indien, vor allem aber China, importieren immer mehr Erdgas in flüssiger Form. Selbst Deutschland, das heute noch zu 100 Prozent per Pipeline versorgt wird, wird künftig LNG beziehen. Der Bau eines entsprechenden Terminals im Tiefseehafen Wilhelmshaven ist beschlossen, Ende dieses Jahrzehnts soll es in Betrieb gehen.

Der britische Marktbeobachter Ocean Shipping Consultants prophezeit eine Steigerung des Gaswelthandels bis Ende des Jahrzehnts um jährlich fünf Prozent. Katar, das als politisch stabil gilt, kann daher sicher sein, dass sich seine Investitionen in die Erdgasverflüssigung lohnen. Zwischen Katar und Iran ergibt sich aus den Besitzansprüchen am größten Kohlenwasserstoff-Feld der Welt nach den Worten von Rempel bisher keinerlei Streit. Ob das so bleibt, wenn die strategische Rolle des Erdgases an Bedeutung zunimmt, weiß natürlich niemand. Dafür mögen weder Rempel noch andere ihre Hand ins Feuer legen.

Für Geschäftsreisende, die angesichts des gewaltigen wirtschaftlichen Potenzials von Katar scharenweise einfliegen, und den immer stärker werdenden Touristenstrom stehen zahlreiche Luxushotels zur Verfügung. Die sieben Kilometer lange Strandpromenade von Doha, eine der schönsten der Welt, lädt zum Bummeln und Shoppen ein. Das Land investiert Milliarden in seine touristische Infrastruktur, um nicht von Öl und Gas allein abhängig zu bleiben. Das spektakulärste Projekt ist „The Pearl“, eine vier Quadratkilometer große künstliche Insel in der Lagune vor Doha. Auf dem künstlichen Eiland entstehen Luxushotels, Villen und Appartements in 21-stöckigen Gebäuden, Yachthäfen mit 700 Liegeplätzen und palmengesäumte Strände. In der Hauptstadt erinnert ein gewaltiges Perlmuscheldenkmal an die heute nur noch für touristische Zwecke unterhaltene einstige Haupteinnahmequelle des Landes, die Perlentaucherei.

Der überall sichtbare Reichtum des Landes basiert auf den ersten Erdölfunden im Jahr 1939. Zehn Jahre später begann die Förderung. In der Folge wurde Katar nicht ganz so reich wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Bahrain oder Saudi-Arabien. Doch nun ist das Land auf dem besten Weg, diese Länder einzuholen. Die installierten Erdgasverflüssigungs-Anlagen produzieren bereits mehr als 30 Millionen Tonnen LNG pro Jahr. Eine Tonne Liquid Natural Gas entspricht dem Energieinhalt von 600 Kubikmetern Erdgas unter Normalbedingungen. Bis 2011 soll die Kapazität auf 77 Millionen Tonnen steigen. Die erste Verflüssigungsanlage ging im September 1996 in Ras Laffan in Betrieb. Im Dezember des gleichen Jahres startete der erste LNG-Tanker Richtung Japan.

Dass man Erdgas auch nutzen kann, um die Emissionen von Diesel-Fahrzeugen zu senken, haben führende Wirtschaftsvertreter in Katar frühzeitig erkannt. Aus Erdgas hergestellter synthetischer Diesel reduziert die Emissionen nämlich auf Werte, die auch die kommenden gesetzlichen Abgasnormen locker unterschreiten (siehe Kasten oben „Syn Fuel rettet die Motoren-Entwickler“). Beispielsweise kann synthetischer Diesel so produziert werden, dass er keinerlei Schwefel enthält. In reiner Form bietet sich dieser Treibstoff für Fahrzeuge an, die vor allem im Stadtbetrieb fahren. Aber auch die Beimischung zum herkömmlichen Diesel ist möglich und reduziert die Abgaswerte.

Katar will die Produktion von synthetischem Diesel im großen Stil betreiben. Im Juni dieses Jahres ging die erste Anlage mit einer Tagesleistung von 34 000 Barrel in Betrieb, die von einem Joint Venture zwischen dem südafrikanischen Unternehmen Sasol und dem US-Ölkonzern Chevron für das Unternehmen Qatar Petroleum gebaut wurde. Das Know-how zur Herstellung synthetischer Treibstoffe entwickelten Franz Fischer und Hans Tropsch 1925 als Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohleforschung in Mülheim an der Ruhr. Sasol hat es über die Jahrzehnte durch Bau und Betrieb von südafrikanischen Kohleverflüssigungsanlagen perfektioniert.

Das Erdgas wird mit Hilfe von Sauerstoff, den eine riesige Luftzerlegungsanlage liefert, in Synthesegas umgewandt – ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Daraus entstehen via Fischer-Tropsch-Synthese durch den Einsatz verschiedener Katalysatoren unter hohem Druck und einem Temperaturmilieu von bis zu 350 Grad Celsius die verschiedensten Kohlenwasserstoffe. Diesel kann ebenso einfach erzeugt werden wie Kerosin oder Benzin. Sasol Chevron will in den nächsten Jahren weitere Anlagen bauen – nicht nur in Katar.

2009/10 will auch Shell in Katar eine riesige Erdgaskonversions-Anlage in Betrieb nehmen, die 120 000 Barrel Synthesediesel erzeugt. Um 2030 sollen nach Schätzung der Internationalen Energie-Agentur in Paris pro Tag weltweit 640 000 Barrel Diesel, das sind 80 000 Tonnen, aus Erdgas hergestellt werden. „Keiner will aber derzeit sagen, wie teuer die Produktion von synthetischem Diesel ist und ob er preislich eine Alternative zu konventionellem Erdöl darstellt“, kommentiert Rempel.

Momentan haben neue Erdgasverflüssigungsanlagen noch Vorrang. Allein ein Projekt mit Exxon Mobil zur Produktion von jährlich 15,6 Millionen Tonnen LNG für die USA umfasst ein Volumen von mehr als zwölf Milliarden Dollar. Gegen Ende dieses Jahrzehnts sollen die ersten LNG-Tanker, die aus dieser Anlage beladen werden, ihre Fracht in Amerika löschen.

Das gereinigte Gas wird in gigantischen Kompressor-Kältemaschinen, die auf dem Prinzip des Wärmeentzugs durch Auf- und Abbau von Druck in einem Kältemittel beruhen, auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt. Dabei reduziert sich das Volumen auf ein Sechshundertstel. Der verflüssigte Treibstoff lagert anschließend drucklos in wärmeisolierten Tanks, bis er in Spezialschiffe gepumpt wird. Während einer mehrere Tausend Kilometer langen Überfahrt wandelt sich ein Teil des LNG – trotz Isolierung der Tanks – wieder in Gas um, das bisher den Schiffsmotoren zugeführt wird. Das ist eine unbefriedigende Lösung, weil teures Erdgas billiges Schweröl ersetzt. Auf den jüngsten Flüssiggastankern sind deshalb Anlagen zur erneuten Verflüssigung dieses Erdgases installiert.

Weltweit sind rund 200 Flüssiggastanker unterwegs und mehr als 100 bestellt, um den schnell steigenden Erdgasbedarf in aller Welt decken zu können. Dahinter steckt eine beachtliche Dynamik – und ein erhebliches Entwicklungspotenzial. Die Zahl der Öltanker, die auf den Weltmeeren unterwegs sind, beläuft sich auf 6000. Unfälle mit Flüssiggastankern gab es bisher kaum – und wenn, verliefen sie glimpflich. Verglichen mit konventionellen Tanker wäre bei einer Havarie der Schaden im Meer überschaubar: Das Gas würde rasch verdampfen und in die Atmosphäre entschwinden. Die Brandgefahr auf dem Schiff ist erheblich größer. Während sich Schweröl kaum entzündet, könnte ein Flüssiggastanker im schlimmsten Fall sogar explodieren. bdw-Team ■

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• Das Emirat Katar sitzt auf der größten Kohlenwasserstofflagerstätte der Welt.

• In fünf Jahren will der Wüstenstaat größter Flüssiggas-Exporteur der Welt sein.

• Ein Mega-Potenzial sehen Land und Energieproduzenten in der Umwandlung von Erdgas zu synthetischem Diesel. Der ist besonders umweltfreundlich.

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ein gasfeld, halb so gross wie Hessen, versetzt die Erdgasbranche in Euphorie. Im Persischen Golf – zwischen Katar und Iran – liegt die weltweite Superlagerstätte schlechthin. North Field/Pars South enthält neben Rohöl so viel Erdgas, dass der derzeitige Gasverbrauch Deutschlands rechnerisch mindestens 260 Jahre gedeckt werden könnte. Die wahre Dimension des Kohlenwasserstoff-Felds wurde erst vor wenigen Jahren erkannt.

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Zum Vergleich: Weltreserven 2005: 179 000

Die wirtschaftlich ausbeutbaren Erdgaslagerstätten Katars haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen: Das Land verfügt inzwischen über ein Siebtel der Welterdgasvorräte. Da es von den großen Verbraucherzentren weit entfernt liegt, kommt ein Export per Pipeline nicht in Frage. Der Energieträger wird daher in Flüssiggas- und neuerdings in Dieseltankern verschifft.

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Die europäische Umweltgesetzgebung spornte die Entwickler von Dieselmotoren zu Höchstleistungen an. In einem atemberaubenden Wettlauf passten sie die Technik an die seit dem 1. Juli 1992 stetig schärfer werdenden Abgasnormen an. Die am 1. Oktober dieses Jahres für Lkw in Kraft getretene Norm Euro IV reduziert die zulässigen Emissionen von Kohlenwasserstoffen, Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen gegenüber Euro III um 30, von Rußpartikeln um 80 Prozent. Verglichen mit den Emissionen, die nach Euro I zugelassen waren, sind die Obergrenzen um 86 beziehungsweise 95 Prozent gesenkt worden. Ähnlich drastisch reduzierten sich mit der seit 2005 geltenden Pkw-Euro IV die Emissionen bei Dieselautos. Die Einhaltung dieser Normen schafften die Entwickler durch raffiniert gestaltete Brennräume, präzise Terminierung der Einspritzung, hohe Drücke, Katalysatoren und Partikelfilter.

Die nächste Verschärfung kündigt sich an. Voraussichtlich ab 2010 dürfen neu zugelassene Pkw praktisch keinerlei Rußpartikel mehr emittieren. Wann diese Norm für Lkw in Kraft tritt, ist noch offen. Wie sie sich einhalten lässt, steht für die Motorenentwickler dagegen schon fest: Mineralischer Diesel wird dann mit synthetischem Treibstoff verschnitten zum so genannten Syn Fuel, oder, mit solchem aus Biomasse, zum Sun Fuel. In beiden Treibstoffen gibt es weder Teer noch Aromaten, die wesentlich zur Rußbildung beitragen. Außerdem enthalten sie nicht einmal Spuren von Schwefel, der nachgeschaltete Stickoxidkatalysatoren zerstören könnte. Sun Fuel emittiert zudem nur wenig mehr Kohlendioxid als das, was die Pflanzen zuvor der Luft entnommen haben. Schon eine fünfprozentige Beimischung könnte reichen, die nächste Verschärfung der Abgasnormen aufzufangen, vermuten Motoren- und Treibstoffexperten.

Mineralischer Diesel mit einem Schuss Syn Fuel gibt es an Shell-Tankstellen schon heute. Der synthetische Treibstoff (Markenname: V-Power-Diesel) wird in einer Shell-Anlage in Malaysia in relativ kleinen Mengen aus Erdgas produziert.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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